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Agrobio

Mehr als nur Landwirtschaft

Der Begriff ökologische Landwirtschaft wird oft verwendet, um die Produktion von Nahrungsmittel ohne Einsatz von chemischen Mitteln wie Dünger oder Pestiziden zu bezeichnen. Für AgroBio, die erste Organisation, die sich der Biolandwirtschaft widmet, ist dieser Aspekt einzig und allein ein kleiner Teil des Ganzen. Die Wechselwirtschaft, die Bindung des Menschen zur Erde und das Verständnis des Ökosystems sind genauso wichtig. Für die Organisation ist diese ganzheitliche Landwirtschaft die nachhaltigste Form von Nahrungsmittelproduktion. Gerade deshalb, weil sie „eine Brücke zwischen dem traditionellen Wissen und dem heutigen nachhaltigen Einsatz der Technologie schlägt“, erklärt uns der Vorsitzende Jaime Ferreira, von Beruf Agronom.

Biologisches Portugal

Jame Ferreira | Agrobio
Jame Ferreira | Agrobio

Seit Ende des Zweiten Weltkriegs werden chemische Düngemittel und Pestizide in der Landwirtschaft eingesetzt. Derartige Hilfsmittel gab es zuvor nicht. In der Zeit der Modernisierung und Industrialisierung der Landwirtschaft, bekannt als Grüne Revolution, hinkte Portugal im Vergleich zu den meisten europäischen Ländern dieser Entwicklung hinterher. Portugal zeichnete sich durch eine rudimentäre und primäre Landwirtschaft aus, die von Familien betrieben wurde und hauptsächlich zum Zweck der Selbstversorgung diente. Auch wenn sporadisch chemische Hilfsmittel eingesetzt wurden, handelte es sich im Vergleich zu heute um spärliche und insignifikante Mengen. Trotz des Einsatzes der chemischen Düngemittel und Pestizide in geringen Mengen gab es in Portugal eine Bewegung, die der in den europäischen Ländern wie Frankreich, Spanien und Belgien glich und die die Existenz einer anderen Art von Landwirtschaft ohne chemische Hilfsmittel und in Einklang mit dem Ökosystem verteidigte. Einige Bewohner Portugals, unter ihnen Franzosen und Kanadier, waren sich einig, dass die Art und Weise, wie sich die Landwirtschaft entwickelte, mittelfristig folgenschwere Umwelteinflüsse mit sich ziehen würde, auch auf gesundheitlicher Ebene, da die eigentlichen Nahrungsmittel mehr und mehr verseucht wurden. Als Alternative versammelten sich 1985 verschiedene Fürsprecher dieser nachhaltigen Idee und bildeten den Verein der portugiesischen Ökolandwirtschaft, allgemein bezeichnet als AgroBio.

Auf den ersten Blick mag es erscheinen, als ob sich AgroBio nicht ausschließlich aus Landwirten oder Personen, die direkt mit der Landwirtschaft verbunden sind, zusammensetzt. In diesem Verbund von Personen finden wir Gleichgesinnte, die sich für die Qualität der Nahrungsmittel, die Gesundheit, die Umwelt und bessere Praktika in der Landwirtschat einsetzen. Wir finden Mitglieder aus unterschiedlichsten Berufszweigen wie zum Beispiel Lehrer oder Ärzte. Diese Tatsache zeigt das Bewusstseinswachstum der verschiedenen Gesellschaftsschichten hinsichtlich der Wichtigkeit der Nachhaltigkeit in der Nahrungsmittelproduktion.

AgroBio konzentriert sich nicht ausschließlich auf wirtschaftliche Interessen

Im Gegensatz zu einer Genossenschaft konzentriert sich AgroBio weder exklusiv noch speziell auf die ökonomischen Interessen. Eines der Hauptziele ist die Förderung und Entwicklung der ökologischen Landwirtschaft in Portugal. Deshalb ist der Verein in verschiedenen Bereichen tätig: von technischer Unterstützung und dem Vertrieb der Produktion über die Berufsbildung sowie Forschung bis hin zur sozialen Landwirtschaft, der Wiedereingliederung und auch den biologischen Schrebergärten. Da der Verzehr der Nahrungsmittel genauso wichtig ist wie deren Produktion, werden auch Sensibilisierungskampagnen einer gesunden Ernährung in Schulen durchgeführt. AgroBio publiziert innerhalb dieser Sensibilisierungs- und Informations-kampagnen die Zeitschrift „A Joaninha“, die zweimal jährlich herausgegeben wird.

Parallel dazu führt AgroBio verschiedenste Aktivitäten wie die portugiesische Messe der ökologischen Landwirtschaft Terra Sã durch, aber auch Konferenzen, Seminare und einen AGROBIO-Tag. Jeden Samstag finden an verschiedenen Orten im Land wie in Algés, Almada, Amadora, Aveiro, Carcavelos, Cascais, Campo Pequeno (Lissabon), Loures, Oeiras, Portimão und Setúbal AgroBio-Märkte statt.

Nebst all diesen Aktivitäten gehört die Zertifizierung der Bio-Produzenten zu den Hauptaufgaben des Vereins. Gemäß Jaime Ferreira ist diese Zertifizierung eine Form, „um dem Konsumenten die Garantie der Konformität der Produktion zu gewährleisten“. Dies geschieht hauptsächlich aufgrund der Distanz, die zurzeit den Produzenten vom Endverbraucher trennt. Dem Letztgenannten ist es leider immer noch nicht möglich, einen konkreten Einblick in die Produktionsmethoden zu erhalten.

Was noch ansteht

AgroBio hebt sich unter anderem vor allem durch die Philosophie des Transports der Bioprodukte, die an verschiedenen Orten in ganz Portugal verkauft werden, hervor. Der Verein hält es weder für nachhaltig noch ökonomisch oder ökologisch, die Bioprodukte außerhalb eines Radius‘ von 50 km vom Produktionsort zu vertreiben. Das führt nicht nur zu höheren Produktionskosten, sondern hinterlässt auch einem größeren ökologischen Fußabdruck.

Für eine nachhaltige EU Agrarpolitik

agrobio AgroBio ist die einzige Organisation, die sich auch gegen die seit Jahren destruktive Agrarpolitik der EU wehrt, die anfänglich aufgrund eines massiven Produktüberschusses von der landwirtschaftlichen Produktion abriet. Diese Einstellung der EU hatte die Zunahme an Brachland in Portugal zur Folge. Heutzutage fordert die aktuelle Politik zu einer Wiederaufnahme der landwirtschaftlichen Tätigkeiten, um die Abhängigkeit von Importprodukten zu reduzieren. Auch wenn die Finanzspritzen in den letzten Jahren zugenommen haben, dienen circa 80% dieser Subventionen nahezu 20% der portugiesischen Produzenten. Ähnlich ist auch die Situation in den übrigen europäischen Ländern. Die größten Nutznießer dieser Subventionen sind agroindustrielle Milch-, Fleisch-, Mais-, Soja-, Tomaten-, Reis- und Speiseölproduzenten für die Nahrungsmittelindustrie, die industriell veränderte, prozessierte Nahrungs- oder Futtermittel erzeugen. AgroBio setzt sich für die Wiederaufnahme familiärer Landwirtschaftsbetriebe ein; d.h. Klein- und Mittelbetriebe, die die nachhaltige Landwirtschaft bevorzugen und somit die Nachhaltigkeit im Umgang mit der Umwelt berücksichtigen.

Produtos Biológicos
Biologische Produkte

Da nachhaltiges Wirtschaften bedeutet, ein Einkommen zum jetzigen Zeitpunkt zu erzielen ohne dabei die Zukunft zu gefährden und weil AgroBio bereits heute an das Morgen denkt, geht die Organisation davon aus, dass die Anzahl der wöchentlichen Biomärkte, speziell in Lagos und im Norden des Landes zunehmen wird. Ein weiterer Schritt, der getan werden muss, ist eine Gesprächsgrundlage mit dem Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit zu schaffen. Im Vordergrund soll die Fortbildung im Bereich der Ökolandwirtschaft, seiner Praktika und Umsetzung den Richtlinien dieser Organisation entsprechend, stehen. In Kürze ist auch ein Treffen unter Fachleuten der Ökolandwirtschaft in Coimbra geplant. An dem Ort, wo sich die Fachhochschule für Landwirtschaft befindet, die einzige Uni in Portugal, an der ein Abschluss in Biolandwirtschaft absolviert werden kann.

Jaime Ferriera sieht als großes Ziel seines portugiesischen Verbandes der Biolandwirtschaft die Förderung von Familienbetrieben sowie „die Schaffung von besseren Bedingungen für die Biobauern, wobei auf erstklassige Produkte und besser organisierte Exporte gesetzt wird“.

AGROBIO
Associação Portuguesa de Agricultura Biológica
Calçada da Tapada, 39 – R/C Dto 1300-545 Lisboa Portugal
Telefon: 213 641 354 / 918 545 115
E-Mail: geral@agrobio.pt
http://www.agrobio.pt

Ernährung der Fakultät Ega-Moniz der Uni Lissabon. Mitarbeiter in verschiedenen Online-Publikationen, Ausbilder und Ernährungstherapeut. Auszeichnungen in Wettbewerben des “Casa da Imprensa” und “Lisboa à Letra”.[/author]

Da der Autor die Recherchen zu diesem Artikel mit seinem Fahrrad unternahm, entstanden keine C0 2 Emissionen.

 

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