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Schuhmacher Monchique

Behalten wir sie in lebendiger Erinnerung!

Das Städtchen Monchique liegt an der Algarve im Monchique-Gebirge. Dort gibt es noch drei gelernte Schuhmacher. Zusammen zählen sie 240 Jahre. Sie sind die Letzten, die die Billigschuh-Invasion überlebt haben. Als Meister ihres Faches kennen sie sich aus: Wie verhält sich das Leder, wie viele Stiche braucht die Sohle. Sie befestigen Absätze und verwandeln alte Schuhe in neue wie keine anderen.

Das Gewicht des Alters ist an jedem von ihnen zu bemerken. Trotzdem üben sie weiterhin aus Leidenschaft zur Handwerkskunst ihren Beruf aus, so gut wie es noch geht. Diese Schuhmacher widmeten ihr ganzes Leben dem Schuhwerk, und nun müssen sie mit ansehen, wie ihr Beruf mit jedem Tag, der vergeht, weiter ausstirbt. Finden sich denn in Monchique keine jungen Menschen, die diesen Beruf weiterführen möchten?

schuhmacher, Vidaul Balbino
Vidaul Balbino

Vidaul Balbino ist 71 Jahre alt. Seine kleine Werkstatt ist angefüllt mit Schuhen aller Art und jeden Stils, sowie mit einigen verrosteten Maschinen. Er ist der Jüngste der letzten drei Schuhmacher des Dorfes und derjenige, der am besten damit umgehen kann, dass sein Beruf im Aussterben begriffen ist. Mehrfach konstatiert er: „Es lohnt sich einfach nicht mehr!“ Im Versuch, Kunden anzuziehen, arbeitet er bei geöffneten Türen, abhängig von seiner emotionalen Stimmung und dem Wetter. Bei Regen und an Montagen sind sie geschlossen. Das Alter und die Freude am Geschäft sind auch nicht mehr wie früher.

Bei Schuster Vidaul Balbino gibt es diverse neue, noch in Papier eingeschlagene, Schuhe zu kaufen. Seinen Kunden garantiert er die Hochwertigkeit seiner Schuhe. Sie seien komplett in Portugal produziert, was sich in Qualität und Design widerspiegle. Trotzdem – bei der Anprobe eines Wanderstiefels finde ich ein Etikett zu seiner Herkunft: „Volksrepublik China“. Könnte der Schuh nicht auch in Monchique hergestellt werden, frage ich?

Ja, er kann! Auf der Bedeutsamkeit eines portugiesischen Schuhes bestehend erklärte er sich bereit, ein Paar für mich anzufertigen. Er ist der Einzige und Letzte, der neue Schuhe herstellen kann, und doch verdient er sein Einkommen überwiegend durch Reparaturarbeiten.

 

schuhmacher, Fernando de Oliveira
Fernando de Oliveira

Einige Schritte weiter stoße ich auf ein altes, fast herabfallendes Berufsschild, das mir den Weg zur Tür des Herrn Fernando de Oliveira weist. Er ist mit seinen 87 Jahren der älteste Schuhmacher in Monchique. Er erklärt gegenüber ECO123: „Mit elf Jahren, gleich nach dem Schulabschluss, begann ich diesen Beruf von meinem Vater zu erlernen. Zu jener Zeit ging man bis zur vierten Klasse in die Schule, und damit war es gut.“ Soweit also war dieser gesprächige und zu einem breiten Lächeln aufgelegte Herr den normalen Weg eines Jungen gegangen. Und kaum hatte er die Schule beendet, „nahm mich mein Vater unter seine Fittiche“. Berufsanwärter verbrachten viele Stunden damit, die Profis zu beobachten, und die Ausbildung dauerte jahrelang. „Allein schon, um ein Papier mit dem Messer zu schneiden, braucht es eine gute Technik, und das lernt man erst im Laufe der Zeit.“ Und er bekräftigt: „Das ist eine kniffelige Kunst!“

Ein Schuhmacher legt dort Hand an, wo andere ihre Füße hinein tun. Mit runzeligen Händen schlägt er die runde Seite des Hammers auf einen auf den Amboss gelegten Schuh. Er liebt seinen Beruf und kann sich nicht vorstellen, etwas anderes zu tun. Sein körperlicher Zustand im vorgerückten Alter würde es auch nicht zulassen. „Ich habe aufgehört, Schuhe herzustellen. Ich bin alleine und habe auch gar keine Möglichkeit mehr dazu. Davon abgesehen, bekomme ich viele Reparaturaufträge. Tue ich das eine, kann ich das andere nicht auch noch tun. Schuhe herzustellen ist sehr zeitaufwendig: Ab dem Einteilen des Leders und des Zuschneidens brauche ich dafür drei Tage. Aber in drei Tagen kann ich auch viele Schuhen reparieren. Und ich habe weniger Auslagen, denn – das ist ja klar – es macht einen großen Unterschied, ob ich ein Stück Sohlengummi kaufe, das für zehn bis zwölf Paar Schuhe reicht, oder ob ich Rindleder kaufe, das ein Vermögen kostet und nur für EIN Paar Schuhe reicht.“

Eine nachwachsende Generation von jungen Schuhmachern gibt es (noch) nicht, obwohl alle Menschen dieser Welt mindestens ein Paar Schuhe besitzen. „Wenn man damals Schuster werden wollte, begann man mit dem Einschlagen von Nägeln, wobei es wochenlang dauerte, die Technik zu perfektionieren. Danach wurde uns das Nähen beigebracht, was ebenfalls eine lange Zeit bis zur Vollendung benötigte. Dem Schüler wurden erst wieder neue Dinge gezeigt, wenn er die bis dahin gelernten vollkommen beherrschte. Aber heutzutage gibt es keine jungen Leute mehr, die an diesem Beruf interessiert wären. Es ist wirklich schade, dass sich niemand mehr damit befassen mag“, bedauert der Schuster die Zukunftsaussichten seines Berufes.

Der Berufszweig biete diesen ausgebildeten Handwerkern kein ausreichendes Einkommen mehr. Dennoch blieben sie weiterhin dabei, aus Freude und Hingabe an ihre Tätigkeit und im Bewusstsein, dass die Monchiqueiros ihre Dienste schätzten. „Ich verdiene damit nicht genug, um meine Ausgaben zu decken. Zeitweilig muss ich mir anders helfen. Auch verlange ich die Bezahlung erst bei Abholung, zu der es manchmal gar nicht kommt. Dann bleibe ich auf den Kosten sitzen.“

schuhmacher, Antonio Andres Martins
Antonio Andres Martins

Ein anderes Beispiel für die Leidenschaft zum Schuhmacherhandwerk ist Antonio Andres Martins, der 82 Jahre alt ist und nur ein kurzes Stück des Weges weiter sein Geschäft betreibt. Seine Werkstatt ist etwas anspruchsvoller. Im Laden verteilt stehen bereits Schuh-Nähmaschinen, allerdings halb verrostet. Er ist zufrieden mit dem, was er in 68 Jahren Arbeit erreicht hat, angefangen mit seiner Lehrzeit in kleinsten und mit der Hilfe von Ersparnissen der Familie eingerichteten Werkstätten unter Treppenschrägen. Ihn bekümmert es nicht, dass niemand mehr in seinen Beruf, den er selbst mit 14 Jahren zu lernen begann, hineinwachsen möchte. „Man kann das Rad der Zeit nicht zurück drehen. Die Zukunft liegt in der Fabrikfertigung. Daran ist hier in Monchique nicht mehr zu denken. Die Handarbeit hat ein Ende, hier und überall“, meint der Schuhmacher und resümiert: „Mit den Alten stirbt auch der Beruf.“

Schuhe zu reparieren gibt es immer, ganz gleich, wie modern die Fabriken sind, aus denen sie kommen. Die Kunden brauchen eine neue Sohle, einen Absatz oder Lederfarbe. „Was fehlt sind junge Leute, die diesen Beruf erlernen und weiterentwickeln“, glaubt Antonio Martins Andrés.

„Als ich meinen Beruf vor 68 Jahren erlernte, habe ich mehr als 40 Lehrlinge ausgebildet. Aber nur wenige blieben dabei. Ich mache weiter, weil es das einzige ist, was ich richtig gut kann“, bekräftigt António Martins Andrés und versichert: „Weiter bis zu meinem Tod, auch wenn die Zahl meiner Kunden abnehmen wird!“

So also sieht das Leben dieser letzten Schuster aus, die aus Liebe zu ihrer Handwerkskunst ihrer Tätigkeit treu bleiben und damit einen Beitrag für die moderne Gesellschaft leisten, die durch keine Maschinen oder Technologien ersetzt werden kann. „Ich halte daran fest! Ich werde nicht schließen! Ich liebe meinen Beruf!“

Die Bedeutung eines Schuhmachers steht außer Frage, denn früher oder später benötigt ein jeder von uns seine Dienste. Trotzdem scheinen nur wenige Menschen den alten Handwerksberuf entsprechend wertzuschätzen. Die Kunst, Schuhe selbst anzufertigen und instand zu halten, stirbt langsam aus. Gering geworden ist heutzutage die Zahl der noch praktizierenden Schuhmacher in Portugal. Vor einiger Zeit begann die Kundschaft, sich von den Diensten eines Schuhmachers abzuwenden. Bricht der Absatz oder ist der Schuh anderweitig beschädigt, wird er oft nicht mehr repariert. Jetzt sieht die Zukunft düster aus für diejenigen, die ihr ganzes Leben diesem Beruf gewidmet haben.

Schuhladen in MonchiqueIch, Daniela Guerreiro, spaziere seit einem Monat des Öfteren durch die Gassen von Monchique und versuche, Schuhe zu entdecken, die von hier kommen sollten. Was sind das für Schuhe, die man in Monchique gebrauchen könnte? Wanderstiefel für die Berge? Arbeitsschuhe für die Landwirtschaft? Elegante Schuhe für das Wochenende, zum Ausgehen und Tanzen? Schuhe gegen kalte Füße? Orthopädische Maßanfertigungen nach einem Unfall? Stiefel für Regen und Sandalen für den Sommer?

Wo eine Nachfrage besteht, wird es ein Angebot geben und umgekehrt. Wo ein Wille ist auch ein Weg. Aber welchen Weg gehen unsere Schuhe heute? Die meisten Treter sind billig und landen nach langer Reise im Schaufenster eines chinesischen Ladens. Warum ist das so? Warum interessiert sich fast niemand beim Kauf von neuen Schuhen dafür, unter welchen Bedingungen sie hergestellt, mit welch giftigen Chemikalien das Leder gegerbt wurde, ob Kinderarbeit im Spiel ist? Wir reden über die Wirtschaftskrise und verschlimmern sie aus Mangel an Achtsamkeit für die Zusammenhänge noch.

Es ist wichtig zu wissen, woher wir kommen und wohin wir gehen. Wenn wir nicht aufpassen, werden immer mehr Geschäfte schließen und unsere drei alte Schuster verschwinden aus unserem Leben und aus unserer Erinnerung. Wir werden die Tradition und das nötige Wissen zur handwerklichen Produktion von guten Schuhen für immer verlieren. Es liegt in unserer Hand, dieses Erbe für die nachfolgenden Generationen zu bewahren. Wenn wir jedoch darauf achten, wer richtig gute Schuhe anfertigen kann und woher sie stammen, woher das Leder und die anderen Materialien kommen, bewahren wir damit auch unsere persönliche Identität, sich voller Stolz auf unsere eigene Herkunftsgeschichte gründend. Und ist es nicht auch wichtig, der nachwachsenden Generation eine nützliche Ausbildung mit auf ihren Weg zu geben? Ich bin mir bewusst, dass Entscheidungen in Monchique oft sehr lange brauchen. Aber wer den Mut hat, dem guten Weg zu folgen, braucht eine gute Kondition und eben auch… gute Schuhe!

About the author

Daniela Guerreiro (21).Journalistin, absolviert bei ECO123 ein neunmonatiges Praktikum, das zum Teil vom Arbeitsamt (IEFP) finanziert wird. Sie studierte Journalismus von 2011 bis 2014 am Polytechnischen Institut von Portalegre.

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