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BEACON, das Leuchtfeuer in der Dunkelheit?

Sind Journalisten neutral? Wer sucht ihre Themen aus, an denen sie arbeiten und wer entscheidet, wie sie dargestellt werden? Ist es die Wirklichkeit, die sie betrachten und in Worte kleiden – wie eine Schaufensterpuppe, der man einen Mantel umhängt? Was sind das für Geschichten, die sie schreiben? Welchen Einfluss hat die Intuition auf diese Arbeit? Wo stehen sie, wenn sie beobachten und fragen, zuhören und anfassen, wenn sie schmecken und riechen und dann ihre Geschichten erzählen? Welche Bilder wählen sie in ihren Geschichten? Sich selbst und die eigene Arbeit infrage stellen, das ist auch die Frage nach dem Sinn von dem, was und wie jeden Tag über die Welt berichtet und abgebildet wird.

Nenne ich das Thema, über das ich hier heute schreibe schon Klimakatastrophe oder noch Klimawandel? Die Zeit drängt, sagt einer zu mir. Es ginge auch immer um die Glaubwürdigkeit, sagt ein anderer. Zwanzigdreißig (2030) müssen wir 40% weniger CO2 emittieren. Zwanzigfünfzig (2050) sind wir dann clean. Gespräche zwischen einem Junkie und seinem Therapeuten? Bin ich in der Suchtberatung? Aber nein. Ich befinde mich im Small talk während der Kaffeepause bei BEACON in Heidelberg, Deutschland. BEACON, dem Brückenbau zwischen europäischer und lokaler Klimaaktion. Hier wird sie geholfen. Seit Tagen machen wir uns von ECO123 Gedanken darüber, wie wir von Monchique nach Heidelberg fahren und unseren Fußabdruck so gering wie möglich halten. Kann ein Journalist davon ausgehen dass, wenn er an einem Kongress teilnimmt, (der von einem Umweltministerium finanziert wird) und auf dem sich rund 100 Bürgermeister, Städteplaner und Umweltdezernenten aus sieben Ländern über den Weg der Verringerung von Kohlendioxyd-Emissionen Gedanken machen – und dass genau diese Repräsentanten des Establishments auf ihrem Weg nach und von Heidelberg so wenig wie möglich zur weiteren Überhitzung der Erdatmosphäre beitragen; dass sie also nicht das Flugzeug, sondern die Bahn als Fortbewegungsmittel benutzen?

Beacon

Kann er nicht. Die Kommunen seien Wegbereiter in eine grüne Zukunft, sagt mir ein Städteplaner. Es wird viel miteinander geredet an diesem Tag. Es bestünde Handlungsbedarf, bekomme ich von José Maria Costa, dem Bürgermeister von Viana do Castlo gesagt. Wo Staaten und Regierungen versagen, springen nun die Kommunen ein. Ist das so? Dörfer und Städte werden nicht gebaut, um Autos glücklich zu machen, schreiben Verkehrsplaner in Broschüren. Architekten bauen nun Energieaktiv- oder zumindest Passivhäuser, um Menschen mit der Natur zu versöhnen, damit ihr Leben angenehmer wird, sagen andere. Es gäbe keine Alternative mehr zur Farbe grün. Kohlenstoffneutral leben stünde im Mittelpunkt jeder Diskussion über die Zukunft des Menschen. CO2 sei farb- und geruchlos, betont ein Klimawissenschaftler. Das europäische Projekt BEACON, von dem ECO123 in seiner jüngsten Ausgabe ausführlich berichtete, trifft sich heute also in Heidelberg (Deutschland) und dieses Mal auch mit den Osteuropäern. Und demnächst kommen alle auf der griechischen Insel Syros zusammen und danach wieder alle in Portugal, in Viana do Castelo im November.

Wie also fahren wir nach Heidelberg und emittieren so wenig wie möglich CO2? Das ist eine erste Frage, die ich mir stelle. Wie kommen wir da hin – zu so einem Kongress? Seit Monaten bewege ich mich zu Fuß durch verbrannten Wald und gehe über Asche und mache mir Gedanken über den Zustand der Erde. Kaum ein Mensch interessiert sich heute mehr für den Wald. Die meisten können eine Eiche von einer Kastanie nicht unterscheiden. Kein Mensch geht mehr zu Fuß und schaut sich den Zustand des Waldes an. Ich betrachte Bäume mit meinen Augen. Wo gebaut wird, dienen Bäume allenfalls noch der Dekoration und anderswo als Investition in Monokulturen. Eigentlich müssten wir dem europäischen Wald einen Kongress widmen und jenen Zurückgebliebenen, die da draußen in verbrannten Häusern ohne Dach leben und vom blauen Himmel der Algarve schwärmen: den Klimaopfern Europas. Einige leben in Zelten auf ihren verbrannten Grundstücken, während sich die Architekten im Rathaus hinter ihren Vorschriften verstecken. Wenn es darum geht, eine Baugenehmigung für ein abgebranntes Haus auszustellen, findet der Bürokrat immer ein Haar in der Suppe seiner Arbeit. Wie verhindern wir Waldbrände? Wie Überschwemmung? Wie den Gewitterhagel und die Stürme? Das wäre das eigentliche Thema. Wie vermeiden wir Verarmung durch Katastrophen?

Fragen an die Teilnehmer des BEACON Kongresses: wie bist du nach Heidelberg gekommen? Kann ein Journalist davon ausgehen, dass Worte und Taten miteinander im Einklang stehen? Griechische, portugiesische, rumänische, bulgarische, polnische und tschechische Vertreter aus mehr als 50 Kommunen Europas reisen mit dem Flugzeug und auf Kosten des Steuerzahlers nach Heidelberg. Wie ist das möglich, dass so viele Lokalpolitiker nachhaltige Wege suchen und rund 40 Prozent der in ihren Kommunen verursachten Treibausgase bis 2030 einsparen wollen und sie selbst nicht einmal mit gutem Beispiel vorangehen? Bei meiner Frage nach der Wahl des Transportmittels schauen einige betreten zu Boden oder zucken mit den Schultern. Geflogen. Schuldgefühle? Nein. Warum denn?

ECO123 zahlt seine Fahrtkosten selbst. Die lassen wir uns von keinem Umweltminister erstatten. Es ist das Geld unserer Leser, das uns unabhängig macht. Der 21. Mai 2019 ist ein Dienstag und in Heidelberg regnet es. Es mag gar nicht hell werden. Wir sind drei Tage zuvor bei Sonnenaufgang in Monchique mit dem Hybrid losgefahren, nachdem wir zuvor alle Möglichkeiten durchgegangen sind und miteinander verglichen haben. Fliegen kommt für uns nur noch im Notfall infrage. Die Bahn nimmt unseren Hund nicht mit. Also wählen wir den Hybrid für diese lange Tour. Am ersten Tag erreichten wir Miranda de Ebro in Nordspanien, am zweiten übernachteten wir in Châteauroux, im Herzen Frankreichs und einen Tag später erreichten wir Deutschland. Da stehen wir nun im grenzenlos vereinten Europa, haben 2.709 Kilometer zurückgelegt und sind nun verantwortlich für 82 Gramm CO2-Emissionen pro gefahrenen Kilometer. Wir haben an vier Tankstellen fast 100 Liter Benzin getankt. Wir sind zu zweit unterwegs und jeder von uns beiden steht für den hälftigen Anteil von 222 kg und 138 Gramm CO2, zeichnet verantwortlich für 112 kg CO2. Das trage ich nun bei https://kyoto.eco123.info in meine persönliche Klimabilanz ein, bevor ich mich auf den Kongress einlasse. Ich steige die Treppe hinauf in den fünften Stock des Hauses mit der Nummer 7 in der passivhausgebauten Siedlung Bahnstadt, dem Tagungsort von BEACON. Hier sollen Lösungen erarbeitet werden, wie Europa dem Klimawandel, euphemistisch formuliert, wie Europa der Klimakatastrophe der kommenden Jahre entkommen will.

Wie findet ein Journalist heraus, ob der Dampfer schon sinkt, während er noch dem Konzert eines Streichorchesters lauscht? Im Präludium bekämpfen die Kommunen mit vielen Worten und Fragen die Energiearmut. 50 Millionen Europäer seien gegenwärtig nicht in der Lage, in ihren Häusern ausreichend zu heizen. Wie könne man Haushalte mit niedrigen Einkommen dabei unterstützen, die Energiekosten zu senken, den Wohnkomfort zu erhöhen und gleichzeitig Klimaschutz betreiben? Gute Frage. Was denkt sich der Rest der Welt bei Hunger, Krieg, Dürre, Überschwemmungen und Waldbränden? Die Macher von BEACON fragen, wie können lokale Behörden Maßnahmen zur Eindämmung und Anpassung an den Klimawandel ergreifen und gleichzeitig den Bürgern Zugang zu nachhaltiger und erschwinglicher Energie ermöglichen? Wie werden europäische Kommunen trotz hoher Verschuldung die notwendigen Investitionen mobilisieren? Wie können kommunale EU-Mittel zur Finanzierung von Klimaschutzmaßnahmen eingesetzt werden? Wie kann das Bewusstsein für den Klimawandel und die Notwendigkeit von Klimaschutzmaßnahmen auf lokaler Ebene geschärft werden? Wie stellt man – basierend auf kommunalen Klimazielen und Maßnahmen – eine Verbindung zwischen den Ursachen und Auswirkungen des Klimawandels her? Wie verbindet man klimawissenschaftliche und kommunale Maßnahmen miteinander?

Ich frage, warum die Waldbrände Griechenlands und Portugals bei BEACON kein Thema sind? Auch in Deutschland mehren sich die Anzeichen der Klimakrise. Die Pegelstände des Rheins waren im Sommer 2018 so niedrig, dass der Fluss kaum noch schiffbar war. Der Grund? Ausbleibender Regen. Die ersten Waldbrände überraschten Deutschland, Schweden, Norwegen.

Pedro Martins Barata
Pedro Martins Barata

In der Mittagspause spricht ECO123 mit Ingenieur Pedro Martins Barata (50), get2c-Berater und Koordinator der portugiesischen Regierung für die Roadmap zur Klimaneutralität in 2050.

Wie können wir CO2-Neutralität erreichen?
Kohlenstoffneutralität wurde zum Thema, weil wir das Problem des Klimawandels angehen müssen. Die Wissenschaft ist zu dem Schluss gekommen, dass wir für eine reelle Chance, die Hauptauswirkungen des Klimawandels zu vermeiden, unsere Emissionen viel schneller senken müssen als wir dies bisher getan haben. Dazu streben wir an, unsere Emissionen in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts auf null zu senken.
Für Portugal bedeutet dies eine zusätzliche Verantwortung. Wir sind ein entwickeltes Land und müssen unsere Emissionen bis 2050 auf null senken. Dafür haben wir 32 Jahre Zeit.

António Costa sprach darüber in Marrakesch…
Ja, António Costa hat sich im Namen Portugals dazu verpflichtet.

Wie schaffen wir das?
Nach diesen Erklärungen in Marrakesch hat die Regierung beschlossen, einen Fahrplan zur CO2-Neutralität auszuarbeiten, der verschiedene Bereiche abdeckt. Das Wichtigste ist aufzuzeigen, wie CO2-Neutralität erreicht werden kann. Dann gilt es, diese Vision zu verbreiten, damit es sich nicht nur um ein offizielles politisches Dokument handelt, sondern in den kommenden Jahren Strategien in den verschiedenen Sektoren entwickelt werden können.
Um in Portugal CO2-Neutralität zu erreichen, müssen wir drei Schritte umsetzen. Der erste besteht darin, den Anteil erneuerbarer Energien bei der Stromerzeugung auszubauen und bis auf 100% zu erhöhen. Es ist bereits beschlossene Sache, dass das Kohlekraftwerk Sines noch vor 2030 vom Netz genommen wird – geplant ist die Abschaltung zwischen 2025 und 2029. Ich habe Grund zu der Annahme, dass dies sogar früher passieren könnte.
Selbstverständlich soll der Ausstieg aus der Kohleenergie so schnell wie möglich erfolgen.
Dieser Teil unserer Planung ist sehr interessant – es gibt viele Länder, in denen von einer Energiewende gesprochen wird, die von Kohle über Erdgas und dann erst zu erneuerbaren Energien führt. Portugal verfügt über eine Überkapazität an Erdgas. Das Gas wird genutzt, um aus der Kohle auszusteigen und seine Verteilung organisiert, ohne die Fördermengen zu erhöhen. Schließlich kommen nur noch erneuerbare Energien zum Einsatz: Solar, Wind und Wasser.

Das ist der erste Schritt. 100 Prozent erneuerbare Energie so schnell wie möglich!
Der zweite Schritt besteht darin, dass nun, da der Strom aus erneuerbaren Energien gewonnen wird, eine allgemeine Elektrifizierung erfolgt. Wir nutzen den Strom bereits für unsere Beleuchtung und zunehmend in unseren Häusern zum Heizen, aber wir haben immer noch viele Schwierigkeiten, Elektrizität auch in der Mobilität zu nutzen. Trotzdem gehört Portugal zu den Ländern Europas, in denen die Elektromobilität am schnellsten umgesetzt wird und befindet sich im Vergleich mit anderen Ländern das Wachstum an Elektromobilität betreffend, an vierter Stelle.

Das bezieht sich auf die individuelle Mobilität, aber wie sieht es bei der kollektiven Mobilität aus?
Es gibt ein Problem, das wir berücksichtigen müssen. Wir können bei den individuellen Transportmitteln bedingt von Diesel/Benzin auf Elektrizität umsteigen, was sich auf unser Klima sicherlich vorteilhaft auswirkt. Dieser Effekt wäre noch viel grösser, wenn wir gleichzeitig von individuellen auf kollektive Transportmittel oder Carsharing wechseln könnten. Auch dies hätte einige Vorteile.
Bereits jetzt steigen unsere öffentlichen Verkehrsmittel auf Elektro um, wie an den in den letzten Jahren in Portugal erworbenen Flotten zu sehen ist.Diese Entwicklung sehen wir vor Allem in Lissabon, weniger in Porto. Ein Großteil dieser Elektromobilität wird – wie aus dem Plan hervorgeht- an Carsharing gekoppelt sein. Im Bereich geteilter Mobilität kommt der Elektroantrieb mehr und mehr zum Einsatz – und Uber wird zunehmend das konventionelle Taxi ersetzen.

Das wollen die Taxifahrer nicht hören.
Nein das gefällt ihnen gar nicht, aber sie müssen der Realität ins Auge sehen. Auch für die Uber-Fahrer sieht die Zukunft möglicherweise nicht so rosig aus, da eine der Hypothesen im Fahrplan zur CO2-Neutralität von einer starken Zunahme der autonomen Mobilität -die sich jetzt noch in der Versuchsphase befindet – ausgeht. Wir rechnen mit einer Explosion autonomer Mobilität in einigen Nischen. Mit den uns heutzutage zur Verfügung stehenden Technologien, ist es durchaus möglich, selbstfahrende Lastwagen zum Gütertransport auf langen Strecken zu entwickeln.

Und der Zug…?
Für diese Art von Transport fehlt es dem Zug an Flexibilität.

Streckenausbau?
Das ist teurer…

Lissabon-Madrid, Paris-Brüssel-Berlin-Heidelberg…

Pedro Martins Barata

Der Zug, wie auch andere große Transportmittel – zum Beispiel die Metro – sind für diesen Mobilitätswandel unabdingbar und wichtig. Der Punkt ist, dass wir mit dieser Änderung sicherstellen müssen, politisch klug zu handeln und in Verkehrsmittel für Groß-, Massen- und öffentlichen Transport investieren, da wir ansonsten zwar ein sauberes – weil elektrisch und erneuerbar – aber kein effizientes System haben werden. Es wäre ineffizienter in Elektroautos, anstatt gemeinsam in öffentliche Verkehrsmittel zu investieren.

Zurück zu unseren Schritten. Elektrifizierung, Verbrauch und Energiegewinnung zu 100% aus erneuerbaren Energien. Der dritte Schritt besteht in der Ausweitung der CO2-Speicherung, die in Portugal nur – und derzeit leider eher schlecht – durch den Wald geleistet werden kann. Besser und anhaltender wäre die Wiederherstellung von natürlichen Wald- und Weideflächen.

Die verbrannten Flächen?
Ja, und dabei die einheimischen Wälder wiederherstellen, die feuerbeständiger und den abzusehenden klimatischen Veränderungen besser gewachsen sind. Aber auch die Regenerierung der Bodenproduktivität durch Weiden mit größerer Artenvielfalt – Projekte, die in Portugal schon Anwendung gefunden haben.

Auf welche heimischen Arten beziehen Sie sich? Eukalyptus?
(lacht) Wir sprechen im Wesentlichen von Eichen. In Bezug auf die Beweidung gewinnen wir hauptsächlich die montados (Weideflächen mit Kork – und Steineichen) zurück. Durch umfangreiche Maßnahmen werden hochproduktive Gräser ausgesät – ausgewählte Gräser mit einer hohen Kohlenstoffaufnahme im Boden. Wir planen hier nicht nur zehn oder 15 Jahre in die Zukunft, sondern wollen über 40, 50 Jahre die Böden so zu verbessern, dass wir dann 2050 oder sogar 2060 wesentlich produktivere Böden haben. Diese Produktivität ging in den letzten Jahrhunderten verloren und bei der Wiedererlangung binden wir gleichzeitig Kohlenstoff ein. So führt uns die Reduktion an CO2-Emissionen einerseits und die Zunahme an CO2-Speicherung andererseits zur gewünschten CO2-Neutralität.

Können wir mit dem Bau eines neuen Flughafens in Montijo, im Jahr 2050 wirklich CO2-Neutralität erreichen? Was wäre, wenn die CP (portugiesische Eisenbahngesellschaft) auf mehr Flexibilität setzen und Hochgeschwindigkeitszüge von Lissabon über Madrid nach Paris, Brüssel einsetzen und gleichzeitig den Zug als regionales Transportmittel innerhalb des Landes fördern würde?
Mobilität der Bevölkerung ist eine Sache. In ihrer Entstehung war die CP (im Landesinneren) für den Güter- und nicht für den Personentransport gedacht. Aus diesem Grund sind die Bahnhöfe manchmal kilometerweit von den Wohngebieten entfernt. Einige dieser Linien wurden unter anderem für den Tourismus wieder in Betrieb genommen, was sich aber – aufgrund der neuen Anforderungen – oft recht schwierig gestaltet.

Um CO2-Neutralität zu erreichen, müssen wir die Bildung großer Ballungsräume stoppen. Dies ist keine idyllische Vorstellung von „Zurück zu Natur und Vogelgezwitscher …“, es geht um Lebensqualität, Zugang zu öffentlichen Einrichtungen und Dienstleistungen – nicht nur in Zentren wie Lissabon, Évora oder Beja. Dafür brauchen wir qualitativ hochwertige Transportmittel. Ich bin mir nicht sicher, ob dies auf der Schiene garantiert werden kann. Sammeltransporte wären sinnvoll, um den Menschenmassen in unseren Städten gerecht werden zu können …

Dies kann durch Streckenumbau, andere Fahrdienste im Bereich Elektromobilität und in einigen Fällen – zum Beispiel an der Algarve …

…fahren Sie an die Algarve?
Das mache ich nicht sehr oft, aber manchmal fahre ich mit dem Zug nach Loulé, der in Bezug auf die Fahrzeit durchaus wettbewerbsfähig ist und eine recht vernünftige Servicequalität bietet. Es bleibt abzuwarten, ob wir mit der bestehenden Infrastruktur in der Lage sind, die Attraktivität des Zuges – die bereits wesentlich höher ist als vor fünfzehn oder zwanzig Jahren – weiter zu steigern und den Einnahmerückgang der CP wieder umzukehren.

Im Bereich der Stadtplanung besteht die Absicht, mittelgroße Städte wieder zu bevölkern, weil diese den gesellschaftlichen Anforderungen, die Lebensqualität betreffend, immer mehr entsprechen. Diese mittelgroßen Städte werden in Zukunft eine ähnliche Lebensqualität bieten, wie wir sie in Évora, Lissabon, Coimbra oder anderen Mittelstädten finden. Aber auch in großen Städten wie Lissabon – in Ballungsräumen – ist es notwendig, den Lebensstil zu ändern, indem zum Beispiel Familien überlegen, wie sie Energie produzieren können (ein Teil des Energiebedarfs kann selbst produziert werden) und wie Ressourcen genutzt und Materialkreisläufe geschlossen werden können.
Die Idee ist, in 2050 keinerlei Müll mehr zu haben – jegliche Ressource wird wiederverwendet, recycelt und zurück in den Umlauf gebracht.

Glauben Sie, Mota Engil (der Entsorger Portugals) würde das gerne hören?
Das weiß ich nicht.

Sprechen wir von einer Stadt ohne Müll, in der Ressourcen wiederverwendet und recycelt werden können …
Erdölunternehmen wie GALP sowie Unternehmen für feste Siedlungsabfälle wird das gleiche Schicksal ereilen. Es gibt Trends, die auf ein Ende der Tätigkeit dieser Unternehmen – in ihrer heutigen Ausrichtung – hindeuten. Wenn ein Abfallunternehmen auf Verbrennung setzt, befindet es sich in einer Sackgasse. Es muss sich neu definieren und sich an natürlichen Kreisläufen orientieren, um überleben zu können.

Finden Sie die Idee, das Abfüllen von Wasser in Plastikflaschen zu verbieten, radikal?
Ich sehe nichts Radikales in dieser Idee.

Was halten Sie von der Einrichtung eines Pfandsystems in Portugal?
Aus meiner Sicht wird das bald Realität, es ist nur eine Frage der Zeit. Ich habe bei mir persönlich bereits im Hygienebereich begonnen und alle Artikel aus Plastik entfernt. Ich versuche auf Glas auszuweichen, unverpackte Ware zu kaufen …

Dieser Kreislauf muss zunehmend geschlossen werden. Die Strategien gehen alle in diese Richtung. Einige Gemeinden in Portugal ermutigen bereits zum Verzicht auf Einwegkunststoffe. Und es scheint mir, dass Unternehmen früher oder später diese starken Trends erkennen müssen, auch wenn sich einige davon möglicherweise nicht durchsetzen. Das Risiko nicht rechtzeitig zu reagieren, ist sehr hoch.

Das Beispiel Kodak ist für mich exemplarisch. 1999, im selben Jahr in dem Kodak seinen höchsten Wert an der Börse erreichte, lag der Anteil von Digitalkameras bei 3% des Umsatzes aller verkauften Kameras. Aber diese 3% schnellten plötzlich auf 100%. Heute wiederum geht das Interesse für Digitalkameras zurück, da wir diese Funktion bereits alle in unseren Telefonen nutzen können. Das gleiche Problem sehen wir bei der EDP oder sogar noch eklatanter bei der GALP. GALP kann sich entscheiden das letzte Elektroden produzierende Unternehmen zu sein, oder seinen Geschäftszweck auf die Installation von Solarmodulen und andere erneuerbare Energien ausrichten. Unternehmen, die sich wie beispielsweise Mota Engil, mit dem Einsatz von Systemen für Siedlungsabfälle befassen, könnten Abfälle verkaufen, oder Lösungen für die Kreislaufwirtschaft bereitstellen. Wenn es um die Problematik der Abfallstoffe geht, denkt man heutzutage in ganz Europa daran, die Deponierung zu beenden – und auch die Idee, diese Stoffe zur Energiegewinnung zu verbrennen, macht keinen Sinn mehr. Die Menschen werden sich fragen, warum sie einen Energieerzeuger bezahlen sollen, wenn sie selbst Energie produzieren können.

In Heidelberg erörtern Teilnehmer verschiedener Länder der Europäischen Union ihre Ideen und träumen von der Zukunft. Wie schafft man den Übergang, wie überträgt man ein altes lineares auf ein neues zirkuläres System? Müssen wir uns als Portugiesen fragen, wie die Touristen in zehn Jahren zu uns kommen? Glauben Sie, wir brauchen wirklich einen neuen Flughafen in Lissabon oder nicht besser eine moderne Bahngesellschaft?Alle Prognosen deuten darauf hin, dass die Zunahme des Luftverkehrs noch einige Jahre anhalten wird. Insbesondere die Flughafenanlage in Lissabon ist alt und das Wachstum der Stadt in den letzten Jahrzehnten hat dazu geführt, dass die Stadt sich immer weiter in Richtung Flughafen ausgebreitet hat, der sich früher noch am Stadtrand befunden hatte. Im Zentrum Lissabons gibt es bereits Probleme – wie zum Beispiel bei der Luftqualität -, die durch den Flughafenverkehr verursacht werden. Es gibt also gute Gründe, den Flughafen aus Lissabon heraus zu verlegen. Jedoch auch Argumente für einen Erhalt in Lissabon. Einerseits liegt der Flughafen sehr günstig, andererseits – und das dürfen wir nicht außer Acht lassen – könnte das riesige Gelände nach der Verlagerung des Flughafens Ziel von Immobilienspekulationen werden.

Das wird mehr CO2 verursachen…
Und dann gibt es noch ein anderes Problem: Wenn wir den Flughafen verlegen, müssen wir ein ganzes Verkehrsnetz um den neuen Flughafen herum eröffnen und das muss kohlenstoffneutral sein.
Seit zwanzig Jahren höre ich, dass die Flugbewegungen auf dem Lissaboner Flughafen im kommenden Jahr die Grenzen seiner Kapazität erreichen würden und wir dann unbedingt einen neuen Flughafen bauen müssten. Und es ist ein bisschen wie zu Beginn meiner Karriere – als darauf hingewiesen wurde, dass erneuerbare Energien niemals mehr als 30% der Stromproduktion ausmachen könnten. Heute wird Elektrizität im Raum Lissabon an mehreren Tagen im Jahr zu 100% aus erneuerbaren Energien gewonnen.
Ich zweifele daran, dass der Bau eines neuen Flughafens eine zwingende Notwendigkeit, auch aus betrieblichen Gründen sein soll. Ich bin schon einige Male am Flughafen Lissabon angekommen und hatte nicht den Eindruck, dass er überfüllt gewesen wäre.

Wir sind Nachbarn Spaniens, aber es gibt nur eine einzige Bahnverbindung, die aus Portugal heraus- und hineinführt. Auf ihr fährt der Nachtzug um 21:35 Uhr in Lissabon Richtung Paris ab und kommt am nächsten Tag erst um 11:00 Uhr in Hendaye an. Er fährt langsam, 70 km/h im
urchschnitt.
Der TGV ist sehr teuer…

Sieben Milliarden Euro.
Das ist viel.

Vielleicht erhalten wir einen Zuschuss von der Europäischen Union?
Das wäre sinnvoll. Lissabon und Madrid haben immer mehr Handelsbeziehungen, und diese könnten gestärkt werden.

Wie sind Sie zur BEACON Konferenz gekommen? Mit dem Zug, dem Auto oder dem Flugzeug?
Ich bin mit dem Flugzeug nach Frankfurt geflogen, habe dann den TGV nach Mannheim genommen, mit einem weiterführenden Zug hier am Bahnhof angekommen und den Rest zu Fuß gelaufen.

Wären Sie bereit, nächstes Mal mit dem Zug von Lissabon nach Heidelberg zu fahren? Dann hätten wir mehr Zeit für ein schönes Interview während der Bahnfahrt?
Sicherlich! (lacht) Letztes Jahr bin ich mit dem Elektroauto von Lissabon nach Katovitz zur Klimakonferenz gefahren. Wir haben die Emissionen verglichen.

Vielen Dank.

About the author

Uwe Heitkamp, 53 anos, jornalista e realizador, vive 25 anos em Monchique, Portugal. Adore caminhadas na montanha e natação nas ribeiras e barragens. Escreve e conte histórias sobre os humanos em relação com a ecologia e a economia. Pense que ambas devem ser entendido em conjunto. O seu actual filme “Herdeiros da Revolução” conta durante 60 minutos a história de uma longa caminhada, que atravessa Portugal. Dez protagonistas desenham um relatório da sua vida na serra e no interior do país. O filme mostra profundas impressões entre a beleza da natureza e a vida humana. Qual será o caminho para o futuro de Portugal? (Assine já o ECO123 e receberá o filme na Mediateca)

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