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Ökodörfer weltweit

lokale Lösungen für globale Probleme

Laut Definition kann ein Ökodorf eine traditionelle Dorfgemeinschaft sein, ein Stadtteil oder eine bewusst gegründete Lebensgemeinschaft. Ein Ökodorf in Europa oder Nordamerika entsteht meistens, weil seine Bewohner gesünder oder gemeinschaftlicher leben wollen. Im globalen Süden geht es dagegen oft ganz direkt ums Überleben: um Lebensmittelautonomie, um Schutz und Überleben in Konfliktregionen oder um Wege aus der Armut. Dabei hat sich eine weltweite Kooperation über Nachhaltigkeitsstrategien entwickelt. Wir laden ein auf eine Reise durch mehrere Weltregionen.


Sakraler Tempel Matrimandir (hinten) und Amphitheater in Auroville im indischen Bundesstaat Pondicherry. +++(c) dpa - Report+++
(c) dpa

Zukunftsstadt Auroville, Indien

An der Koromandelkünste Südindiens hört der Tasmanier Joss Brooks 1968 erstmals von der Idee einer Zukunftsstadt: Auroville. Die Idee zieht bald Kulturflüchtlinge aus aller Welt an: Hippies und Wahrheitssucher aus Amerika, Deutschland, Frankreich bauen sich hier ein anderes Leben auf. Viele verlassen das Projekt wieder – die Diskrepanz mit der Armut der Landbevölkerung ist zu groß. Doch Joss bleibt. “Wir sprechen mit alten Leuten, die ein großes Wissen über Heilpflanzen besitzen. Sie singen, während sie Reis pflanzen, sie kooperieren mit Pflanzen und Tieren. Durch sie finden wir Kontakt zur Seele des Waldes, der hier einst wuchs.”

Heute leben rund 2.000 Menschen aus 40 Ländern in Auroville. Auf dem ursprünglich kahlen Plateau befinden sich Häuser aus Holz, Lehm und Naturstein im Schatten vieler Bäume. Große Solarsysteme dienen zum Kochen und zur Stromerzeugung. Ein täglicher Touristenstrom besichtigt das Matrimandir, das Heiligtum Aurovilles.

Joss´ Team pflanzt auf 400 ha einen Grüngürtel von Bäumen und legt rund 1.000 km Gräben und Erddämme an, die das Regenwasser auf dem Land halten. Für Joss ist der nachwachsende Wald und nicht das Matrimandir das Heiligtum Aurovilles.

Inzwischen helfen Spezialisten aus Auroville der Regierung, ein Nachhaltigkeitskonzept für die ganze Region zu entwickeln – in Kooperation mit lokalen Dorfbewohnern. In der nah gelegenen Millionenstadt Pondicherry wandeln sie die städtische Müllkippe in ein Erholungsgebiet um.

Joss: “In Auroville versuchen Menschen aus aller Welt gemeinsam mit Einheimischen, einen Weg der Nachhaltigkeit zu finden. Das Wichtigste ist, in allem die Seele wahrzunehmen – denn in der Seele finden wir die Erinnerung an den Garten der Zukunft.”

 

 

 


Sekem
Sekem

Sekem, Ägypten

Dr. Ibrahim Abouleish aus Kairo hatte bei seinem Studium in Österreich die Anthroposophie kennengelernt und kehrte mit einer großen Vision zurück: Er sah inmitten der Wüste Wasser, Bäume, Tiere und Menschen gedeihen. “Bäume spenden Schatten, das Land wird grün, Blumen verströmen ihren Duft, Insekten und Vögel zeigen ihre Hingabe an den Schöpfer, als sprächen sie die erste Sure des Koran.”

Nördlich von Kairo erwirbt er 1977 ein Grundstück und lässt nach Wasser bohren. So beginnt Sekem – heute ein Ökodorf, eine Farm für Medizinalkräuter, biologische Baumwolle und Rinderzucht, eine Gesundheitsstation für die umliegende Bevölkerung, eine alternative Universität, eine Schule und mehrere Öko-Industrie- und Handwerksbetriebe.

Sekem bringt die Idee der biologischen Landwirtschaft nach Ägypten. Hunderte von Bauern lernen, ohne Gifte Getreide, Kräuter und Baumwolle zu produzieren und zu vermarkten. Umstritten, aber effektiv ist die Idee der Kamille-Kinder: Da die Landbevölkerung auf die Arbeitslöhne ihrer Kinder nicht verzichten kann, stellt Sekem Kinder ein, um Kamille zu pflücken – für vier Stunden am Tag. Die andere Tageshälfte gehen sie zur Waldorf-Schule von Sekem. Heute verbindet das Projekt islamische und anthroposophische Kulturelemente. Jeden Morgen versammeln sich alle Mitarbeiter – ob Bauern oder Manager – zu einem Morgenkreis: ein Symbol für Gleichheit und Ganzheit der Vision.

Abouleish: “Sekem ist ein Modell für nachhaltige Entwicklung für die ganze Welt. Wir wollen beweisen, dass wir durch unsere Arbeit an allen Dimensionen der Nachhaltigkeit und unsere Investition in die Bildung mit den besten Firmen der Welt konkurrieren können.”

+Info:
www.sekem.com;
Telefone: 0020-2-26588 171/124+5

 

 

 


Fayez
Fayez

SICE, Ökodorf-Initiative für syrische Flüchtlinge in Schweden

Fayez Karimeh aus Syrien, 43, Vater dreier Kinder, betreut vor dem Krieg ein Aufforstungsprojekt in Yabroud. Nachdem Nachbarn immer wieder Bäume auf der Suche nach Feuerholz zerstören, sucht er nach Energie-Alternativen und stößt auf eine Anleitung im Internet für den Bau einer Mini-Biogasanlage. Er baut sie nach und kommt so in Kontakt mit der Ökodorf-Bewegung in Europa. Als seine Stadt zerbombt wird, bringt er seine Familie an einen sicheren Ort in Syrien und beschließt, nach Europa zu gehen. In Tamera/Portugal gibt man ihm eine befristete Anstellung, was ihm die legale Ausreise ermöglicht.

“Es war ein Kulturschock”, sagt er. “Ich hatte niemals zuvor von Ökodörfern oder Heilungsbiotopen gehört. Aus dem Krieg kommend traf ich auf eine Gemeinschaft, die versuchte, in allen Belangen gewaltfrei zu leben.”

Nach drei Monaten reist er weiter in seine spätere Wahlheimat Schweden und beschließt, dort ein Ökodorf für Flüchtlinge aufzubauen. “Ökodörfer für Flüchtlinge haben Vorteile für alle Seiten”, erklärt er an der Universität Uppsala sein Vorhaben. “Die Flüchtlinge leisten ökologische Restaurierung für ihr Gastgeberland, und gleichzeitig lernen sie Techniken, die ihnen später helfen werden, ihr Land wieder aufzubauen.”Dass zu diesen Techniken auch soziale Fähigkeiten gehören, ist Fayez besonders wichtig. “Die Gemeinschaften brauchen Wissen über soziale Verständigung, Basisdemokratie und Konfliktlösung.”

Am 1. April 2015 gründet er den Verein SICE – Syrische Handwerker für Integrations-Ökodörfer. Seitdem organisiert er in schwedischen Ökodörfern Seminare in Lehmbau, Verarbeitung von Waldfrüchten und dem Aufbau von Pflanzenkläranlagen. Viele Schweden unterstützen die Idee, und zwei Gemeinden haben sich beworben, das erste Flüchtlings-Ökodorf auf ihrem Grund und Boden aufzubauen.

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