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ASAE – Freund oder Feind der kleinen Produzenten und Gewerbetreibenden?

ASAE - Staatliches GewerbeaufsichtsamtDie Behörde für Lebensmittelsicherheit und Wirtschaft ASAE (Staatliches Gewerbeaufsichtsamt) wurde im Jahr 2005 vom Ministerium für Wirtschaft gegründet. Es brachte dem Staat durch Kontrollen in den neun Jahren seit seiner Gründung bis Ende 2014 circa 175 Mio. Euro Einnahmen durch Konfiszierung, Straf- und Bußgeldverfahren ein. Seit seiner Gründung ruft die Vorgehensweise der ASAE, spezialisiert auf den Gebieten Lebensmittelsicherheit und Wirtschaftsüberwachung, kontroverse Reaktionen hervor. Von einigen als Feind Subsistenzwirtschaft und des traditionellen Handels gesehen, wird die ASAE von vielen auch als ein Garant für Lebensmittelqualität, Verbraucherschutz und fairen Wettbewerb im Wirtschaftsleben betrachtet. Mit einer Politik, die auf Kontrolle, Untersuchung und Inspektion fußt, beklagen sich viele kleine Produzenten und Händler über die große Zahl an Geldstrafen. Aber es scheint sich etwas zu verändern bei der Vorgehensweise der ASAE. Im zehnten Jahr seiner Existenz scheitn die ASAE milder zu werden und umgänglicher. ECO123 sprach mit dem Generainspekteur in Lissabon.
Pedro Portugal Gaspar, 50 Jahre und seit zwei Jahren Generalinspektor der ASAE erklärt, was sich verändert hat: Die Rolle der sozialen Verantwortung und die Aussicht auf die Schaffung eines neuen Rahmengesetzes für Wirtschaftsdelikte, das das Aussprechen von Verweisen ermöglichen soll; ein pädagogischer Ansatz anstelle von prompter Strafe mit ihren unangenehmen Auswirkungen für Gewerbetreibende. Der Weg dorthin mag noch weit sein, aber die ersten Schritte scheinen initiiert.

Pedro Portugal Gaspar
Pedro Portugal Gaspar

ECO123: ASAE wird von vielen als Gegner des Kleinunternehmers gesehen. Wie bewerten Sie diese Situation selbst?
Pedro Gaspar: Vor nicht langer Zeit äußerte die Vertreterin einer karitativen Einrichtung in Coimbra, der wir gefälschte Markenkleidung als Spende übergeben hatten, dass die ASAE früher als Einrichtung gesehen wurde, die nur nahm, und nun gäbe sie auch. Das war eine spontane Bemerkung, aber es ist eine Betrachtung, die wichtig für uns ist, weil wir als Freund des Unternehmers wahrgenommen werden wollen, des Unternehmers, der die Auflagen erfüllt und seine Steuern zahlt.

Es gibt auch Kritik an den Beschränkungen, die über die Produkte mit der Bezeichnung “selbstgemacht” oder “traditionell” verhängt werden.
Wenn wir Anstrengungen zur Bekämpfung von Produktabweichungen bei Qualität oder geschützter Ursprungsbezeichnung unternehmen, tragen wir damit zur Qualitätssicherung der inländischen Erzeugnisse bei. So geschieht es häufig – zum Beispiel bei Wein oder Olivenöl, dass Wirtschaftsverbrechen das Bild und den Rang unserer Erzeugnisse nicht nur in Portugal, sondern auch auf dem internationalen Markt beschädigen. An der Qualität traditioneller Produkte gibt es in der Regel nichts zu bemängeln, aber sie müssen die bestehenden Vorschriften erfüllen. Es gab kleinere Gesetzesänderungen, die die Herstellungspraxis betrafen, aber die bezogen sich auf die Lebensmittelsicherheit. Zum Beispiel in Bezug auf Hausschlachtungen von Rindern, die es manchmal noch immer gibt und gegen die wir vorgehen, um die Lebensmittelsicherheit zu gewährleisten. Es mag ja sein, dass Hausschlachtungen in einigen Gegenden noch zur traditionellen Praxis gehören. Wir müssen auch das in diesem Zusammenhang beurteilen, aber das Wichtigste ist, dass das Fleisch nicht in die Handelskreislauf gelangt und dass jedes Verbot vernünftig begründet wird.

Einige Händler sehen in den Aktionen der ASAE eine “Jagd auf Bußgelder” und beklagen, dass es keine Vorabinformationen oder einführende Schulungen gibt.
Das ist eine andere Frage, und geschieht zum Beispiel im Umweltbereich, nicht aber in der Wirtschaft. Bei erstmaliger Feststellung sollte eine Verwarnung ausgesprochen werden, mit einer festgelegten Frist für die Beseitigung der Mängel. Erst danach sollten gegebenenfalls Geldstrafen erhoben werden. Die Einwirkung der ASAE wird durch die bestehende Gesetzgebung nach einem Bußgeldkatalog mit einem Mindest- und Höchstwert geregelt. Das funktioniert wie bei der Straßenverkehrsordnung, zum Beispiel. Wenn ein Verstoß festgestellt wird, hat das eine Strafe oder Geldbuße zur Folge, die von Fall zu Fall variieren kann, abhängig von der Größe des Unternehmens und der wirtschaftlichen Auswirkungen.

Gibt es ein Interesse an der Einführung einer Verwarnung anstelle der normalerweise üblichen Anwendung einer sofortigen Geldstrafe?
Das ist Sache des Gesetzgebers und entzieht sich dem Einflussbereich der ASAE. Ich habe bereits über diese Aussicht gesprochen, ob es auf Wirtschaftsebene gesetzliche Rahmenbedingungen zu den Regelverstößen geben sollte oder nicht, womit sich eventuell eine Möglichkeit auftun könnte. Ein wenig vergleichbar mit den Regeln zu Arbeitnehmerschutz- oder Umweltschutzverstößen. Kann eine Aufsichtsbehörde mit polizeilichen Befugnissen einen pädagogischen Auftrag ausführen? Dies sollte gesetzlich festgelegt oder angewiesen und dann dazu eine detaillierte Direktive herausgegeben werden. Hiermit hätten wir eine Grundlage für das Aussprechen von Verweisen, wie es sie im Umweltbereich gibt. Momentan besteht diese Möglichkeit nur hypothetisch, weil sie einfach noch nicht existiert. Das könnte ein Weg sein, dessen Öffnung jedoch nicht in der Hand der ASAE liegt. Es ist Aufgabe der politischen Legislative und nicht der Exekutive ASAE, die mit der simplen Ausführung von Vorgaben beauftragt ist. Wir für unseren Teil sind bemüht, öffentliche Informationsveranstaltungen anzubieten, möglichst gemeinsam mit Wirtschaftsverbänden oder Gemeinden, wodurch die ASAE eine präventive Funktion wahrnimmt.

Welche Funktion genau hat die ASAE inne und worin besteht ihre Hauptaufgabe?
Die ASAE zielt darauf ab, Kontrolle und Wirtschaftstätigkeit im Food- und Non-Food-Bereich sicherzustellen, mit Blick auf den Verbraucherschutz, die öffentliche Gesundheit und den fairen Wettbewerb zwischen den Unternehmen, wie die Bekämpfung der Parallelwirtschaft, die eine unserer großen Probleme darstellt.

Welche Auswirkungen hat Ihre Arbeit gezeigt?
Auf dem Gebiet der Produktpiraterie versechsfachte sich in wirtschaftlicher Hinsicht und im Vergleich des ersten Halbjahres 2013 zum gleichen Zeitraum 2014 der Wert der beschlagnahmten Produkte. In diesem Jahr hat sich die Zahl nicht so deutlich erhöht, weil wir zu dieser Zeit strategischen Maßnahmen in Bezug auf Plagiate durchführten. Wir greifen jetzt nicht mehr nur beim Einzelhandel, wie z.B. Märkten, ein, sondern sind dazu übergegangen, uns mehr auf die Bereiche Produktion und Vertrieb zu konzentrieren. Das führt zu weniger Geschäftskontrollen, bringt aber unter dem Strich bessere Ergebnisse.

Wie beurteilen Sie als Generalinspekteur selbst ihre Arbeit in den vergangenen Jahre?
Pedro Portugal GasparMein Ausgangspunkt ist, dass wir bestrebt sein sollten, immer effektiver zu werden. Das, was wir im Gesamtergebnis erreicht haben, ist zufriedenstellend. Die Strategie, an der Quelle anzusetzen, funktioniert und ist wirkungsvoll. Was nicht so gut funktioniert, bezieht sich mehr auf ein technisches Problem, das heißt, wir müssen versuchen, mehr Effizienz in der Zahl der offenen Fälle zu bringen und eher nach Qualität als Quantität zu streben. Im Hinblick auf unsere soziale Verantwortung sind wir auf gutem Wege und könnten eine noch größere Rolle einnehmen. In Bezug auf das Bild der ASAE müssen wir, das kann man auf internationaler Ebene gut sehen und das ist auch das Ergebnis unserer Arbeit auf kommunaler Ebene, die Wissenschaftlichkeit und Qualität unserer Labore und Ergebnisse besser kommunizieren. Nur die ASAE und die Polícia Jurídica verfügen über eigene Labore. Die unseren dienen der Lebensmittelsicherheit. 70% der Untersuchungen hängen mit unserer Kontrollfunktion zusammen und 30% stehen anderen Strafverfolgungsbehörden, wie der GNR oder PSP, zur Verfügung oder auch den Unternehmen, wenn sie Analysen für eine Zertifizierung durch uns in Auftrag geben möchten, wie im Fall von Wein oder Olivenöl.

In Bezug auf die soziale Verantwortung, von der Sie sagten, dass die ASAE auf einem guten Wege sei – was genau tun Sie?
In Bezug auf soziale Verantwortung ist ein wichtiges Anliegen von unserer Seite, den Usus des Spendens zu etablieren. Das beschlagnahmte Eigentum war in der Regel für die Vernichtung bestimmt. Wir haben diese Gesetzmäßigkeit umgekehrt. Jetzt wird die Zerstörung nur noch als letzte Lösung angewendet, denn wir haben uns der Solidarität verschrieben. Das ist der Weg, den wir gehen möchten. Bei Lebensmitteln berücksichtigen wir viele Vorsichtsmaßnahmen, um Risiken auszuschließen. Zum Beispiel wurden in diesem Jahr den Tieren des Zoologischen Gartens zehn Tonnen Rindfleisch gespendet. Für den menschlichen Verzehr als nicht geeignet eingestuft, versicherten uns die Tierärzte, dass für die Tiere absolut keine Gefahr bestünde. Also labten sich die Fleischfresser an Pitéu, Rindfleisch von den Azoren.

Was wird am häufigsten gespendet und wer ist der Empfänger?
Hauptsächlich sind die Nutznießer der Spenden karitative Institutionen, Einrichtungen zur Wiedereingliederung von Jugendlichen oder Strafanstalten, die ihr Interesse auf der Webseite der ASAE bekunden. Dann entscheidet darüber der Nationale Rat der Wohltätigkeitsorganisationen. Häufig bestimmt der Staatsanwalt auch gleich bei den Gerichtsverfahren, welcher Institution die beschlagnahmte Ware ausgeliefert werden soll, und ASAE folgt dann der Empfehlung des Gerichts. Doch die betroffenen Wirtschaftsunternehmen dürfen dem auch widersprechen und eine Zerstörung verlangen, wenn sie Sorge haben, dass die Waren wieder in den Wirtschaftskreislauf eintreten könnten. Daher ist es wichtig, dass die karitativen Einrichtungen, denen wir die Spenden übergeben, dafür Sorge tragen, dass die Symbole der Marken bzw. die Etiketten entfernt werden.

Sie erwähnten die Möglichkeit, dass anstelle der direkten Geldstrafe den Händlern eine Verwarnung ausgesprochen werden könnte. Was wird in dieser Richtung unternommen? 
Da wir gerade davon sprechen, erinnere ich mich an eine öffentlichen Versammlung, der ich in Espinho beiwohnte. Dort wurde diese Frage angesprochen, denn es gibt dafür bereits Beispiele in anderen Bereichen. Es ist gut zu wissen, dass die Straftaten eine praktische Konsequenz haben, nämlich die Geldstrafe, von der ein Umsatzanteil der Behörde zugute kommt, die sie verhängt hat, in diesem Fall der ASAE. Es ist aber auch wichtig, sich bewusst zu sein, dass Verweise weniger Einnahmen zur Folge haben werden. Aber darum geht es nicht. Ich mache mich für dieses Thema stark, sogar gegen unser Eigeninteresse zur Beschaffung von Geldern, weil ich der Meinung bin, das wir nicht davon besessen sein sollten, damit Erträge zu erzielen. Das ist eine Richtung, über die man nachdenken sollte, aber die uns momentan mit dem bestehenden Rechtsrahmen, in dem die ASAE ganz konkret seine Kontrollfunktion auszuüben hat, gar nicht interessiert. Wenn überhaupt, können wir diese Angelegenheit in öffentlichen Sitzungen diskutieren, wie wir es schon getan haben. Das Aussprechen von Verweisen könnte ein Weg sein, denn man verfolgen sollte, integriert in das Gesetz zu Wirtschaftsverstößen. Alles zusammen genommen mag das ein begehbarer Weg sein. Das ist eine Herausforderung für die nächste Regierung, in deren Verantwortungsbereich das liegt, denn die ASAE hat keine Gesetzgebungszuständigkeit. Es geht nicht darum, autoritär aufzutreten und auch nicht darum, mehr Stärke zu demonstrieren und als staatliche Behörde Druck auszuüben, sondern offen zu sein für den Dialog, eine Basis mit den Wirtschaftsbeteiligten zu schaffen und zu diskutieren – und über unsere Aktivitäten Rechenschaft abzulegen.

About the author

Alexandre Moura (39). JJournalist, gebürtiger Farense. Seit dem Jahr 2000 arbeitet für landesweite und regionale Presse, für das Fernsehen und verschiedene Radios in den Bereichen des aktuellen Tagesjournalismus ebenso wie in des Ressorts Kultur, Sport und allgemeine Information.

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