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In Frage gestellt

Ausgabe #26

Uwe-Heitkamp Editor & Director

Eigentlich sollten in diesen Tagen allen anderen voran, wir Journalisten Bescheid wissen, dass sich die Menschheit in einer tiefen Krise befindet, aus der wir nur wieder herauskommen, wenn wir unsere LeserInnen informieren, also Geschichten schreiben, die Hintergrundwissen zum Ausdruck bringen, Geschichten des Gelingens auf die dringenden Fragen der Zeit, Antworten suchen, auf diese Fragen, Antworten finden und diese Antworten in Interviews konsequent einfordern. Deshalb haben wir António Costa nicht interviewt, noch nicht.

Denn wir müssen das Abstrakte begreifbar machen. Es reicht nicht, über Elektroautos und Flugzeuge zu schreiben, wir müssen Zusammenhänge erkennen und diese publizieren. Wenn uns bewusst wird, wie wir uns mit der Idee des Wirtschaftswachstums und des Prinzips des immer weiter so in einer Sackgasse verrannt haben, dann müssen wir Journalisten uns fragen, was machen wir in der Darstellung, in der Recherche, in der Fragestellung eigentlich alles falsch. Dann wäre es wichtig, Wege aus dieser Sackgasse heraus zu finden, diese aufzuzeigen, Alternativen zu erfragen.

Stopp. Das geht nicht in einem Klima von Stress, dem Arbeiten gegen die Zeit und die Uhr, dem ewigen Rattenrennen hinter den aktuellen Themen her – und wer eigentlich entscheidet darüber, welche Themen ausgesucht, was abgedruckt und was veröffentlicht wird und was nicht – sondern wir müssen uns ein anderes Arbeitsklima schaffen, eines das uns Zeit zum Nachdenken und zur Neuorientierung gibt, aus dieser Sackgasse wieder herauszukommen. Zurück auf null? Das muss nicht sein, aber wenigstens zurück bis an die Kreuzung, an der wir uns entschieden, den falschen Weg genommen zu haben. Wo war das doch noch?

Das würde voraussetzen, dass auch Journalisten sich selbst und ihre Arbeit infrage stellen können. Können wir das? Ich habe meine Zweifel daran. Sonst würden Wochenzeitungen wie der renommierte Expresso oder das Magazin Visão oder die Tageszeitung Público, die täglichen Nachrichten der Fernsehsender ihre Geschichten anders auswählen, anders darstellen, anders beginnen und anders enden, wenn sie denn könnten. Es ist dieses Weitermachen um jeden Preis, der uns hindert, die richtigen Antworten auf die grundlegenden Fragen der Zeit zu finden. Was hindert uns Journalisten daran, mal eine Stufe langsamer zu arbeiten? Was hindert uns, die richtigen Themen auszuwählen, die richtigen Fragen zu stellen und so dazu beizutragen, Menschen (Leser, Zuschauer) besser und umfassender zu informieren, um auf diese Weise dazu beizutragen, die Kurve zu kriegen.

Der Mensch trägt das gefährliche Potential in sich, seine Lebensgrundlagen nicht nur zu beschädigen, sondern sie auf immer und ewig zu zerstören, oder aber sie zu erhalten. Wie machen wir das, dieses fragile Klima unseres Planeten nicht weiter zu beschädigen; wie machen wir das, Kindern und Schülern zuzuhören, wenn sie uns etwas über ihre Zukunft fragen, ihre Zweifel an dem ausdrücken, ihre Ängste, ihre Vorbehalte, ihre Sorgen? Ihre Forderungen! Der seriöse Journalismus muss die Grundlagen dafür schaffen, dass zu jeder Zeit auch die zu Wort kommen, die nicht gewohnt sind, in fünf Mikrofone gleichzeitig zu sprechen. Geben wir dem wichtigsten Thema unserer Zeit, geben wir dem Klima die Vielfalt der Gesichter und der Stimmen, die es in Wirklichkeit hat. Was wir brauchen, ist eine informierte und aufgeklärte Öffentlichkeit und mutige Journalisten, die daran mitarbeiten.

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