Home | Portugal | Leben | Gesundheit und Ernährung | Finde diesen ruhigen Platz in dir

Finde diesen ruhigen Platz in dir

Erika Dux (65), Doktorin der Medizin der Heinrich-Heine Universität Düsseldorf mit vielfältigen Zusatzausbildungen u.a. in der chinesisch-japanischen Bo-Meridian-Shiatsu-Lehre, lebt seit 35 Jahren in Portugal und arbeitet privat als Ärztin. Sie ist Mutter dreier erwachsener Töchter.


Warum werden Menschen eigentlich krank?
Diese Frage kann ich Ihnen nicht wirklich beantworten.

Was sind die Ursachen von Krankheit?
Menschen bekommen aus verschiedenen Gründen einen Infekt, haben eine genetische Erkrankung oder eine Stoffwechselstörung oder Überdruss, Vergiftung, Umweltschädigung, prekäre Wohnverhältnisse.

Wie nähern Sie sich Krankheit? Wie sieht Ihre Behandlung aus?
Es gibt drei Säulen. Erstens: BEFASSEN. Ich höre bei dem oder derjenigen zu, was er oder sie mir sagt oder auch nicht sagt. Ich gucke, wie mein Patient sich bewegt, was er bewegt, was er nicht bewegt, was ihn bewegt. Zweitens: ANFASSEN. Dann fasse ich ihn oder sie an. Durch das Anfassen bestätigt sich mein Eindruck oder relativiert sich oder verfestigt sich zu einer Diagnose. Ich gehe zum Zentrum, zum Bauch, checke gegen, was ich im Puls fühle. Ich trete in eine Interaktion mit dem, wie sich mir die Organe zeigen. Letztendlich trete ich in ein hörbares oder nicht hörbares Zwiegespräch mit dem Patienten ein – oder den Teilen, aus denen der Patient besteht.

Dadurch erfahren Sie, was dem Menschen fehlt?
Im besten Fall ja. Anhand dieser Faktoren versuche ich den Patienten zu erfassen und mitzukriegen, was ist los, wo er steht, woher er kommt und wo er vielleicht hin möchte, was ist mein Anteil dabei, was will er und sie überhaupt.

Dra. Erika Dux

Dann arbeiten sie eine Therapie aus, die den Patienten auf ein Gleis bringt, das Richtung Gesundheit führt?
Nein, ich arbeite nichts aus. Ich versuche nachzufühlen, was der Patient möglicherweise fühlt. Dann versuche ich zu verstehen, wo das Hindernis liegt, auf dem Weg schmerzfrei zu sein, oder gesünder oder weniger krank zu sein. Der einzige, der weiß, wo es langgeht, ist der Patient selbst. In der chinesischen Medizin gibt es Gesetze, die älter als 2.000 Jahre sind, die kann man nicht auf den Kopf stellen. Therapeutische Arbeit ist ein stetes Einlassen von Patient und Therapeut in gemeinsamer Übereinstimmung.

Sie schauen sich den ganzen Menschen an, nicht nur seine Teile?
Es gibt keine Teile, sondern nur Ausdrücke vom Gesamtsein an unterschiedlichen Körperteilen oder das Zusammenspiel, die Funktion, wo sich Störung zeigt. Es kann auch sein, dass sich Störung ganz anders zeigt als sie im Ursprung ist. Zum Beispiel: jemand kann Kopfschmerzen haben, diese Schmerzen können hundert verschiedene Gründe haben. Das Aufspüren geht – ich kann das kaum erklären – vielleicht in Form eines Bildes – wie in einem Spiel mit Dominosteinen und der Patient ruft immer wieder dasselbe Muster ab. Es gibt einen Auslöser oder mehrere und dann fängt der erste Stein an zu kippen und dann läuft die ganze Kette ab. Jetzt ist das passiert, jetzt hat der das und das gesagt, jetzt kommt bei mir das und wenn das kommt, dann passiert wiederum das und dann kommt es so und so und so weiter und dann hat er oder sie Kopfschmerzen. Das können ganz viele verschiedene Auslöser sein. Ich verstehe meine Aufgabe als Ärztin erst einmal zu begreifen, was ist das, was da passiert und wie fallen diese Dominosteine, wann fallen die überhaupt und was könnte ein möglicher Auslöser sein. Das ist erst einmal meine Aufgabe, das mit dem Patienten gemeinsam herauszufinden. Im allerbesten Fall sind die Bilder, die der Patient hat, auch meine Bilder. Das ist der optimale Fall. Also der Patient sieht in seiner Erinnerung eine Szene und ich sehe die auch und da treffen wir uns. Dann sehe ich, ach so läuft dass und dann geht das so.

Sie reden sehr viel mit Ihren Patienten. Wie spielt sich diese Kommunikation ab?
Es ist eine schwierige Entscheidung herauszufinden, was der Patient will. Was will er wirklich und was gibt er vor, zu wollen. Und wer bin ich jetzt zu entscheiden, was will er jetzt? Das ist schon einmal die erste große Hürde, denn ich kann nie wissen, was will der Patient. Nie. Ich kann immer in die Irre gehen. Es kann immer Projektion sein. Ich kann immer denken, ach guck, es ist doch viel besser für sie, wenn sie gesund sind, wenn sie das so machen. Aber ich kann nie Patienten letztendlich sagen, Sie müssen jetzt dies und das machen oder einnehmen, weil das einfach nicht geht. Die Entscheidung kommt immer vom Patienten. Es steht mir nicht mal eine Wertung darüber zu. Selbst wenn ein Patient entscheidet, ich will jetzt sterben, muss ich das letztlich akzeptieren, selbst wenn ich zehn Mal denke, ich finde das schade, ich will das nicht. So ist das. Wenn ein Patient sagt, ich brauche jetzt noch einhundert Mal das Dominospiel, da kann ich auch hundert Mal sagen, eh komm jetzt … Es sei denn ich würde das als Ich-Botschaft formulieren. Dass ICH es als nicht gut empfinde, aber nicht in meiner Funktion als Therapeutin oder Ärztin. Es ist so, dass in der Kommunikation der Patient die Richtung vorgibt und Kommunikation darf nicht manipulativ sein, sonst habe ich auch etwas falsch gemacht.

Jetzt kommt also so ein Mensch an zwei Krücken zu Ihnen, so wie Lazarus und bittet Sie um Hilfe. Was machen Sie dann?
Dann gehe ich genau in diesen Prozess. Ich verschaffe mir ein Bild. Ich bekomme einen Eindruck. Ich kriege in mir eine Resonanz, ein Echo, Bilder. Es ist so ähnlich wie eine Idee, es passiert einfach.

Der Schulmediziner, sagen wir mal, ein Orthopäde schaut sich den kranken Fuß in mehreren Bildern an, die technisch hergestellt werden: Röntgenaufnahme, Computer-Tomographie, Ultraschall – das volle Programm. Er erkennt eine Knochenzyste, rätselt über Krebs und andere Krankheiten nach. Dann rät er zu einer Operation. Die private Krankenkasse des Lazarus zahlt, denn die staatliche Sozialversicherung ist mit OP-Terminen sowieso völlig überfordert. Jetzt kommen Sie daher und sagen, vielleicht brauchen wir gar keine OP. Eine Knochenzyste, die wächst. Kann man auch wieder zum Schrumpfen bringen. Was ist denn das für ein Ansatz?
Auf jeden Fall hat die chinesische Medizin aus der ich komme, eher den prophylaktischen Charakter, das heißt, dass in der chinesischen Tradition der Arzt immer dafür zu sorgen hat, dass der Patient nicht krank wird. Das ist ja ein völlig anderer Ansatz. Das ist die Aufgabe eines Arztes. Es ist auch Ressourcenarbeit. Ich muss gucken, wenn ich den Fußkranken frage, was ihm fehlt, und wir arbeiten daran, was jemandem fehlt, (mit dem, was fehlt, kann man nicht arbeiten, denn ist ja nicht vorhanden) muss ich auch sehen, was steht dem Fußkranken zur Verfügung, wie sich dieses Loch dann füllen lässt. Das Loch ist eine Information, die gegeben wurde, die macht was, weil sie mit einer Autoritätsinformation verknüpft war, das macht mit Patienten spezielle Sachen: z.B. Glauben in die Zuversicht.  Meine Arbeit ist es, Fähigkeiten freizulegen: wie auch das Vertrauen in sich selbst. Grundsätzlich kann jeder – wenn die Selbstheilungskräfte freigelegt werden – viel in sich ausheilen.

Was kann ein jeder für sich selbst tun, um Selbstheilungskräfte in sich selbst zu aktivieren?   
Man muss in sich genau erst einmal das freilegen, um die Frage beantworten zu können, was brauche ich, wo tue ich mir gut und wo behindere ich mich, wodurch lasse ich mich momentan behindern, z.B. am Gehen. Was ist los in meinem Leben? Was könnte ich ändern? Wovor habe ich Angst, es zu ändern. Was fällt mir schwer? Das alles sind Fragen, die ich mir entweder alleine beantworte oder wo ich mir jemanden suche, der die mit mir beantwortet.

Körperliche Symptome einer physischen Krankheit sind Ihrer Meinung nach immer auch eine Kombination mit seelischem Unwohlsein?
Es gibt keine Trennung zwischen Körper, Seele, Geist. Das geht immer miteinander einher. Es gibt keine körperliche Erkrankung, die sich von der seelischen Verfassung trennen lässt. Es ändert sich immer was am Leben und dadurch ändert sich immer was an dem Zugang zum Leben, zu meinem Sein.

Also sollte ein Arzt weniger Mechaniker sein?
Es ist immer gut, wenn man eine Diagnose hat, die sich objektivieren lässt. Die Frage ist dann nur, was mache ich damit. Verzweifele ich daran? Einer meiner ersten Patienten war Anfang 40 und hatte seine Knie kaputt, seine Wirbelsäule kaputt und hatte nur noch Schmerzen. Wir haben uns unterhalten und ich fragte ihn, was denn los sei mit ihm. Er antwortete mir, es sei alles ganz schlimm und nichts ginge mehr und er sei schon bei vielen Ärzten gewesen und der letzte Professor habe ihm gesagt, Sie haben ungefähr noch drei Jahre, dann sitzen sie im Rollstuhl. Da habe ich zu dem Patienten gesagt: Dann beglückwünsche ich Sie. Dann sagte er mir Wie bitte? Und ich erwiderte: Ja, ist doch cool, Ihnen ist offensichtlich der liebe Gott begegnet und hat ihnen jetzt mal gesagt, wo es lang geht… Denn außer dem lieben Gott und Ihnen kann es doch keiner wissen…
Irgendwie hat es bei dem dann “klick” gemacht.Ich kenne den Mann nun schon 25 Jahre. Der hat in der Zwischenzeit noch zwei Häuser gebaut und geht reiten…


Offensichtlich ohne Rollstuhl?

Mit Rollstuhl geht Reiten ja wohl schlecht. Der hat zwar immer noch ab und zu seine Beschwerden und kommt dann auch mal in meine Praxis, wenn er es mal wieder mit dem Nacken hat. Dann hat er wieder zu viel mit dem Kopf gearbeitet. Aber es ist alles gut mit ihm. Das hat weniger mit mir zu tun, sondern eher mit ihm selbst. Die Info, an die er geglaubt hat, hat sich geändert. Er hat das Programm geändert. Wenn er weiter daran gedacht hätte, er säße in drei Jahren im Rollstuhl, dann würde er jetzt wirklich im Rollstuhl sitzen. Es darf im medizinischen System nicht sein, dass jemand, der eine Autoritätsposition innehat, den Leuten vermeintliche Wahrheiten zuweist. Es kann zwar jemand sagen, er sei mit seinem Latein am Ende, und auch ich habe Patienten, die ich an Kollegen verweise, weil ich nicht weiterweiß. Aber man darf nicht sagen, so und so ist es und nächste Woche wird das so und so sein und wenn sie das jetzt nicht machen, dann sind sie verloren.

Es geht also darum, die Gesundheit bei einem Kranken eher zu fördern als die Krankheit zu bekämpfen?
Ich muss mit dem arbeiten, was der Patient zur Verfügung hat. Das können Eigenschaften sein wie die Hoffnung, das kann die Disziplin sein, Freude am Leben, Sehnsucht. Das können viele Eigenschaften sein, auch Wut, sich verloren fühlen. Mit all dem kann ich arbeiten, so dass es sich in das Krankheitsgeschehen einpasst und eine Änderung vollzieht. Und natürlich braucht jeder das Gefühl: ja ich denke von mir, ich kann nicht laufen, aber ich mache wirklich die Erfahrung, ach es geht ja doch, wie toll! Und dafür finde ich, lohnt es sich Arzt zu sein und zu praktizieren.

Medikation und Chemie?
Muss nicht unbedingt sein. Ich sehe aber auch keinen Sinn darin, wenn jemand unendlich Schmerzen hat und wenn es chemische Mittel gibt, die das lindern können. Wenn das sein muss, muss das sein. Ich bin auch nicht hundertprozentig gegen Antibiotika auch nicht gegen Kortison. Das muss man aber von Fall zu Fall entscheiden.


Was halten Sie von unserem Sozialversicherungssystem?
Wenn ich von meinem Leben ausgehe, würde ich vielen raten, weniger einen Trinken zu gehen, sondern sich öfters mal eine Massage pro Woche zu leisten, oder etwas, was einem gut tut. Man sollte sich von der Unkenntnis und dem Nichtgefühl gegenüber dem eigenen Körper befreien. Es kommen zu mir Leute die sagen, es täte ihnen hier so weh, es sei bestimmt die Leber.  Nein, sage ich dann, die Leber sitzt leider auf der anderen Seite. Das ist kein Einzelfall. Ein besseres Sozialversicherungssystem beginnt bereits da, wo man mehr lernt, sich mit dem eigenen Körper zu befassen und das es einen Wert darstellt, den eigenen Körper zu pflegen, so wie man seine Zähne pflegt und darüber mehr zu wissen. Das könnte einen Wert darstellen. Auch bereits in den Schulen. Es müsste erfragt werden „wie fühlt sich ein Mensch“ und „wie macht er das überhaupt, dass er sich fühlt“.

Vielen Dank für das Gespräch.

ERIKA DUX
erikadux@gmail.com

Uwe Heitkamp (60)

ausgebildeter Fernsehjournalist, Buchautor und Hobby-Botaniker, Vater zweier erwachsener Kinder, kennt sei 30 Jahren Portugal, Gründer von ECO123.

Check Also

Market Gardens in der Algarve: Eine Vereinigung von Artischocke und Austernpilz

Samstag, der 23. März 2024. Market Garden, das ist die Bezeichnung für die weltweite Bewegung …

Schreibe einen Kommentar

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.