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Die tollkühnen Männer in ihren fliegenden gelben Kisten.

Samstag, der 21. Oktober 2023.

Die tollkühnen Männer in ihren fliegenden gelben Kisten kamen mir erstmals an einem Dienstag, es war der 29. August, so nahe, daß sie mich mit dem vielen Wasser, das sie aus der Luft abwarfen, es waren immerhin über 3.000 Liter und die wiegen drei Tonnen, durchaus etwas naßspritzten. Dabei hatten sie es gar nicht auf mich abgesehen, sondern auf die letzten Reste eines Waldbrandes oben am Gipfel Picota in Monchique, im Süden Portugals. Aber es sensibilisierte mich. Sie hatten ein Feuernest aus der Luft entdeckt und die Feuerwehren fanden keinen Weg in den Wald hinein. Ich recherchierte zur gleichen Zeit die Ursachen des Waldbrandes und sah die Reste eines noch glimmenden Baumstammes. Meist versteckt sich das Feuer in den Wurzeln von Pinien und Korkeichen und man sieht das Feuer nur nachts glimmen oder aus der Luft. Das gehört für die Feuerwehren zur Nachbearbeitung eines Waldbrandes. Genau hinsehen, ob hier und da nicht doch noch etwas zündelt und dann ausmachen.

Dieses Feuer begann am Nachmittag des vorhergehenden Tages – also schon am Montag dem 28. August – und ich hatte die zwei gelben wendigen Flugzeuge da bereits über mein Haus in Richtung Hölle fliegen sehen. Hölle, das waren diese voluminösen Rauchwolken, die sich lautlos wie ein Atompilz in die Stratosphäre hocharbeiteten. Es brannte dort oben im Gebirge mal wieder lichterloh und vernichtete Tiere, Wald und Existenzen. Der Nachmittagswind aus Nordwest fachte das Feuer immer weiter an. Es war nur noch eine Frage der Zeit, dann mußte der alte Korkeichenwald bei Corte Grande in Flammen stehen. Wir, die Freunde und Nachbarn untereinander, haben in Monchique ein informelles System eingeführt. Jeder ruft den anderen an, wenn es wieder irgendwo brennt. Der Sinn? Die Vorwarnzeit zu vergrößern. Mein Freund Helge, seine Frau Lisa und die beiden Kinder waren in Gefahr und das Feuer konnte das spirituelle Zentrum Karuna und auch das Dorf Fornalha erreichen. Eine gespenstische Atmosphäre breitete sich langsam aus. Die Spitze des Feuers war noch fünf Kilometer entfernt. Ich beobachtete die Rauchwolken voll CO2 und voller Sorge und sehr aufmerksam. Wieder einmal.

Nicht einmal zwei Stunden später hatten die beiden Piloten gemeinsam mit den Feuerwehren am Boden und den Hubschraubern das Feuer im Griff und der Pilz fiel in sich zusammen wie ein Hefekuchen. Der industrielle Eukalyptusforst vor dem Flecken von Corte Grande – nicht gepflegt und auch nicht gesäubert – hatte dem Waldbrand reichlich Nahrung gegeben und bereits zwei Häuser zerstört. Die Papierindustrie spricht ja immer davon, daß Eukalyptus am meisten CO2 zu Sauerstofff transformiert – ja, wenn er nicht gerade mal wieddr brennt, denn dann produziert er CO2 und das nicht gerade wenig.

Die Feuerwehren aus Monchique und den anliegenden Landkreisen wurden in diesem Jahr erstmals regional aus der Luft von den tollkühnen Männern in ihren gelben Kisten beim Löschen unterstützt. Sie flogen erstmals an der Algarve für den Zivilschutz Portugals, vom kleinen Flugplatz Alvor bei Portimão aus, und sie brauchten keine zehn Minuten bis hoch ins Monchique-Gebirge. Ihre Einsätze waren geografisch vielfältig. Sie löschten auch den gigantischen Waldbrand bei São Teotónio im angrenzenden Alentejo. Die Piloten sitzen zumeist in einem Container in Alvor auf dem Flugplatz und warten und warten und warten – auf einen  Einsatzbefehl. Von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang stehen sie mit ihren gelben Kisten* zur Verfügung des Zivil- und Katastrophenschutzes. Kommt dann der Befehl, wird die Landebahn in Sekundenschnelle freigemacht und sie donnern über den Beton hinauf in die Lüfte.

Die ersten 15 Minuten entscheiden über alles.

Warum schreibe ich das hier? Weil das sind gute Nachrichten. Der Einsatz der zwei agilen Flugzeuge machte in diesem Jahr einen gravierenden Unterschied zu allem, was ich zuvor in  33 Jahren Feuerbrunst als Journalist in Portugal gesehen hatte. Auf einmal werden diese verdammten Waldbrände mit Wasser aus der Luft von agilen Flugzeugen gelöscht; von Flugzeugen, die schnell und wendig sind und von Piloten, die ihr Handwerk darüberhinaus mehr als nur gut verstehen. Wozu doch eine richtige Entscheidung des Zivilschutzes manchmal auch gut sein kann! Nachhaltig investiertes Steuergeld zum Schutz des Waldes.

Raucher im Wald und eine weggeworfene Zigarette. Bei einem Raucher im Wald stellen sich automatisch meine Nackenhaare auf. Ein roter Pick-Up an einer Quelle und Männer, die Trinkwasser in Kanister abfüllten. Soweit konnte ich diesen Fall recherchieren. Es fehlt (nur noch) das Kennzeichen des Pick-Ups, dann hätte ich die vermutlichen Brandstifter. Immer wieder verursachen Leichtsinn und Nachlässigkeit in den Sommertagen Waldbrände im Süden Europas. Es ist weniger vorsätzlich gelegtes Feuer, als eher die Fahrlässigkeit und die Überheblichkeit menschlichen Handelns. Sich nichts dabei denken. Die noch brennende Zigarette ins Unterolz schnippen. Entsorgt.

Ich besuche die tollkühnen Männer an einem ihrer letzten Tage auf ihrer Basis am Boden, wo ihre fliegenden gelben Kisten auf dem Flugplatz in Alvor geparkt sind. Rui Vaz Ramos (44), der Portugiese, er lebt jetzt in Portimão. Rui stammt aus Santarém, ist verheiratet und Vater zweier Kinder. Von Beruf ist er Pilot, leidenschaftlich – aber er ist sich auch des Risikos bewußt und schaut immer nach einem Plan B, wenn er ins Feuer fliegt, um es zu löschen, verrät er mir. „Meistens werfe ich mein Wasser über Häusern ab, die zu brennen drohen,“ betont er. Und dann ist da noch sein Kollege, der Spanier. Carlos Arroyo Munõz stammt aus Sevilla und ist 48 Jahre alt, auch verheiratet, auch Vater zweier Kinder. In diesem letzten Sommer des Jahres 2023 waren die beiden vom 1. Juni bis zum 15. Oktober an der Algarve im Einsatz. Im europäischen Winter fliegen sie dann nach Chile, dann ist dort Sommer und löschen dort Waldbrände. „Chile sei hart“, meint Carlos Arroyo Munõz, „dort gäbe es Brandstifter ohne Ende“. Die politische Unzufriedenheit sei in Südamerika weitaus größer als in Europa. Der Klimawandel und der El Nino Effekt seien stärker ausgeprägt.

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Fortsetzung folgt nächste Woche.

Uwe Heitkamp (62)

ausgebildeter Fernsehjournalist, Buchautor und Hobby-Botaniker, Vater zweier erwachsener Kinder, kennt sei 30 Jahren Portugal, Gründer von ECO123.Translations: Dina Adão, John Elliot, Ruth Correia, Patrícia Lara, Kathleen Becker
Photos:dpa

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