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Meine Kinder werden mit den Folgen der Bergbauarbeiten leben müssen

Covas do Barroso, Chaves. In den letzten Jahren tauschte eine Lehrerin, die aus diesem Ort in Trás-os-Montes nach England ausgewandert ist, ihre portugiesischen und englischen Bücher gegen das Magazin Mining Journal mit Berichten vom Lithium-Markt und Protokollen internationaler Bergbaukonferenzen. Catarina Scarrott, Mutter von zwei Kindern im Alter von zwei und sieben Jahren, kämpft leidenschaftlich für ihre Heimat, in der ihre Familie seit über zehn Generationen lebt und in die sie gerne zurückkehren würde, gäbe es keine Probleme bezüglich Infrastruktur und Dienstleistungsknappheit. Ihre Heimat, in der das britische Unternehmen Savannah Resources die angeblich größten Lithiumreserven Europas abbauen will.

Was bewegte Sie zum Widerstand gegen die Lithiummine?
Als ich in den 90er Jahren an der Universität studierte, habe ich erfahren, dass dieses Gebiet für Geologen interessant war und es einen Antrag zur Erkundung der Bodenschätze gab. Ich wollte mehr wissen. Mir wurde gesagt, es handle sich um weißen Granit für die Keramikindustrie. Im Jahr 2003 stieß ich auf Protokolle internationaler Konferenzen, die in Covas do Barroso die größten Lithiumreserven Europas auswiesen. Vertreter des Nationalen Laboratoriums für Energie und Geologie berichteten über ihr wirtschaftliches Potenzial. Später erfuhr ich, dass im Jahr 2006 eine Genehmigung zu Sondierungsarbeiten erteilt wurde. Es war die Rede von einem Feldspat- und Quarzsteinbruch mit einer Betriebsfläche von 42 Hektar, wie es auch schon andere in der Gegend gab. Der Steinbruch war nicht sehr nahe am Dorf und so gab es deshalb auch keine große Aufregung. Die Sondierung wurde dann aber nie durchgeführt. 2017 erfuhren wir, dass diese Lizenz an die Briten verkauft wurde. Da befürchtete ich, dass wir Opfer von Spekulationen werden. Ihr Interesse galt eindeutig dem Lithium, nicht dem Feldspat. Es wurden weitere Genehmigungen zur Sondierung beantragt und da bereits eine Lizenz erteilt worden war, gab es auch keinerlei Einwände. Die Einwohner kannten sich aber gut in ihrem Gebiet aus. Schließlich bemerkten sie, dass die Gesamtfläche wirklich riesig war! Bohrungen von dreißigtausend Metern, über 300 Bohrlöcher und riesige Plattformen. Und so nah an den Häusern. In den Berichten, die dieses Unternehmen seinen Investoren vorlegte, war sogar die Rede von 542 Hektar! Zuerst sprach man von 7 Millionen, dann 14, und jetzt von 27 bis zu 50 Millionen Tonnen Gestein. Von Mai 2017 bis September letzten Jahres nahmen die Probebohrungen in rasantem Tempo zu, so dass sich die Bevölkerung zusammenschloss und fragte: „Was geht hier eigentlich vor?“

Was war passiert?
Die Lizenz für dieses Gebiet aus dem Jahr 2006 wurde 2011 geändert. Die Bevölkerung, das Rathaus und die Gemeindeverwaltung wussten nichts davon. Die Europäische Union hielt die Suche nach Rohstoffen für Batterien für unabdingbar und beschritt den schnellsten Weg, um die Lithium-Exploration voranzutreiben. Die Vorhaben des Unternehmens, die uns inzwischen zu Kenntnis gelangten, sind gewaltig. Wir sprechen über mehrere Tagebauminen, eine davon mit einem Durchmesser von 600 Metern und einer Tiefe von 150 Metern und viele Millionen Tonnen Gestein, das klein gemahlen und mit unserem Wasser gewaschen werden soll – 390.000 Kubikmeter Wasser pro Jahr. Dabei entsteht natürlich auch ein riesiges Volumen an Abwasser. Eines der Dörfer liegt nur 200 Meter vom Abbaugebiet entfernt. Und das alles, um nach Unternehmensangaben ab 2025 Batterien für 250.000 Autos pro Jahr zu produzieren. Das ist beängstigend!

Welche Risiken und Auswirkungen befürchten Sie?
Wir wissen nicht, was mit dem Wasser passieren wird. Wir wissen nicht, welche anderen Mineralien existieren, wie hoch ihre Toxizität ist und wie sie sich auf die Gesundheit der Menschen auswirken. Es ist die Rede davon, Flüsse umzuleiten … Es gibt vieles, was wir nicht wissen – aber was wir wissen, reicht aus, um zu sagen: Nein, das ist zu viel! Tatsächlich sollen die europäischen und portugiesischen Lithiumreserven winzig sein. Wenn China beschließt, den Markt mit billigem Lithium zu überschwemmen, besteht ein ernstzunehmendes Risiko, dass sich die von der Regierung geplante Exploration am Ende als Fehlinvestition erweist. Was ist, wenn das Unternehmen in Konkurs geht? Wer ist verantwortlich für die gesetzlich vorgeschriebene Umweltsanierung … wo bleiben wir dann dabei?
Bei der Lithiumveredelung wird der Stein zerkleinert und mit Wasser und Chemikalien gewaschen. Dabei entsteht Lithiumkonzentrat. Danach wird in einem sehr komplexen Prozess Lithiumhydroxid hergestellt, was zurzeit nur in China und Australien geschieht. Um die Wertschöpfungskette in Portugal zu halten, möchte die Regierung, dass bei uns ein oder zwei Raffinerien entstehen. Im Mining Journal sagten Unternehmen: „Ja, wir bauen die Raffinerien, und wir können sogar einen Mehrwert schaffen, indem wir Lithiumkonzentrat aus Mali oder Brasilien importieren.“… Das ist lächerlich. Sie müssten der Regierung entsprechende Garantien geben, doch stattdessen ist der Export des Lithiumkonzentrats nach China geplant. Wie stark wird die Umwelt dabei belastet? Lohnen sich all diese Batterien, die angeblich zur Dekarbonisierung beitragen sollen? Unser riesiger CO2 Ausstoß soll jetzt mit Hilfe von Metallen reduziert werden!

Wie reagierten Sie darauf?
Unsere erste Reaktion war „Nein! Dies ist unser Land, so geht das doch nicht.“ Wir haben dann herausgefunden, dass es diesbezüglich Gesetze und zu befolgende Schritte gibt, die Regierung jedoch nicht auf unserer Seite ist und ihr diese Gesetze nichts bedeuten. Als Einzelpersonen wurden wir nicht ernstgenommen und deshalb haben wir uns im Verein zum Schutz der Covas do Barroso zusammengeschlossen. Seitens der Regierung und der Firma wurde der Versuch unternommen, die Vorgänge zu verbergen. Einer der Vertreter sagte mir: „Lithium? Nein, es geht um etwas anderes.“ Ich war empört und sprach mit mehreren Leuten. Ein Abgeordneter der PCP fragte in unserem Namen schließlich bei der Generaldirektion für Energie und Geologie nach. Wir versuchen mit allen Mitteln, unsere Rechte geltend zu machen. Es gibt keinen Ausgleich, der die zu erwartenden Schäden kompensieren könnte. Es wird schlimm werden, wenn die Mine in Betrieb geht, aber unsere Befürchtungen für die Zeit nach der Schließung der Mine sind noch grösser.

Wie fühlen Sie sich, angesichts dieses Mangels an Transparenz, Zugang zu Informationen und Wahrhaftigkeit?
Ich lebe im Glauben an unsere Demokratie und unseren Rechtsstaat. Und ich war geschockt. Die Bevölkerung, das Rathaus, die Gemeindeverwaltung – niemand wurde konsultiert. Es gab einfach einen Lizenzwechsel. Wir erfuhren, dass die Regierung begonnen hatte, portugiesisches Lithium anzupreisen. Es gibt ein Video in englischer Sprache, in dem das Land buchstäblich verkauft wird: “Investieren Sie in Portugal, wir verfügen über Ressourcen und entsprechende Möglichkeiten“. Wie diese Werbespots “Kommen Sie in die Karibik”. Es ist schockierend. In der Zwischenzeit besuchten Abgeordnete die Region und waren überrascht von den Schäden, die durch die Prospektion entstanden waren. Sie fragten darauf den Umweltminister, warum die Bevölkerung nicht einbezogen worden wäre, woraufhin ihnen gesagt wurde, dass es das Unternehmen sei, das mit der Bevölkerung Kontakt aufnehmen und sie informieren müsse…! Da wird doch der Bock zum Gärtner gemacht! Das Unternehmen hat dann sehr interessante Newsletter verteilt … es wurde berichtet, wer die Geologen sind, was sie tun … aber es gab keine für uns wirklich relevanten Informationen. Im Juli wurde eine Ausweitung des Gebiets auf weitere 51 Hektar beantragt. Die Investoren wurden über einen Vertrag mit einem anderen Unternehmen informiert, das über ein nahegelegenes Explorationsgebiet verfügt. Nichts davon erschien in diesem Newsletter. Von der ursprünglichen Lizenz, die 4% des Gemeindegebiets ausmachte, wurden 2011 bereits 18%, inzwischen sind es 23%! Es scheint, dass die Regierung das Projekt nach den Wünschen der Betreiberfirma beliebig erweitert. Es gibt keinerlei Kontrolle oder Ãœberwachung. Nach Willen der Regierung soll die Mine auch als Projekt von potenziellem nationalem Interesse eingestuft werden, um den Prozess zu beschleunigen. Zwar wurde der Antrag dazu in letzter Minute zurückgezogen, aber anscheinend soll er noch einmal gestellt werden.

Welche Argumente tragen die Vertreter von Savannah vor?
Im Fernsehen haben sie schon davon gesprochen tausend Arbeitsplätze zu schaffen. Aber selbst in den Minen von Panasqueira arbeiten nicht einmal 250 Menschen. Und welche Arbeitsplätze sollen das sein? Wir haben keine Geologen, Ingenieure oder Maschinisten. Diese Jobs gingen also nur an Auswärtige, wobei das Leben in unserer Gemeinde nicht dynamisiert wird, weil ihr weiterhin der Zugang zu Dienstleistungen fehlt. Es liegt in der Verantwortung der Regierung und nicht eines Bergbauunternehmens, diese Dienstleistungen bereitzustellen.

Was fühlen Sie persönlich, wenn es um Ihre Heimat geht?
Ich fühle eine starke Verbundenheit. Dort ist meine Familie, sind meine Wurzeln. Es ist eine Gemeinschaft mit einem kollektiven Gedächtnis: Wenn wir von einem Ereignis in der Vergangenheit, oder von einer Person sprechen, dann wissen wir alle, wovon die Rede ist. Wenn die Gemeinde verschwindet, geht auch all das verloren. Wir haben immer ein nachhaltiges und von der Regierung unabhängiges Leben geführt, ohne irgendeine Unterstützung zu erhalten. Seit 1932 gibt es eine Schule, es gab ein Asyl für die Armen, Dinge, die von der Gemeindebevölkerung selbst eingerichtet wurden, um sich gegenseitig zu unterstützen. Mit der Zeit sind viele Bewohner weggezogen und jetzt gibt es nur noch wenige Menschen im erwerbsfähigen Alter. Für die nachhaltige Art und Weise, wie die Menschen hier mit Landwirtschaft, Tieren und Umwelt umgehen, wurden wir von den Vereinten Nationen als landwirtschaftliches Welterbe eingestuft. All dies ist Teil des kulturellen Erbes. Meine Familie lebt seit mindestens zehn Generationen dort. Die Mine ist eine riesige Bedrohung. Es ist schrecklich, wie sich dadurch die Umwelt, die Gemeinschaft und die Lebensweise verändern werden. Das Erbe, das ich meinen Kindern hinterlassen werde, ist nicht das, was mir einst vererbt wurde – es ist das, was die Mine dort hinterlässt.

Was raten Sie Menschen, die von Bergbauprojekten in anderen Teilen des Landes betroffen sind?
Versuchen Sie, so viel wie möglich über potenzielle Auswirkungen und Risiken herauszubekommen – und beziehen Sie Stellung. Lithium ist kein Allheilmittel für die Dekarbonisierung. Die Begründung der Regierung lautet CO2-Neutralität. Mit der Zunahme von Elektrofahrzeugen wird sich auch die Nachfrage nach Elektrizität erhöhen. Solange unser Strom nicht zu 100% aus erneuerbaren Quellen kommt, ist die Vorstellung, dass Lithium die Lösung wäre, völlig falsch. Lithium produziert keine Energie, es speichert sie. Und es ist nicht die einzige Komponente, die benötigt wird, um Batterien herzustellen. Unsere Reserven sind sehr klein – wir gehen ein enormes Risiko für Umwelt, Wirtschaft und auch für die Bevölkerung ein. Der CO2-Fussabdruck eines Elektrofahrzeugs ist enorm. Es gibt den Herstellungsprozess von Lithiumhydroxid und den Aufwand für die Extraktion. Und was passiert mit den Batterien? Sie sind nicht recycelbar und enthalten viele giftige Metalle. Wir setzen das Paradigma des Konsums immer weiter fort. Die Elektrofahrzeuge sind nicht die Lösung, sondern weniger Autos und reduzierter Verbrauch.

Versuchen Sie dieses Anliegen auch in Ihrem Leben umzusetzen?
Ich bin mit diesem nachhaltigen Leben aufgewachsen. „Kaufen und wegwerfen“ passt nicht zu mir. Die jüngere Generation weiß das systembedingt nicht. Lokale Lebensmittelgeschäfte sind verschwunden, um großen Supermärkten Platz zu machen. Alles ist in Plastik verpackt. Ich habe die Angewohnheit, wenn ich etwas kaufe mehr Geld auszugeben, aber für Produkte von einer langen Lebensdauer. Viele Leute nennen uns Heuchler und beschuldigen uns: “Nur nicht in eurem Garten“. Das eigentliche Problem ist aber nicht das Lithium, sondern die Maßlosigkeit.

Was fehlt in Ihrer Gegend?
Hier oben sind wir Bürger zweiter Klasse. Es gibt keine Ärzte, keine Schule, keine Transportmittel … Der Zugverkehr auf der Douro-Linie wurde eingestellt. Sollen ältere Menschen doch sehen wie sie medizinische Hilfe bekommen. Es ist wirklich empörend, dass alle Bürger Zugang zu einem Minimum an öffentlichen Diensten haben, nur wir nicht. Aber auch wir haben ein Recht darauf. Uns wirft man Heuchelei vor, doch der Schaden entsteht direkt vor unserer Haustür. Als ob wir nicht schon genug Opfer erbringen, um unsere Steuern zu zahlen und hier überleben zu können. Das Rathaus von Montalegre brachte angesehene Wissenschaftler mit, um die Bevölkerung aufzuklären und kund zu tun, dass das Projekt gar nicht so schlimm werden würde. Das ist ein Affront. Ich brauche keinen Akademiker, der mir sagt, was 30 Millionen Tonnen, 800 Meter Durchmesser und 250 Meter Tiefe vor meiner Tür bedeuten, und welche Probleme Staub, mit diesem Staub kontaminiertes Wasser und Schlamm verursachen. Diese Diskreditierung unserer Bedenken ist empörend… Wir sind uns bewusst, dass wir längst nicht alle Auswirkungen kennen. Aber wir wissen, dass sie schwerwiegend sein werden. Wir haben all diese Veröffentlichungen in englischer Sprache entdeckt, die man uns wohl verheimlichen wollte. Niemand kommt zu uns, um mit uns zu reden. Wir fühlen uns, als wollten uns Invasoren kolonisieren.

Danke.

Das Lithiumfieber führt zu immer stärkerem Protest in der Bevölkerung

Von Covas de Barroso nach Lissabon sind es jeweils 6 Stunden hin und zurück. Am 21. September brachen von Bergbauprojekten bedrohte Menschen aus dem Dorf Transmontana und verschiedenen anderen Landesteilen auf, um in Lissabon an der „Kundgebung gegen das Bergbaufieber in Portugal“ teilzunehmen. Bereits am 24. August versammelten sich Hunderte in Torre, Serra da Estrela, dem höchsten Punkt des Landes, um mit künstlerischen Darbietungen gegen die Minen zu protestieren. Zwischen 2016 und 2019 registrierte Quercus 50 Anträge auf Lithium-Prospektionsrechte, die 10% des portugiesischen Territoriums bedrohen: alertalitio.quercus.pt. Fortsetzung folgt in der nächsten Ausgabe.

 

Francisco Colaço Pedro

traduções: Chris Young & Kersten Funck-Knupfer | fotografias: Francisco Colaço Pedro

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