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Wenn die Luft rein ist…

GRIFFON VULTURE (Gyps fulvus),

Heute, am 1. April bleiben wir mal in Portugal, sozusagen vor unserer eigenen Haustür. Ich beschäftige mich mit Tieren. Ja, wir leben ja nicht allein auf diesem Globus, liebe Freunde. Wir Menschen haben uns so stark vermehrt und durchgesetzt gegenüber den Tieren und wir sind jetzt diejenigen, die bestimmen, wo es lang geht. Wir sind sozusagen ohne äußere Feinde. Wir Menschen, alle zusammen, sind jetzt mehr als achteinhalb Milliarden. Wir können uns nur noch selbst zum Feind werden. Aber auch das ist noch viel zu kurz gedacht.

Täglich beobachte ich also meine schwarze Katze Titinha. Sie ist eine schöne, schlanke und gesunde Kätzin, die jeden Morgen und Abend von mir ihr Futter vor die Haustür gestellt bekommt. Wenn sie gerade mal nicht da ist, weil sie wieder Wanderungen unternimmt, wartet eine diebische Elster in einer Zeder und beobachtet das Gelände scharfen Auges. Soviel habe ich bereits selbst erkannt. Wenn ich dann die Haustür zumache, fliegt sie nach einiger Zeit zum Futternapf der Katze und beginnt, das Katzenfutter zu klauen. Wenn die Luft rein ist. Soweit sind wir bereits gekommen. Vögel fressen jetzt Katzenfutter. Daran sehen wir, daß das Katzenfutter eine Delikatesse für Elstern sein kann, die vermutlich nicht so wählerisch sind… Ich will aber hier & heute keine Freßkritik schreiben. Aber mir ist eine Frage in den Sinn gekommen, die mich seitdem nicht mehr losläßt.

CINEREOUS VULTURE (Aegypius monachus),

Warum leben wir nicht einfach mit allen Geschöpfen, die es auf diesem Planeten gibt, in friedlicher Koexistenz? Meine Katze kommt immer erst dann nach Hause, wenn der Vogel sein Mahl beendet hat. Dann geht sie leer aus. Nun habe ich auch noch einen Hund. Der hat das auch schon mitbekommen, daß der Vogel Katzenfutter stibitzt und er jagt ihn mit lautem Bellen in die Flucht. Er würde den Vogel gern am Hals packen, hin und herschütteln und ihm klar machen, daß er kein Katzenfutter stehlen soll. Aber er begreift noch nicht so recht, warum der Vogel fliegen kann und er nicht. Immer ist die Elster schneller weg als er springen kann und dann kommt sie natürlich wieder und frißt genüßlich zu Ende. Ihm bleibt dann nichts anderes übrig als gute Miene zum bösen Spiel zu machen. Der Vogel bestimmt das Geschehen. Er hat Flügel, der Hund hat keine und kann (noch) nicht fliegen, obwohl er das auch gerne mal ausprobieren würde. Diesen Eindruck jedenfalls bekomme ich an manchen Tagen.

Und nun lese ich in einer Meldung, die mich gerade erreicht, daß in Portugal ein Experiment stattfindet, das sich „Rewilding“ nennt. Es wird von einigen aus der holländischen Königsfamilie gesponsert. Könige haben ja in der Regel wenig zu tun, also arbeiten etwas weniger als normale Menschen. Deswegen haben sie vermutlich viel mehr Freizeit und auch mehr Geld. „Rewilding“ ist ein Konzept, das in unsere komplizierte und eintönig gewordene Welt etwas mehr Biodiversität bringen soll. Garrano Pferde werden in Portugal wieder ausgewildert. Dann gibt es von irgendwoher auch den Bison, ein Vorfahre des Rindes, das bei uns immer noch auf dem Teller landet. Und natürlich soll es auch etwas Besonderes sein: vielleicht ein Vogel, – nein keine diebische Elster,- aber ja, eine Familie von Geiern, die hochoben in den Felsen des Flusses Côa sitzen und dort in ihren Felsspalten nisten. Côa?

Der Rio Côa ist der einzige Fluß auf der Iberischen Halbinsel, der von Süden nach Norden in den Rio Douro fließt. Ein wunderschöner Fluss. Auf einer Länge von etwas mehr als 200 km schlängelt er sich aus der Serra da Malcata bei Foios an der spanischen Grenze nach Sabugal, von dort immer weiter nach Norden und durch das einzige private Naturschutzgebiet Portugals, durch Faia Brava, bis zu seiner Mündung in den Douro, nach Vila Nova de Foz Côa, an der Distriktsgrenze zwischen Bragança und Guarda. Wer den Wanderweg Grande Rota Vale da Coa (GR 45) am Fluss entlang nimmt, braucht mindestens zehn Tage, um in aller Ruhe nicht nur diesen natürlichen Teil Portugals, sondern auch die Geier kennenzulernen. Sie leben dort in freier Wildnis, neben Garrano Wildpferden und Bison-Büffeln und vielen anderen Tierarten. Vor ein paar Wochen wurde für die Geier der erste offizielle Freßplatz eingeweiht. Dort können sie Aas von toten Schafen von Hirten bekommen, zeitlich abgelaufenes Fleisch von Supermärkten fressen und man kann dort andere tote Tiere ablegen. Sie wissen bestimmt, dass Geier kein Katzenfutter fressen…

ECO123 online Fortsetzung folgt nächsten Samstag um neun Uhr an gleicher Stelle.

 

Uwe Heitkamp (65)

ausgebildeter Fernsehjournalist, Buchautor und Hobbybotaniker, Vater von zwei erwachsenen Kindern, kennt Portugal seit 35 Jahren, Gründer von ECO123.
Übersetzer: Dina Adão, John Elliot, Patrícia Lara
Fotos: Juan Carlos Munoz

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