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Tamera – Das neue Dorf des Lichtes

Tamera
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Mitten im Baixo Alentejo liegt ein ökologisches Dorf, fast gänzlich autark, das ein Wegweiser sein möchte. Es zeigt lokale Lösungen für globale Probleme im Einklang mit der Umwelt. Eine Gemeinschaft, die immer mehr und immer besseres zulässt, in Zeiten, in denen die Ressourcen immer weniger werden.

Die Glocke tönt. Einmal, zweimal, dreimal. Das ist das Signal, dass das Mittagessen fertig ist. Es ist die Zeit zum Ausruhen, um Hunger zu stillen und Durst zu löschen. Nach und nach treffen sie ein, alle jene, die irgendwo in der Gemeinschaft irgendwelchen Tätigkeiten nachgegangen sind. Die Gesichter gerötet, erhitzt von der Arbeit in der glühenden Hitze des Vormittags, finden sie Erholung im Schatten rund um die Küche der solaren Dorfküche (Aldeia Solar). Das Mittagessen wird mit Solarenergie gekocht und ist vollständig vegetarisch. Die Zutaten sind Produkte, die die Gemeinschaft selber anbaut, oder die bei lokalen Biobauern gekauft werden. Im Einklang mit der Umwelt bekommen die Speisen einen anderen Geschmack, die Aromen sind lebhafter. Es ist eines der ehrgeizigsten Projekte von Tamera, das eine im Alentejo reichlich vorhandene Ressource nutzt: die Sonne.

Im Sonnendorf, der Aldeia Solar, ist die Sonne der wichtigste Rohstoff. Sie ist die Kraft, die ein Experiment antreibt, das nur eines will: das ganze Dorf mit Sonnenenergie zu betreiben. In diesem Dorf kann man mit Sonnenenergie kochen, auf speziell angepassten Herden mit Hilfe von Sonnenkollektoren, oder mit Dampf, oder einfach Töpfe heiß machen. Pumpen, die sich die Kompression oder Ausdehnung der Luft zunutze machen, pumpen Wasser aus 50 m Tiefe hoch. Leila Dregger, eine der Verantwortlichen des Dorfes, meint, dass man dieses System auch in Afrika nutzen könne, um die Wüstenbildung aufzuhalten.

Tamera ist eine Art Oase mitten im tiefen Alentejo. Wer es besucht, kann beinahe vergessen, dass er sich im Süden Portugals befindet, so grün ist die Landschaft und so viele Wasserläufe durchziehen sie. Das Gelände umfasst 134 Hektar und hat die Form eines Adlers. Trotz seines natürlichen Aussehens basiert Tamera auf gründlicher und straffer Organisation. Das Wasser dominiert die Landschaft, doch klar umrissene Räume wie das Sonnendorf, das Dorf des Lichtes, der Steinkreis, das Gästehaus, das Auditorium und verschiedene andere Zentren der Meditation und des Erfahrungsaustausches strukturieren das Gelände auf nahezu organische Weise.

Das Dorf wurde 1995 im Kreis Odemira von drei Deutschen gegründet: der Theologin Sabine Lichtenfels, dem Soziologen Dieter Duhm und dem Physiker Charly Rainer Ehrenpreis. Ursprünglich bestand die Idee, eine Gemeinschaft zu schaffen, die als Forschungszentrum für soziale und ökologische Nachhaltigkeit dienen sollte. Tamera wurde genau das, und noch sehr viel mehr. Ein wahres Heim für Menschen aus aller Welt, aus allen Himmelsrichtungen, die Frieden für sich und andere suchten. Die Einwohnerzahl liegt bei 160 Bewohnern, wobei ein Kommen und Gehen herrscht, doch 35 Menschen leben ständig hier. Viele Gemeindemitglieder verlassen das Dorf gelegentlich, um auswärtig arbeiten zu gehen, damit sie ihre Verpflichtungen erfüllen können. Leila Dregger erklärt: “Die Gemeindemitglieder verpflichten sich, etwas beizusteuern. Alle vier Monate machen wir eine Analyse, um festzustellen, ob das nötig ist.” Um neue Räume zu erschließen, greift Tamera auf “Spenden, Unterstützung durch Stiftungen und Mäzene, die Interesse an unserer Forschung haben” zurück. Für das tägliche Leben reichen die Einnahmen der Seminare und der Besucher, um die Gemeinschaft zu unterhalten.

Leila Dregger beschreibt Tamera als Versuchsanordnung für die ideale Gesellschaft auf der Suche nach der Lösung globaler Probleme. “Tamera soll ein Modell für den Frieden sein, lokale Lösungen für globale Probleme aufzeigen. Es soll ein Ort sein, zu dem Leute aus aller Welt kommen können, um im Einklang mit der Natur und miteinander zu leben.”

Tamera liegt in Monte do Cerro, zwischen Relíquias und Sao Luís, im Landkreis Odemira. Auf diesem Landgut herrscht Ruhe auf den Gipfeln des höchsten Hügels. Die Felsen, die hier den Steinkreis formen, verleihen dem Ort etwas mysthisches. Inspiriert von Cromeleque de Almendres bei Évora reflektiert der Steinkreis den spirituellen Zustand der Gemeinde und die Gemeinde projiziert ihren spirituellen Zustand in ihn hinein. Jeder Stein wurde von einer anderen Person aufgestellt und symbolisiert einen wichtigen Aspekt für das Funktionieren von Tamera, der auch in den Stein selber gemeißelt ist. Hier liegen das Zentrum und die Seele der Gemeinschaft, hier pulsiert seine Energie. Rundherum beherrscht grüne Vegetation das Blickfeld, Wasserflächen durchziehen die Szenerie. Das Wasser, das Urelement, schafft Leben, es ist die Quelle des Lebens, so auch in Tamera. Für einige Momente vergisst der Besucher, dass er sich mitten im tiefen Alentejo befindet, im Land der trockenen, glühenden Erde.

 

Wasser und Licht, niemals abgeschaltet

Wenn man über den roten Feldweg, der im Sommer trocken und im Winter ein Schlammpfad ist, nach Tamera kommt, erscheint zunächst ein riesiger See. Es ist dieser See, der verzweigt und mit vielen anderen verbunden ist, der zu allen Jahreszeiten die nötige Energie für das Leben und Blühen in Tamera liefert. „Der große See ermöglicht die Wiederbelebung der Landschaft und macht die Böden wieder fruchtbar”, erklärt Leila Dregger. Ein naturnahes Wassermanagement hält das Wasser nicht zurück, sondern erlaubt ihm, langsam die Böden zu durchdringen und damit fruchtbarer zu machen. Das bringt Flora und Fauna ins Gleichgewicht. Der große See ermöglicht die Einrichtung einer wassergestützten Permakultur, die unter der Leitung von Sepp Holzer, einem Landwirt aus den österreichischen Bergen, geschaffen wurde. Der lebende Beweis sind die üppig grünen Wegränder, die prächtigen Gemüse- und Ziergärten rund um den See, die einen starken Kontrast zu der wüstenartigen Landschaft bei Monte Cerro bilden.

In der Nähe des Sonnendorfes, wo jetzt das Mittagessen zu Ende geht, liegt ein anderer Teil von Tamera, das Dorf des Lichtes oder Aldeia da Luz. Es ist eine Hommage an das Dorf, das in den Fluten des Stausees von Alqueva versank. Zwei Dörfer mit demselben Namen, eines lebt, das andere ist tot. Eines starb im Wasser, das andere verdankt dem Wasser sein Leben. Dieser Platz gehört den Frauen und er wurde von ihnen gemacht. Die Häuser spiegeln die Aktivitäten ihrer Bewohnerinnen, doch eines haben sie alle gemeinsam: die älteren Frauen lehren die jüngeren die althergebrachten Techniken. Kunsthandwerk, Malerei, Töpferei, Kräuterkunde. Das alte Wissen kehrt zurück, ebenso die Schneiderei. Die Deutsche Alice Lindstedt, mit silbergrauem Haar und freundlichem Blick, lebt seit 2001 in Tamera. Sie ist zuständig für die Schneiderei, wo sie die Kleidungsstücke flickt, repariert und zuteilt. Hier zahlt man nichts für ein Kleidungsstück. Hier kann man sich nach eigenem Geschmack etwas aussuchen, und man kann es, wenn man es nicht mehr möchte oder braucht, zurückgeben. Dann wird es, wenn nötig, geflickt, damit ein anderer es tragen kann. Alice Lindstedt ist beseelt von einem Geist des Gebens und Teilens. Sie ist schon Urgroßmutter, ihr jüngster Nachkomme wurde in Tamera geboren. Hier leben auch ihre Tochter und ihre Enkelin. An diesem Platz, wo sich Licht und Wasser in Leben verwandeln, wo eine kleine Gemeinde ein Beispiel für die Zukunft geben möchte.

 

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