Loulé. Wir sind sechs Kumpels, die sich das antun und sich in diesen Fahrstuhlkorb zwängen. Ein kurzes Klingeln und langsam, mit einem Meter pro Sekunde, schweben wir in die Tiefe. Jeder trägt einen blauen Plastikhelm. Daran ist eine Stirnlampe befestigt, die wiederum an einem Kabel mit dem Gurt um die Hüfte geschnallt wird. Während der Fahrt nach unten denke ich darüber nach, was die Menschen vor über 50 Jahren dazu motiviert haben könnte, ein 260 Meter tiefes Loch in diese Erde zu bohren? Denn was wir gerade tun ist nichts anderes, als dem erweiterten, vergrößerten Bohrloch in die Tiefe zu folgen. Man findet dort unten Salz. Aber finden die Menschen denn nicht mehr genug Salz im Meer? Was suchten die Menschen damals wirklich, als man ein Loch in die Erde von Loulé bohrte und dann mit Sprengstoff und später mit Industriebohrern kilometerlange Gänge, Tunnel und Gewölbe ins Gestein schlug, um in der Dunkelheit, in der Stille unserer Erde nach Mineralien zu suchen, um sie ans Tageslicht zu zerren? Jetzt gehen wir eine Stunde wandern, untertage. Wie entspannend!
In der langen Geschichte des Bergbaus ist der Mensch dabei, die Erde durch Plünderung von Gold, Silber, Kupfer, Kohle, Eisenerz und Stahl, Zinn und Zink, Blei, Quecksilber, Uran… und auch Salz zu einem anderen, ärmeren Planeten zu machen. Unsere Zivilisationen gründeten ihren Reichtum auf der Entnahme, der Transformation und dem Handel von und mit Bodenschätzen. Vier Minuten dauert „The Gateway to Hell or Heaven“, dann ruckt der Korb in der Mine Campina de Cima. Wir sind unten angekommen. „Die Familie Mello, der dieses Bergwerk gehört“, sagt Alexandre Andrade, der technische Direktor der Mine, „beabsichtigt diese Mine zu veräußern, denn sie macht jährlich einen jährlichen Verlust von 150.000 Euro.“ Früher, als hier noch mehrere hundert Arbeiter beschäftigt waren, habe man täglich in drei Schichten gearbeitet. Jetzt arbeiten hier nur noch 16 mineiros unter Tage. Verwalten, restaurieren und ab und an ein paar Tonnen Salz hinaufholen. Der Höhepunkt der Salzförderung läge bereits eine Generation zurück. Irgendwann werden auch diese Ressourcen einmal erschöpft sein.
Heute denken die Besitzer angestrengt darüber nach, was man aus so einer Mine noch alles herausholen könne. Ein Untertage-Wellness-Hotel, das den Algarve Tourismus ankurbeln könnte, wurde diskutiert, projektiert, dann aber wieder verworfen. Eine Filmreihe des Cine-Clubs-Faro zeigte in den Gewölben Samstagabends Horrorfilme. Aber auch das gehört der Vergangenheit an. Und ob die Idee einer Komponistin, dort ihre Oper der sieben Todsünden aufzuführen Erfolg haben könnte – ein Gedanke, der mich innerlich bewegt – steht in den Sternen über Loulé.
Gelingt uns Menschen der Paradigmenwechsel? Ressourcenerschöpfung wird früher oder später zu einem ernsthaften Problem unserer Zivilisation werden. Das Mineral Phosphat, das es etwa noch 40 Jahre geben wird, ist als Dünger in der industriellen Landwirtschaft unersetzbar. Nicht erneuerbare natürliche Ressourcen gehen einher mit den Grenzen des Wachstums. Wir aber vermehren uns wie die Lemminge. Was also steht uns Menschen in der nächsten Zukunft bevor, wenn das Zeitalter der Verbrennung des Kohlenstoffs zu Ende geht? Mit dem langsamen Verglühen des fossilen Feuers, verschwinden gleichzeitig alle anderen Mineralressourcen, die unser blauer Planet im Laufe seiner Geschichte angesammelt hat. Lässt sich unsere Gier nach Rohstoffen in eine Phase der Genügsamkeit transformieren? Dann würden wir als Zeitzeugen in das Salzbergwerk von Loulé vor unserer eigenen Haustür fündig. Wir könnten dort unten eine anschauliche Reise in die Vergangenheit des 20. Jahrhunderts unternehmen, gegen Eintritt versteht sich.