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Nº 17 – Wenn Worten Taten folgen

Dienstag, der 21. Abril 2020

Ein Editorial von Uwe Heitkamp

Sechs Wochen Pause, nur 42 Tage war die Weltwirtschaft auf 25 Prozent ihrer Kapazität heruntergefahren und schon bricht „unser gemeinsames Kartenhaus“ (Franziskus) zusammen: die Bau- und Immobilienwirtschaft, die Automobilindustrie mit ihren Zulieferern, Flugzeughersteller und Fluggesellschaften, der Tourismus allgemein, das Hotel- und Gaststättengewerbe im speziellen, von Adidas über den Fußball bis hin zu TUI und TAP und so weiter. Jede Branche, vom Dienstleister bis zum Produzenten, steht hier für einen sogenannten systemrelevanten Dominostein, der beim Husten den anderen anstößt und eine Reihe anderer Steine mit in den Abgrund reißt und alle kippen sie dabei um. Staunen und Jammern ist jetzt angesagt und Geld vom Staat…

Nicht doch, wir brauchen doch nicht etwa schon wieder Geld vom Staat? Ihr Banker und Vorstandsvorsitzenden der börsennotierten Aktiengesellschaften seid doch keine Kommunisten. Ihr seid doch waschechte Kapitalisten! Also, da bettelt man doch jetzt nicht schon wieder um Geld vom Staat! Ich frage mich und auch Sie, verehrter Leser, ob die schlauen und sehr gut bezahlten und vernetzten Firmenlenker und Wirtschaftswissenschaftler – in der Realität gucken sie heute allerdings ziemlich dumm aus der Wäsche – daran gedacht haben, wie verletzlich (das Gegenteil von resilient) ihr globales System, das immer nur aus dem Gebetsmantra Wachstum bestand, nun in sich zusammenfällt, wenn ein paar Menschen Husten bekommen…

Wir alle machen ja einmal oder sogar mehrmals im Jahr ein paar Wochen Urlaub, im Sommer – dieses Mal zeitlich nur etwas vorgezogen, bereits im Frühling und da ruhen wir uns mal aus vom Stress des immer schnelleren Wirtschaftswachstums. Und was jetzt passiert, daß vor und neben, hinter und über uns die Kartenhäuser zusammenbrechen, Fundamente zerbröseln und Schutt und Ruinen hinterlassen, ist doch absurd. Hat denn keiner mit so einem möglichen shut down jemals gerechnet? Deswegen jonglieren fast alle – vom Wirtschaftsjournalisten bis zum Politiker – mit Begriffen wie Krieg gegen den Virus usw.

Ich befinde mich nicht im Krieg. Schauen wir doch mal gemeinsam, was man aus Schutt und Ruinen noch alles machen kann, auch wenn 180 Länder, die noch vor sechs Wochen mit steigendem Wachstum und Wohlstand rechneten, jetzt in eine tiefe Rezession stürzen und Millionen arbeitslose Menschen hinterlassen. Die Welthandelsorganisation WTO schätzt, dass der globale Warenaustausch in diesem Jahr um bis zu 32 Prozent schrumpfen wird. Das sind Zahlen, so unerhört, dass einem der Atem stockt, schreibt der Journalist eines großen europäischen Wirtschaftsmagazins. Wirklich? Firmen- und Staatsbankrotte werden die Folge sein. Revolten. Womöglich Revolutionen.

Es grassiert die Angst unter jenen, die gestern noch von 25% Rendite sprachen und keinen Cent in die Ökologie investierten. Drei Dinge müssen passieren, damit wir das alte und zerbrechliche Wirtschaftssystem hinter uns lassen.

Alle, die ihr Geld jetzt investieren wollen, ziehen es aus Kohle, Gas und Rohöl ab und investieren in nachhaltige Energien; in Werte die sich von selbst erneuern, zirkulär und ohne Müll zu hinterlassen.

Zweitens: Gesetze, die eine dritte Form von kollektivem Besitzstand definieren, werden kommen. Weder die Arktis nach das Südpolarmeer dürfen leergefischt werden, noch dort die Bodenschätze geplündert. Es ist höchste Zeit, Boden, Luft und Wasser als Allgemeingut gesetzlich festzuschreiben und nicht mehr anzutasten. Alle Wirtschaftsprozesse müssen entgiftet werden und die sensiblen im Gleichgewicht befindlichen Elemente der Lebensgrundlagen dieses Planeten geschützt. Deswegen braucht die Erde eine weitere Form von Besitzdefinition: nicht mehr mir allein oder einer Firma steht es zu, Grund und Boden zu erwerben, nein, es muss Grund und Boden geben, der nicht mehr veräußerbar sein wird, um sogenannte Bodenschätze zu heben. Dazu gehört insbesondere auch das Meer. Wir müssen den Begriff Nachhaltigkeit mit konkreten Definitionen füllen und lernen, wie wir zirkulär damit leben und wirtschaften.


Drittens braucht die Menschheit ein Grundeinkommen. Nicht Banken und Fluggesellschaften, nicht Touristikkonzerne und auch keine Autohersteller brauchen jetzt Geld vom Staat, weil das verlorenes Geld sein wird, aus dem Fenster geworfenes Geld.
Aber ja, alle Bürger eines demokratischen Staates benötigen jetzt soziale Investitionen, die Vertrauen säen und die jedem Menschen monatlich 500 Euro an die Hand zu geben, ohne daran Bedingungen zu knüpfen. Dazu gehören auch Investitionen in ein verbessertes Gesundheitssystem, in saubere Mobilität, in eine gesunde Landwirtschaft. Damit wäre der Grundstein in das Zeitalter des New Green Deal gelegt, von dem Ursula von der Leyen, die Kommissionspräsidentin, erst vor kurzem noch sprach. Man muss den Worten nur Taten folgen lassen.

Uwe Heitkamp (60)

ausgebildeter Fernsehjournalist, Buchautor und Hobby-Botaniker, Vater zweier erwachsener Kinder, kennt sei 30 Jahren Portugal, Gründer von ECO123.

Fotos:dpa

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