Samstag, der 20. Januar 2023.
Monchique in Portugal. Nach dem jüngsten und letzten Zensus von 2021 leben hier noch 5.462 Einwohner. Es gab schon mal bessere Zeiten, als Monchique noch 14.779 Einwohner hatte. Das war 1960. Damals hatten alle Menschen Arbeit, sinnvolle und sinnstiftende Arbeit. Das mit der Diktatur war nicht ganz so schön, das ist wahr, aber man hatte immerhin seinen Medronho im Haus. Oder? Ein Schuhmacher verdiente in seinem Beruf, was er zum Leben benötigte. Ein Bauer ließ sich seine Schuhe zuhause von reisenden Schuhmachern aus Monchique maßanfertigen. Aus Monchique kamen die Kartoffeln, der Schinken und der Mais der Algarve. Die Kleider der Bauern wurden beim Schneider in Auftrag gegeben. Ach ja, es gab auch noch ein paar Tagelöhner und keine Sozialversicherung. Dann kam die Nelkenrevolution. Bald danach ging es bergab. Jetzt, 50 Jahre später, in 2024 leben nach Angaben aus gut unterrichteten Kreisen im Rathaus keine 5.000 Einwohner mehr im gesamten Landkreis Monchique und kein Schuhmacher. Warum eigentlich? Wo sind die Leute hin? Wann wird Monchique dichtgemacht?
Wir in Monchique leben jetzt in einer Demokratie. Wir dürfen unsere Meinung sagen. Mit konstruktiver Kritik können wir umgehen. Nur manchmal, wenn der Wind aus Südosten von Afrika herüberweht, dann haben wir unsere Schwierigkeiten mit diesem Wind, wenn er den Kopf erreicht. Das macht uns dann richtig krank. Dann können wir mit dem Begriff Meinungsfreiheit auf einmal überhaupt nichts mehr anfangen. Dann gelten auch demokratische Beschlüsse eines Rathauses nicht mehr. Dann hat auch der ehemalige leitende Bankangestellte und jetzige Bürgermeister von Monchique, der Sozialist Paulo Alves, gravierende Probleme mit konstruktiver Kritik. Er kann diesen Journalisten gar nicht verstehen, warum der über einen jungen Schuhmacher namens Zé Pedro Mira schreibt, der nicht mehr in Monchique leben und arbeiten möchte und lieber auf einer Insel namens Tenerifa arbeitet und lebt. Monchique ist doch so schön.
Ist es das? Im Monchiquer Stadtrat wurde 2016 entschieden, dem jungen Schuhmacher Zé Pedro Mira eine Starthilfe in Höhe von 10.000 Euro zu gewähren, wenn er im Ort nach abgeschlossener Gesellenprüfung seine Werkstatt eröffnet. Diese Entscheidung wurde damals einstimmig (mit 5 Stimmen) von PSD und PS gemeinsam getroffen. Das alte Handwerk sollte weiterleben. Monchique ist jetzt demokratisch und Portugal in der EU. Und wir haben eine Sozialversicherung. Und das schriftliche Protokoll einer Stadtratssitzung verschwindet nicht einfach so. Es geht um Jobs, aber nicht nur, es geht um die Wirtschaft eines Landkreises, der langsam ausstirbt. Es geht um die Glaubwürdigkeit von Politik. Der größte Arbeitgeber ist nämlich das Rathaus selbst. Und dann gibt es noch ganz viele sogenannte freiberufliche Arbeiter mit Motorsägen. Die verdienen sich ihr Geld in den Eukalyptus-Monokulturen. Bäume umnieten. Harte Arbeit. Es gibt auch einen Steinbruch. In ihm arbeiten aber viel weniger Leute als im Rathaus. Wo findet man in Monchique eigentlich seriöse Arbeit?
Wo kann man in Monchique eine attraktive Ausbildung machen, also jetzt nicht zum Fleischer?Wo kann man in der Freizeit einen Film oder eine Theatervorstellung sehen, was man in São Brás de Alportel kann? In das frühere Casa do Povo, einem ehemaligen Kulturpalast, über der Segurança Social in Monchique gelegen, regnet es hinein. Und mit Eimern ist es nicht mehr getan. Das Gebäude braucht ein neues Dach, neue Fenster, neue Türen, einen neuen Fußboden usw. Die Liste ist zu lang, als daß sie hier in Worten Platz findet. Ach ja, da wären noch die Waldbrände. Ach Schwamm drüber, Monchique ist doch so schön.
Ist es das? Neulich verkaufte ein ausländischer Pensionsbesitzer sein Haus mit Grundstück in Monchique und zog nach Lagos. Weniger Risiko. Dort kaufte er sich wieder ein Grundstück mit Haus und eröffnete die Pension noch einmal neu. Nachhaltigkeit! So lange wie Monchique die Zeichen der Zeit ignoriert, werden keine neuen Investoren ihr Geld sicher im Gebirge anlegen. Verheerende Waldbrände in 1991, 2003, 2004, 2016 und 2018. Eukalyptus brennt gut. Der Sommer naht, die Menschen haben Angst. Junge Menschen gehen studieren und kommen nicht wieder zurück, oder aber sie arbeiten irgendwo in der Fremde und haben Heimweh.
Emigration hat eine lange Geschichte. In Portugal leben noch zehn Millionen Menschen. Aber noch einmal zehn Millionen Einwohner leben bereits in Frankreich, der Schweiz, in Luxemburg, England, den USA, Kanada, Australien, in Spanien und in Deutschland. Die Liste liesse sich verlängern. Irgend etwas läuft gehörig falsch in Monchique und auch in Portugal.
Zu Besuch bei einem Zurückgebliebenen: heute war ich bei Südostwind im Rathaus von Monchique und wollte mit Paulo Alves, dem jetzigen Bürgermeister, ein Gespräch vereinbaren, ihn zu einem Interview bitten. Er soll bitte einmal sagen, für welche Politik er steht. Er war in einer Sitzung. Ich habe ihn auch versucht anzurufen und eine sms geschrieben. Zurück kam eine sms mit dem Wortlaut: „Sobald ich Zeit habe, rufe ich Sie zurück.“ Das ist Monchique. Das ist Portugal. Das war vor einer Woche. Meine Einladung bleibt bestehen, an dieser Stelle zu Wort zu kommen, sich mal zu erklären.
Monchique, Portugal: einen Landkreis, der aufgrund der Unfähigkeit und Vetternwirtschaft seiner regierenden Politiker, parteiübergreifend, langsam ausstirbt, dem die jungen Leute weglaufen und der von der Zentralregierung jedes Jahr mit vielen Millionen alimentiert werden muß, um seine Beschäftigten im Rathaus überhaupt bezahlen zu können, könnte man von Lissabon aus gesehen, theoretisch auch dichtmachen und mit dem Landkreis Portimão zusammenlegen. Man würde dann mindestens 250 Arbeitsplätze in der „Noch“ Camara Municipal de Monchique einsparen. Im Rathaus von Monchique kann sich das kaum jemand vorstellen. Man wäre dann nur noch eine Gemeindeverwaltung von Portimão. Die Einwohner von Monchique hätten dann wenigstens jeder einen Familienarzt im Gesundheitszenrum des alten Hospitals…