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Rewilding Portugal?

Garrano Pferde, Auerochsen, (Maronesa, Sayagues) sowie Gänsegeier und viele andere wilde oder halbwilde Tiere leben in einem privaten, offenen Naturschutzgebiet von 856 Hektar Größe, das auch als Vogelschutzgebiet und als archäologisches Weltnaturerbe der UNESCO ausgewiesen ist. In den Höhlen der Ufer des Flusses befinden sich 20.000 Jahre alte Steinzeit-Malereien… Faia Brava gehört dem in Castelo Rodrigues ansässigen Verein ATN. In diesem Jahr feiert er sein 25-jähriges Jubiläum.

Ich gehöre zu jenen Besuchern, die den Weitwanderweg 45, die Grande Rota Vale da Côa, der durch dieses Naturschuzgebiet führt, als einer der ersten ausländischen Fußgänger einweihen konnte. Das war im Oktober 2015. Rewilding steckte da bereits in den Startlöchern. Die Frage, die sich mir danach stellte, lautet: würde man das Konzept des Rewildings auch verfolgen, wenn es diesen zweiten Baustein, den des Naturtourismus gar nicht geben würde? Macht man also seine Sache (Naturschutz) um ihrer Sache willen, oder doch nur, um eine Attraktion darzustellen, um die Natur und seine ausgewilderten Bewohner als ein Instrument des Marketings zu besitzen? Eine glaubhafte Antwort konnte mir darauf bis heute keiner geben.

Entlang des Flusses Côa, der in der Nähe des Dorfes Foios in der Serra da Malcata im Landkreis Sabugal entspringt und sich im Laufe der Zeit immer mehr von einem Gebirgsbach mit Forellen zu einem echten Fluss mit ganz unterschiedlichen Gesichtern entwickelt, und das auf einer Länge von 224 km bis zum Foz da Coa (Vila Nova) in den Douro, wird von einem Wanderweg begleitet, der den Fußgänger über eine weite Distanz in die Vielfalt der Natur entführt und später an der Mündung zum Dourofluß wieder freigibt. Nach Sabugal und nach der Talsperre, meandert der Côa langsam durch eine Flussauenlandschaft, die an den Ufern von Weiden gesäumt werden und in einen Fluss übergehen, an dem Strände Wanderer in Rapoula do Côa zum Schwimmen einladen… Im Refugio no Campo in der Quinta Vale Furtado habe ich die angenehmste Unterkunft in meiner Erinnerung. Ein frisch gepresster Orangensaft bei der Ankunft versüßt meinen Aufenthalt. Ein Frühstück, das einem Fußgänger gerecht wird, der 25 km am Tag geht, wird am nächsten Morgen gereicht. Dann gehe ich mit Butterbroten im Rucksack, weiter nach Norden: Rewilding.

Ich treffe auf die ersten Wasserschildkröten im Fluss. Sie liegen träge am Ufer und sonnen sich. Eine Fußgängerbrücke überquert den Fluß. Welch ein Luxus. Ein Fluss, auf dem keine Güter mit Schiffen hin- und hertransportiert werden, denn seine Fließgeschwindigkeit wird nun schneller und die eben noch langsam dahinfließenden Wassermassen strömen nun immer schneller in Richtung eines Wasserfalls und in Kaskaden überwindet der Côa die Höhenunterschiede im Spiel. Ich steige stundenlang in Serpentinen hinab und folge so dem Fluss. So erreiche ich Almeida und dann Faia Brava. Jetzt, in der Nachbetrachtung, stelle ich mir die Frage, welche Feuerschutzmassnahmen im Naturschutzgebiet gelten? Denn überall in Portugal kann ein Waldbrand ausbrechen und was dann? Gibt es ein Team von Feuerspezialisten, die darin geübt sind, Feuer zu verhindern, Feuer zu löschen, Brandschneisen zu ziehen und Flugzeuge, die Wasser in Waldbrände abwerfen…? Denn wo Rewilding betrieben wird, sollten die Tiere auch den Schutz erfahren, vor den echten Gefahren, denen sie ausgesezt sind und vor denen sie nur flüchten können.

Auf dem Gipfel eines felsigen Hügels eines 80 Hektar großen Bauernhofs im südlichen Teil des großen Côa-Tals, in der Nähe der Serra da Malcata, lässt der Ziegenhirte Albano Alavedra die Körper von zwei kürzlich geschlachteten Ziegen liegen. Dann zieht er sich zurück, um das unvermeidliche Spektakel zu beobachten. Er ist der erste Bauer, der eine Genehmigung von der Regierung erhalten hat, totes Tier an die Geier zu verfüttern.


Es dauert nicht lange, bis sich eine Gruppe von Gänsegeiern am Himmel versammelt. Einzeln oder paarweise beginnen sie den Abstieg. Bald versammelt sich eine kleine Gruppe von Vögeln auf dem staubigen Boden und kämpft um die Kadaver. Irgendwann werden nur noch ein paar verstreute Knochen übrig sein. Hier schließt sich der Kreislauf des Rewilding.

Diese Versammlung von Geiern ist nicht nur ein fesselndes Schauspiel der Aasfresserei, sondern ein bedeutsamer Moment, in dem die Geier in die lokale Landschaft zurückkehren. Nach fünf Jahren Wartezeit und mit der kontinuierlichen Unterstützung des Teams von Rewilding Portugal erhielt der Besitzer der Ziegenherde, Senhor Albano schließlich von der Regierung die Genehmigung, Tierkadaver kostenlos in der Landschaft liegen zu lassen, und zwar durch die gesetzliche Einrichtung eines APAAN (Private Area for Feeding Necrophagous Birds).

Seit Januar dieses Jahres ist er nicht mehr gezwungen, die Kadaver toter Tiere von seinem Hof zu entfernen – was Zeit und Geld kostet -, sondern er kann die Geier die Arbeit für sich erledigen lassen.

+ Information:

https://rewilding-portugal.com/ und https://granderotadocoa.pt/

Unterkünfte PDF

 

Uwe Heitkamp (65)

ausgebildeter Fernsehjournalist, Buchautor und Hobbybotaniker, Vater von zwei erwachsenen Kindern, kennt Portugal seit 35 Jahren, Gründer von ECO123.
Übersetzer: Dina Adão, John Elliot, Patrícia Lara

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