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Nº 124 – Wilde Nahrung aus dem Garten der Natur

Samstag, der 9. Abril 2022.

Lissabon. Ein strahlend sonniger Sonntagmorgen Anfang April. Auf dem Parkplatz der Praia da Aguda an der Küste des Naturparks Sintra-Cascais wird die Schönheit des Strandes in Versen auf Azulejos beschrieben . Unten wirft das Meer traumhaft regelmäßige Wellen; von den Klippen hier oben erscheinen die Surfer winzig klein. Nicht zu übersehen mit ihrer flammend rotblonden Mähne ist Filomena Aivado. Heute haben Filomena und João von der Lissabonner Initiative “Hortas Ecológicas” zu einem Spaziergang rund um die Welt der essbaren Wildpflanzen eingeladen. Diese Exkursion ist Teil eines regelmäßigen Programms, bei dem sie seit 2015 einheimische Pflanzen vorstellen und „einen Beitrag dazu leisten wollen, das Konzept des “Unkrauts” auszurotten: jede Pflanze hat ihren Wert und ihre Funktion in der Natur.” Heute bin ich dabei, zum ersten Mal. Gehört hatte ich von dem Event über ein soziales Medium; sein klebriger Algorithmus weiß eben genau, was ich will.

Das Mikroklima dieses Küstenstreifens zeichnet sich durch frische Temperaturen und Windböen aus. Unser Gang beginnt dankenswerterweise in einem verfallenen graffitiverzierten Steinhaus. Schon hier lassen sich ein halbes Dutzend Kandidaten identifizieren. Der Meeres-Mangold zum Beispiel, auch Krauser Ampfer genannt, ist ein Vorfahr unserer Kulturpflanze. Auffälliger ist der Meeres-Fenchel mit seinen gefingerten wächsernen Blättern. Diese Pflanze gehört zur portugiesischen Geschichte: ihr hoher Gehalt an Vitamin C beugte auf langen Schifffahrten dem Skorbut vor. João reicht eine Tupperbox herum und gibt uns funcho do mar zum Probieren. Selbst die zartesten Triebe schmecken intensiv fenchelig.

Ein Dutzend Erwachsene plus eine Handvoll Kinder sind heute dabei, inklusive eine ganze Familie im Hippie-Surfer-Look mit drei blonden Töchtern und der schwedischen Großmutter. Eine andere Teilnehmerin legt liebevoll Pflanzen in Servietten für ihr Herbarium. Eine Franko-Portugiesin hat einen stilvollen Korb mitgebracht, aber die Tour heute ist eher zum (Er-)Kennenlernen als zum Ernten. Unter andrem sind hier auf dem Klippenpfad einfach zu viele Hunde unterwegs. Trotzdem: allein die Farben… Der leuchtend gelbe Sauerklee, die pinken Malvenblüten, so dekorativ im Salat. Malven-Blätter sind einen Hauch schleimig, gut für unser Darmsystem. Beim Malvenernten denke ich jedesmal an ein Rezept aus dem einschlägigen Buch der siebziger Jahre – “Food For Free” des Briten Richard Mabey – für einen ägyptischen Malveneintopf, das nach “500g zarten Malvenblättern” verlangte. Stunden später…

Nach dem Hinweis auf einige giftiger Vertreter ist eine der letzten Pflanzen, die Filomena uns vorstellt, ein silbriger salzaffiner Küstenstrauch: Atriplex halimus, die Strauch-Melde, aus der gleichen Familie wie der Amaranth und das Quinoa-Korn. Eine willkommene Überraschung erwartet uns dann auf dem Parkplatz: Joãos hausgemachte Paté aus ebendieser Strauch-Melde mit weißen Bohnen und Olivenöl, auf Mini-Tostas. Ein Tee aus Holunder und Thymian dazu tut der Stimme gut. Vielleicht sind wir nur zwei bis drei Kilometer, gelaufen, aber Kopf und Notizbuch sind voller neuer Inspiration. Sonnenschein, frische Meeresluft, neue Bekanntschaften: zum Schluss gibt mir ein freundlicher junger Mann noch den Insidertip, wo genau bei der benachbarten Praia da Adraga Neuseeländer-Spinat zu finden ist…

Hortas Ecológicas: Kontakt für Exkursionen, Öko-Arbeit mit jungen Menschen, Agrofitness uvm.: Tel. Filomena Aivado: 968 165 997, João Santos: 966 572 941 (beide auch WhatsApp), Facebook, Instagram: hortasecologicas

Kathleen Becker

Fotos: Kathleen Becker, traduções: Kathleen Becker, Rudolfo Martins, Dina Adão

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