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“Das Gas wird Öl ersetzen”

“Die Ausbeutung der Öl- und Gasvorkommen in Portugal wird weitergehen”, davon ist Senhor Luis Guerreiro gegenüber ECO123 überzeugt. Er ist der Chefmanager für Exploration & Neue Geschäftsfelder bei PARTEX, eines portugiesischen Ölmultis, der zur Gulbenkian-Stiftung gehört und Teil des Gas-Konsortiums mit REPSOL ist. Seit 2011 hat es an die 58 Mio. Euro allein in Suche und Erforschung neuer Vorkommen investiert. Ob gut investiert, das wollte ECO123 herausfinden. Insgesamt wurden mehr als 170 Bohrungen in Portugal durchgeführt, davon allein etwa 40 im Atlantik. Laut ENMC, der portugiesischen Kraftstoffbehörde, “wurden seit 1939 bereits mehr als 900 Mio. Euro für vielversprechende Probebohrungen und wissenschaftliche Untersuchungen ausgegeben, ohne jemals wirklich Öl oder Erdgas in für kommerzielle Nutzung ausreichender Menge entdeckt zu haben.” Macht es da Sinn, einfach immer so weiterzumachen?


Luís Guerreiro, Diretor de Exploração e Novos Negócios da Partex
Luís Guerreiro, Diretor de Exploração e Novos Negócios da Partex

Der Preis für ein Barrel Erdöl ist im Keller, der CO2-Ausstoß auf höchstem Niveau. Bis zu welchem Punkt sind Ihre Investitionen da noch rentabel?

In Bezug auf die Öl- und Gasförderung planen wir nicht auf kurze Sicht, sondern in langen Zeiträumen. Die Erschließung einer Förderstätte vor der Küste kann vom Beginn der Suche bis zum ersten Auffinden, den wir first oil oder first gas nennen, zehn Jahre dauern. Die Rentabilität hängt von einer Reihe von Faktoren ab, wie zum Beispiel der technische Aufwand für die Erforschung und für die Anlage zur Gewinnung. Normalerweise untersuchen wir einen Ort über zwei oder drei Jahre. Wenn wir bis dahin nicht genug Indizien gefunden haben, brechen wir ab.

Sie sind seit 2011 in der Algarve tätig, d.h., obwohl bereits mehr als drei Jahre vergangen sind, setzen Sie die Suche fort? Wie hoch sind die Kosten?

Das kommt darauf an. In Peniche haben wir gerade eine 3D-Seismik durchgeführt, und wir werden dort ein weiteres Jahr Arbeit investieren. Erst danach entscheiden wir, ob wir mit der nächsten Stufe der Untersuchungen weitermachen werden. Dazu gehört dann eine Probebohrung. Das Konsortium muss entscheiden, ob die Investitionen weitergehen sollen. Für die Algarve war schon für letztes Jahr eine Bohrung geplant. Voraussichtlich wird es noch in diesem Jahr dazu kommen. Wenn wir uns zu einer Probebohrung entschließen, werden die Kosten zwischen 40 bis 60 Mio. Dollar liegen, abhängig von der Tiefe und anderen Faktoren. Auf Partex entfallen davon zehn Prozent. Seit 2011 hat Partex allein schon fast 18 Millionen Dollar investiert.

Premierminister António Costa betont, es seien keine Förderverträge geschlossen worden. Ist es dann nicht nötig, neue Verträge auszuhandeln?

Die mit der früheren Regierung unterzeichneten Verträge beziehen sich nur auf Forschung und Erkundung. Sollte sich eine kommerzielle Nutzbarkeit herausstellen und wir beabsichtigten mit dem nächsten Schritt fortzufahren, wäre das etwas anderes. In einem Land wie dem unseren, wo viele Menschen sich über Armut beklagen, wäre es ein eklatanter Fehler, wenn es verboten wäre, unsere eigenen natürlichen Ressourcen zu erfassen und auszuwerten.

Diese bereits geschlossenen Verträge scheinen nicht sehr transparent zu sein. Weder wurden die Bevölkerung noch die Landkreise dazu angehört.

Eine Firma, die sich vornimmt, natürliche und andere Ressourcen des Landes zu kartografieren und zu bewerten, soll dazu eine öffentliche Anhörung durchführen? Stellen Sie sich ein Fischereiunternehmen vor, dass versucht, die Ergiebigkeit der Fischereigebiete vor der portugiesischen Küste einzuschätzen. Müssen sie dazu ein Referendum abhalten? Wenn wir in die nächste Phase gehen und mit der Suche vor Ort beginnen, wird das während zwei oder drei Monaten von einem Schiff aus geschehen, das von der Küste nicht einmal zu sehen sein wird. Niemand wird das bemerken. Sollten wir auf Gasvorkommen stoßen, gehen wir über zur nächsten Phase. Zuerst müssen wir feststellen, ob sich eine kommerzielle Förderung überhaupt lohnt. Nach Umweltverträglichkeitsstudien und Gesprächen mit der Bevölkerung werden die zuständigen Behörden entscheiden, ob das Projekt sinnvoll ist oder nicht.

Es ist von Fracking (hydraulischer Frakturierung) die Rede und einer damit einhergehenden Erhöhung der Wahrscheinlichkeit von Erdbeben. Wie bewerten Sie die mit dem Fracking verbundenen ökologische Risiken?

Wenn Sie mich fragen, ob das Risiko Null ist: natürlich nicht. Aber das Risiko ist absolut zu vernachlässigen. Aber sowohl Repsol als auch Partex machen mehr, als gesetzlich vorgeschrieben ist. Wir haben wir nichts zu verbergen. Ja, es gibt hier Erdbeben. Aber es wird hier kein Fracking geben. Wir werden gar nichts aufbrechen. Weder werden wir eine seismische Aktivität auslösen, noch werden unsere Aktivitäten von der Seismizität beeinflusst. Ich glaube, die Leute lassen sich einfach zu sehr von den Aussagen der NGOs über Fracking und Schiefergas verunsichern. Dabei sind die Auswirkungen wirklich minimal.

Können Sie einen Unfall, wie er im Golf von Mexiko 2010 passierte, für die Algarve ausschließen?

Ich versichere Ihnen, dass so etwas hier nicht passieren wird. Diese Art von Unfall, wie er im Golf von Mexiko geschehen ist, fand unter völlig anderen Voraussetzungen statt. Er spielte sich vor der Küste in einer Tiefe von rund achttausend Metern bei enormem Wasserdruck ab, während wir hier auf der Suche nach biogenem Gas (Faulgase) sind, das sich bei 1700 Meter Tiefe bildet. Wir konzentrieren uns lediglich auf biogene Gase, die sich vom Becken des Golfs von Cadiz, dem sogenannten Poseidon-Gasfeld bis, das ist unsere Einschätzung, zur Algarve erstrecken.

Haben Sie den Eindruck, dass die Ölindustrie als “das Böse” empfunden wird?

Die Welt befindet sich im Wandel. Neue Energieformen tauchen auf, und Schiefergas ist eine davon. Die Offshore-Technologie für extreme Tiefen ist erst in den letzten zehn Jahren entstanden. Noch vor zehn Jahren war es undenkbar, dass wir in siebentausend oder neuntausend Metern Tiefe bohren, wie es jetzt in Brasilien oder im Golf von Mexiko geschieht. Danach kamen die erneuerbaren Energien und, ein weiterer wesentlicher Punkt, die allgemein anerkannte globale Erwärmung. In diesem Zusammenhang ist es wichtig, daran zu erinnern, dass beim Klimagipfel 2015 in Paris zum ersten Mal auch acht große Ölgesellschaften vertreten waren. Wir leben in einer globalen Welt. Wir sind derzeit etwa sieben Milliarden Menschen, und in 20 bis 25 Jahren werden noch mehr als 1,7 Milliarden dazugekommen sein. Der Energiebedarf wird um 30% zunehmen.

Wird PARTEX an dieser Veränderung teilhaben?

Partex nimmt bereits jetzt daran teil. Auch wir beginnen, in erneuerbare Energien zu investieren. Trotzdem müssen die Unternehmen dieser Branche weiterhin für die nächsten 20 oder 30 Jahre in die Öl- und Gasförderung investieren. Wir werden das Öl durch Gas ersetzen. Das ist unser Beitrag, die CO2-Emissionen zu senken.

Wenn wir weiterhin Energie in dem Maße verbrauchen, wie wir das zur Zeit tun, wird die globale Temperatur um sechs bis acht Grad steigen…

Wir brauchen nicht zu glauben, dass wir von einem Tag zu anderen von fossilen Brennstoffen auf erneuerbare Energiequellen umstellen können. Der Übergang wird sowieso 50 oder mehr Jahre dauern. Zurzeit liegt der Anteil erneuerbarer Energien am Weltenergieverbrauch bei nur 2%. Nach pessimistischen Schätzungen werden in 25 Jahren zehn Prozent, nach optimistischen bis zu einem Drittel der Energie aus erneuerbaren Quellen stammen. Mindestens ein Drittel oder mehr wird nach wie vor aus fossilen Quellen wie Erdöl, Erdgas oder Kohle kommen und somit weiterhin zum CO2-Ausstoß beitragen. Auch die Ölgesellschaften arbeiten im Sinne der Nachhaltigkeit: An erster Stelle, indem sie das Erdöl durch Erdgas ersetzen, an zweiter durch Investitionen in erneuerbare Energien und an dritter Stelle, durch Investitionen in die Energieeffizienz. Der Energiemix muss auf intelligente Weise modifiziert werden, und auch die Ölfirmen müssen zur Lösung beitragen.

Vielen Dank für das Gespräch.

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