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Die Kommunen entwickeln ein immer größeres Umweltbewusstsein

Jetzt schreiben wir das Jahr 2019, es ist Februar und wir befinden uns in Lissabon, am Cais do Sodré, in der Nähe des Flusses Tejo, mit Blick auf die Brücke Ponte 25 de Abril. Wir treffen uns mit der Umweltingenieurin Dr. Sofia Simões zum Gedankenaustausch. Sie ist 48 Jahre alt, verheiratet und hat zwei Kinder im Alter von neun und dreizehn Jahren. Sie arbeitet für die Fakultät der Wissenschaften und Technologie an der Neuen Universität Lissabon. Vor einiger Zeit begann sie auch auf internationaler Ebene für verschiedene Mitgliedsstaaten der Europäischen Union tätig zu werden. Gerade gestern war sie aus Brüssel zurückgekehrt. “Ich habe in Schweden gelebt, sowie drei Jahre in Holland und einen Sommer in London gewohnt und studiert”, erzählt die auf der Azoreninsel Santa Maria geborene Sofia Simões.
Nach Portugal ist sie immer wieder zurückgekehrt, weil die Menschen hier, wie sie findet, die kleinen Freuden des Lebens besser schätzen können.

Neben ihrer nationalen und internationalen Tätigkeit ist die Umweltingenieurin sehr daran interessiert, auf lokaler Ebene zu arbeiten. “Ich habe im Laufe der Zeit festgestellt, dass es manchmal vieles gibt, das nicht auf nationaler Ebene getan werden kann. Es gibt viele Lobbys und Interessen … Wenn wir den Menschen näher sind, kann auf lokaler Ebene sehr viel passieren”, sagte sie ECO 123.

Das Pariser Abkommen hat die CO2-Neutralität unseres Planeten bis 2050 zum Ziel. Bis 2030 müssen wir die CO2 Emissionen um mindestens 40% reduzieren. Wie ist das zu erreichen?
In Portugal wird es auf dem Gebiet der Energiegewinnung angesichts unserer erneuerbaren Energien keine großen Schwierigkeiten geben. Wenn wir das Kohlekraftwerk in Sines schließen, reduzieren wir die Emissionen sofort um zwölf Prozent. Es ist wichtig, dass wir weiter in Wind- und Solarenergie investieren.

Sorgen Sie sich mehr um den Bereich Mobilität?
Wir haben seit den 80er Jahren nicht mehr ins Schienennetz investiert, sondern landesweit eine Linie nach der anderen stillgelegt. Es ist eine Schande! Wir brauchen wieder ein verzweigtes Eisenbahnnetz, aber ich denke nicht, dass dies so schnell umgesetz

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Es gibt nur eine Bahnlinie von Nord nach Süd und nur einen einzigen Zug, der Portugal mit Spanien verbindet. Er fährt einmal am Tag um 21.35 Uhr vom Bahnhof Stª Apolónia ab. Wird im Verkehrssektor kein Plan zur Reduzierung der Kohlenstoffemissionen gebraucht?Doch, ich denke den brauchen wir. Vielleicht weiß niemand, dass zum Beispiel in Wien, der österreichischen Hauptstadt – alle Einwohner ein Ein-Euro-Tagesticket haben. Sie können den städtischen Nahverkehr das ganze Jahr für 365 Euro nutzen. Wie kann es sein, dass wir keine Mittel für den öffentlichen Verkehr haben? Unsere öffentlichen Verkehrsmittel sind teuer! Die Kosten einer Monatskarte für die Strecke von Setúbal nach Lissabon über die Ponte 25 de Abril betragen 160 Euro.

Sprechen wir über die CO2-Reduzierung in Städten im Hinblick auf das Projekt in Évora – INSMART. Wie kann eine Stadt wie Évora ihren CO2-Fußabdruck radikal reduzieren?
Das geht nicht. Zur Wiederbelebung des historischen Zentrums müssen wir einerseits den Verkehr dort heraushalten und zum anderen Parkplätze anlegen.

Außerhalb der Stadt?
Nein, ich spreche von Parkplätzen in Innenstadtnähe für die Bewohner, die auf einen Parkplatz angewiesen sind. Aber es geht nicht nur um Anwohnerparkplätze, sondern auch um Parkmöglichkeiten für die Leute, die in der Innenstadt einkaufen gehen. In der Altstadt wurde auch ein Bürgerbüro eingerichtet, um die Verkehrsführung zu verbessern. Wir sprachen mit den Bürgern über konkrete Themen, die sie direkt betreffen.

Wie haben Sie die Emissionen der Bürger gemessen?
Als wir für Évora diese 3,7 Tonnen CO2 pro Bürger errechneten, haben wir den gesamten Energieverbrauch zu Grunde gelegt, d.h. alle entstandenen Emissionen aus der Stromproduktion, dem Kraftstoff für Autos und landwirtschaftliche Maschinen wie Traktoren (Diesel/Benzin)… Évora ist eine ländliche Gegend in der nur wenig Solarwärmeanlagen (die Energie produzieren ohne CO2 freizusetzten) im Einsatz sind und Gas (zum Kochen, Erhitzen von Wasser und Heizen von Häusern) mit seinen CO2-Emissionen als Energiequelle noch weit verbreitet ist.

Beziehen Sie die Lebensmittel als Teil des ökologischen Fußabdrucks in diesen Wert mit ein?
Wir haben den Lebensmittelbereich nicht miteinbezogen, sondern uns auf den Energieverbrauch anderer Sektoren wie Wohngebäude, öffentlicher und privater Transport, Passagiere und Fracht sowie öffentliche und private Gebäude, und auch städtische Dienstleistungen unter Berücksichtigung der Theater und des Museums konzentriert.
Der gesamte Stromverbrauch in Évora in den Jahren 2014 und 2015 wurde erfasst und verglichen. Anschließend haben wir uns angeschaut, wie viel Strom in Häusern, in der Universität oder in Gebäuden mit hohem Energiebedarf verbraucht wurde. Es ist überhaupt nicht einfach und der bloße Wille zur Reduzierung des Energieverbrauchs reicht nicht aus. Es gilt erst einmal zu erkennen, in welchen Bereichen genau am meisten verbraucht wurde … Das ist ein großer Aufwand.

Wie haben Sie die Daten erhoben?
Wir haben viele verschiedene Behörden und Einrichtungen und auch die Bürger selbst befragt und während dieses Prozesses versucht, möglichst viel Information aus den gesammelten Daten abzuleiten.

Haben sie Einzelbefragungen durchgeführt?
Wir haben alles gleichzeitig gemacht. Wir haben z.B. mit der EDP, dem Rathaus und den lokalen Gasversorgungsunternehmen, wie beispielsweise dem Erdgasversorger gesprochen. Dann sind wir von Tür zu Tür gegangen und haben unter anderem die Studenten der Universität Évora befragt … Wir haben an über 100 Haustüren geklopft und gefragt: Wie hoch ist der alltägliche Energieverbrauch in ihrem Haus? Wie viele Stunden ist die Heizung in Betrieb? Kochen Sie mit Gas oder mit Strom? Dann haben wir die Bürger auch gefragt wie sie sich fortbewegen, ob sie das Auto benutzen (wir fragten nach Ziel und Dauer der Fahrten), und ob sie mit dem Fahrrad fahren.
Es war das erste Mal, dass eine Studie mit so vielen verschiedenen Methoden durchgeführt wurde. In der Regel können wir nur auf bereits existierende Umfragen und Statistiken zurückgreifen.


Was haben Sie mit den Daten gemacht?
Wir haben daraus konkrete Maßnahmen abgeleitet! In Évora wurden beispielsweise sieben Kilometer Radwege angelegt. Wir haben das Projekt fünf Jahre lang verfolgt. Wir haben gefragt, wie viele Kilometer gebaut wurden und wie viele Menschen das Fahrrad benutzen. Öffentliche Fahrräder wurden zur Verfügung gestellt und auch deren Nutzerzahlen ermittelt.

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Ein Radweg garantiert noch keine Reduzierung der CO2-Emissionen.
Weitere Investitionen sind bis 2030 geplant. In den meisten Wohngebieten der Altstadt wurde eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf 30 km/h eingeführt. Die Straßenbeleuchtung wird zu 100% auf LED umgestellt. Kommunen brauchen eine effiziente Straßenbeleuchtung. In diesem Bereich ist die Kostenkontrolle auch sehr einfach.
Auch die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien gestaltet sich in den Städten nicht schwierig. Für die Installation einer großen oder kleinen Photovoltaik-Anlage kann eine Genehmigung beantragt werden. In Portugal wird dieser Antrag bei der Generaldirektion für Energie in der jeweiligen Gemeinde gestellt. Die Gemeinde kann zum Beispiel auch beschließen, in allen Grundschulen Photovoltaik-Anlagen zu installieren. Dies alles sind Maßnahmen, die bisher nicht sehr weit verbreitet sind und mit diesem Projekt haben wir versucht, das zu ändern.
Im Bereich der öffentlichen Verwaltung hat sich der Gedanke an den Klimaschutz bisher nicht etabliert. Planung und Verwaltung der Städte müssen zukunftsorientiert erfolgen und die Maßnahmen zur Verringerung der Emissionen endlich zwingend eingeleitet werden. Wir hoffen, vom Referenzjahr bis 2030 um die 22% CO2 einsparen zu können, indem die Busflotte in Évora auf umweltfreundlichere Fahrzeuge umgestellt wird.
Wir gehen davon aus, dass der Anteil der erneuerbaren Energien am Gesamtenergieverbrauch bis 2030 um rund 20 Prozent steigen wird und die Emissionen pro Kopf im selben Zeitraum um sieben Prozent gesenkt werden können.

Danke.

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