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Nº 24 – Portugal, Covid-19 und ich

Dienstag, der 28. Abril 2020

Flaschenpost von Stefanie Kreutzer

Heute feiere ich ein ganz besonderes Fest. Vor genau 25 Jahren kam ich nach Portugal. Hier fühle ich mich zuhause und sehr wohl. Früher fragten mich Freunde, warum denn ausgerechnet Portugal und nicht Spanien, Frankreich oder Italien? Die Antwort war damals wie heute sehr einfach. Portugal ist ein farbenfrohes, Frieden liebendes Land. Die lange Zeit der Diktatur gehört der Vergangenheit an. Portugal ist seit 45 Jahren eine starke Demokratie. Sollte die Wirtschaft mal kollabieren, dann werde ich Selbstversorgerin, baue Kartoffeln,Tomaten und vieles mehr in meinem Garten an. Lebensmittel wachsen hier das ganze Jahr an den Bäumen und in der guten Erde. Und meinen Fisch hole ich aus dem Meer.

Es wäre viel schöner, wenn die Algarve nicht vom Tourismus abhängig wäre. Es ist so schön leer. Damals hätte ich im Traum nicht daran gedacht, dass Portugals Wirtschaft tatsächlich einmal kollabieren könnte – und das wegen eines Virus und das an meinem Geburtstag. Ich fühle mich wie die Hauptdarstellerin in einem Science Fiction Film. Der Flughafen ist seit Wochen geschlossen. Züge fahren keine mehr. Meinen Kaffee kann ich nirgendwo mehr trinken ausser bei mir zuhause. Und den Landkreis, in dem ich lebe, darf ich dieses Wochenende wieder einmal nicht verlassen. Das alles zu meiner eigenen Sicherheit. Und doch …

… jede Geschichte hat zwei Seiten. Die Pandemie bietet viel Zeit für Dinge, die ich vorher nicht tun konnte. Ich geniesse die Zeit, im Wald und im Garten zu arbeiten und erfreue mich daran, wie die Saat aufgeht und das angepflanzte Gemüse gedeiht. Die Tomaten, Kartoffeln, Zwiebeln, Salat und Rukkola sind gepflanzt, aber das mit dem Angeln wird wohl nichts mehr in diesem Leben. Der Hühnerstall ist in Planung und die Anschaffung von zwei Ziegen. Hier gibt es genug Grün zum Grasen und wir werden uns künftig den Lärm der Motorsensen ersparen. In Zukunft mache ich aus Ziegenmilch eigenen Joghurt, Quark und Käse. Wir kaufen nur noch im Ort ein. Wenn wir etwas nicht bekommen, improvisieren wir. Die Zeit steht still, mein Arbeitsplatz kann warten, die Erde dreht sich weiter und erholt sich von der langen Zeit der Ausbeutung. Die Luft ist klarer, das Wasser sauberer, die Tiere müssen sich nicht vor den Jägern fürchten und kommen neugierig in die Ortschaften und bis ans Haus.

Vor zehn Jahren habe ich die portugiesische Staatsbürgerschaft beantragt und nun besitze ich zwei Pässe. Ich bin angekommen und da zuhause wo ich mich gut fühle. Man wird in ein Land hineingeboren, das kann sich niemand aussuchen. Irgendwann aber wird man reifer und steht vor der Wahl. Jetzt lebe ich seit 25 Jahren in Portugal, spreche mehrere Sprachen und habe Freunde, die sowohl aus Portugal als auch aus vielen anderen Ländern Europas stammen.

Ich freue mich, wenn ich aus dem Garten komme und auf dem Weg unverhofft noch Pilze für das Mittagessen finde. (siehe Foto) Inzwischen möchte ich es mir nicht mehr vorstellen, in einer Stadt zwischen Beton eingesperrt leben zu müssen. Ich lebe auf dem Land – und das bedeutet trotz Covid-19 – ich lebe in Freiheit. Denn die Gedanken und die Worte sind frei.

Stefanie Kreutzer

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