19 km. In der Mitte der Algarve bin ich nun angekommen. Zu Fuß unterwegs sein bedeutet auch, den direkten Kontakt mit Menschen und ihrer Umgebung zu bekommen. Und das ist es doch, was wir Journalisten brauchen und wissen wollen. Wie ticken die Menschen im Land? Was denken sie und wie geht es ihnen? In Alte, ganz am Anfang des fünften Tages meiner Wanderung treffe ich am leeren und ausgetrockneten Ribeira de Alte, einem Bach, in dem früher Fische und viele andere Lebewesen rumschwammen und dessen reiche Artenvielfalt diesen Biotop einst prägte, eine ältere Dame, die ein wenig Reisig sammelt, eine Rentnerin im Alter von 72 Jahren. Es ist Freitag und an diesem Tag kommt immer der Fischmann von der Küste hoch nach Alte. Sie kauft jeden Freitag frischen Fisch und diesen grillt sie auf einem kleinen Holzgrill. Ich bleibe stehen und wir unterhalten uns über die Makrele, eine Fischart, die es in die Küchen vieler Portugiesen geschafft hat, auch deswegen, weil die See von Sardinen nahezu leergefischt ist. Denn diesen Fisch, die Makrele, mag diese ältere Dame besonders gern. Eine Makrele kann man grillen, aber auch als „alimada“ eingelegt zu sich nehmen, kurz gedünstet und dann entgrätet und enthäutet, in Olivenöl eingelegt und mit Zitrone, gut gesalzen und mit etwas Pfeffer abgeschmeckt und natürlich mit Knoblauch und ein wenig frischem Koriander. So beginne ich meine Wanderung mit einem morgendlichen Gespräch, das mir eine Gaumenfreude bereitet. Noch lange an diesem Tag denke ich an die alte Dame, die es fertigbringt, meinen vegetarsichen Gaumen mit einem traditionellen portugiesischem Gericht zu beeinflussen: mit „cavalas“ oder „carapaus alimadas“. Und was käme dann noch, nach dem Hauptgericht, frage ich sie? Zum Nachtisch fragt sie zurück? Ohne lange über die Antwort nachdenken zu müssen, erwidert sie, sie habe schon gestern „süßen Reis“ (arroz doce) vorgekocht, mit viel Zimt. Der Zitronenbaum habe ihr eine erste reife Zitrone dafür geschenkt.
Ich beginne einen weiteren Tag mit meinem acht Kilogramm schweren Rucksack von Alte über Benafim nach Salir. Immer dabei sind noch zwei Kilogramm Wasser. Auf dem Weg von Alte nach Benafim passiere ich tausende von Organgenbäumen auf Plantagen an Hängen. Soweit das Augen schauen kann, Zitrusfrüchte. Der Weg führt durch sie hindurch, links Orangen, rechts Orangen, alle künstlich bewässert. Sie enden abrupt, wo das Grundstück endet. Es geht weiter in unbewohnter Einsamkeit. Da steht ein Holzpfosten ohne Schild, auf dem einmal ein Zubringer zur Quinta do Freixo ausgeschildert wurde. Dann stehen wilde alte Steineichen, Johannisbrotbäume und Wacholder am Wegesrand und viele wild wachsende Pflanzen- und Buscharten, die eher eine Wanderung im Frühling zu einem Erlebnis der Sinne machen, mit diversen Gerüchen und einer Augenweide. Ich stelle mir diese Wildnis nach dem Regen vor, mit blühendem Lavendel und vielen anderen wilden Kräutern in den verschiedenen Farben. Eher eine Fata Morgana im Herbst. Vor Benafim, wo ich immer die alte Steineiche besuche und mir die Taschen mit Eicheln fülle, treffe ich auf ein Gehöft mit sogenannten Gesindehäusern, das unbewohnt ist. Das Dach ist eingefallen, von den Fenstern gibt es nur noch die Rahmen ohne Glas. Es war einmal …
Zwei Bauern aus der Umgebung fahren mit ihren Treckern über die Äcker, die durch den Wanderweg zerschnitten werden. Der eine düngt seinen Acker mit Blaukorn, nachdem der andere ihn bereits gepflügt hat. Immerhin gibt es doch noch so etwas wie einen Rest an Bauern, denen ihr Land etwas bedeutet. Daß man auch natürlichen Dünger beim lokalen Ziegenhirten Idalio Martins holen kann, wissen sie vermutlich nicht. Die Kommunikation, besonders die Telekommunikation zwischen den Generationen und Berufsgruppen hat bisher nicht für eine Verbesserung des miteinanders Sprechens gesorgt. Der Ziegenhirte Idalio Martins aus Salir ist der einzige Algarve Schäfer mit gewerblicher Qualifikation und einer Vision für die Zukunft. Er eröffnete neben seinem Ziegenstall eine sogenannte „leitaria“ – eine heimische Kleinmolkerei für die Milch seiner rund 150 Ziegen. Er schuf dafür drei neue Arbeitsplätze. Dort produziert er den Frischkäse aus der Ziegenmilch und verkauft sie an „Minimercados“ der lokalen Gemeinden. Während die pflügenden Trecker mit dem aufgewühlten Erdstaub die trockene Landschaft in einen feinen Nebel hüllen, stehen am Wegesrand alte verlassene Orangenbäume, von denen die wenigen trockenen Blätter sich noch mit letzter Kraft am Baum halten. Viele von ihnen sind bereits zu Boden gefallen. Das Wasser zum Bewässern wird knapp. Die Vorboten des Klimawandels haben die Algarve im Griff. Die meisten Menschen in ihren klimatisierten Autos, Büros und Apartments merken es noch nicht. Die Hitze von 31 Grad Celsius hängt an einem Freitagmittag gegen Ende Oktober über einer dünn besiedelten Landschaft des Hinterlandes. Die Auswirkungen spüren in erster Linie die Bäume und Pflanzen, die Weidetiere und ein einsamer Fußgänger auf dem Weg nach Osten. Die Touristen an den Stränden der Algarve, 30 km weiter südlich, freuen sich wegen des schönen Wetters. Die Strände der Algarve stehen hoch im Kurs. Im ersten Café des Dorfes bestellt der Fußgänger einen Bica, einen richtig guten Espresso und ein Wasser. Es ist 12 Uhr und er hat sich sein zweites, sein richtiges Frühstück irgendwie verdient…
Ich komme an der Steineiche an, die von Botanikern auf ein Alter von mindestens 600 Jahren geschätzt wird. Und wieder muß ich die Nationalstraße 124, dieses Mal in Benafim, überqueren. Mit Bestürzung nehme ich wahr, daß ein riesiger Ast der Steineiche abgebrochen ist. Ich frage den Nachbarn auf der gegenüberliegenden Straßenseite, der in seinen Garten arbeitet, ob vielleicht ein Blitz eingeschlagen sei, oder was den Bruch veranlaßt haben könnte? Bis auf das Datum und die Uhrzeit, es sei kurz nach Mitternacht geschehen, kann er mir keine Gründe nennen. Der Aufschlag habe ihn an ein Erdbeben erinnert. Er sei aus dem Bett gefallen. Die Behörden des Landkreises Loulé haben daraufhin die anderen Äste der Steineiche mit Stützpfeilern aus Holz abgesichert. Denn fortan wird der Baum nicht mehr im Lot stehen. Es ist der Beginn eines langen Sterbens, den die Trockenheit des Bodens mitveranwortet und die Bedingungen, an einer Landstaße, auf der am Tag viele hundert Autos langfahren, zu stehen. Am Boden liegen tausende von Eicheln. Ich suche mir fünf Eicheln aus, mache eine kurze Rast und bin vor ein Uhr wieder auf meinem Weg nach Osten.
„Gehen, Essen, Schlafen“ heißt das Buch einer Weitwanderin aus Deutschland, die vor mir diesen Weg gegangen ist. Christine Thürmer ging in Sagres los und erreichte das spanische Tarifa und ihr Fußmarsch dauerte ein halbes Jahr und 4.500 km später in Norwegen erreichte sie das Nordkap, vom südwestlichsten Punkt Europas zum südlichsten und dann zum nördlichsten Punkt Europas. Nun, soweit will ich nicht kommen. Mir reicht schon ein Bett mit angenehmer Übernachtung in Salir. Ich habe heute am fünften Tag noch keinen Ort für ein Mittagessen gefunden und ich habe auch keine 50 Euro übrig für ein Einzelzimmer. Ich bitte um externe Hilfe und Stefanie bucht mir ein Bett für müde Wanderer für 15 Euro kurz nach Salir in einer Pension mit dem Namen Casa Nova in Alagoas.
Es gibt Menschen, die brauchen den Extremsport. Vor ein paar Jahren lief jemand in drei Tagen die gesamte Strecke von 300 km der Via Algarviana, beginnend in Alcoutim, an der spanischen Grenze bis zum Südwestkap in knapp 75 Stunden. Ich habe dafür 78 Stunden gebraucht, aufgeteilt auf 14 Tage. Das fand ich für meine Geschwindigkeit ganz angenehm. Reisen braucht die Zeit, um Veränderungen im Leben und in der Landschaft wahrzunehmen. 12 Mal bin ich den alten Vinzensweg, die Via Algarviana allein und auch einmal mit einem Filmtam für meinen Dokumentarfilm „Erben der Revolution“ gegangen. Nie jedoch war es in einem Oktober so heiß wie jetzt. Nie sah ich die ersten Boten des Klimawandels so extrem vor mir und doch waren gleichzeitig noch nie so viele orientierungslose Menschen unterwegs.
Zwei Ehepaare, die mir auf dem ausgschilderten Weg entgegenkommen und die zu einem kurzen Gespräch anhalten, sind jeweils für eine Woche in den Urlaub geflogen. Die einen kommen aus den Niederlanden, die anderen aus Deutschland – natürlich mit dem Flugzeug, in Farogelandet für eine Woche Portugal, wie sonst? Vielleicht mit der Bahn! Sie gehen fünf Tage zu Fuß von Loulé nach Silves und lassen sich danach mit dem Taxi zum Flughafen chauffieren und fliegen wieder nach Hause? Die Klimabilanz einer solchen Reise mit dem Flugzeug ist verheerend. Man könnte doch auch zuhause ein paar Tage zu Fuß unterwegs sein, oder nicht? Warum klimafreundlich zu Fuß gehen und gleichzeitig klimafeindlich fliegen? Mit der Bahn anzureisen würde bedeuten, nur fünf Prozent der CO2 Emissionen im Vergleich zum Fliegen mit zu verantworten. Ob etwas mit der Orientirung der Menschheit nicht stimmt? Woran denkt der Mensch, wenn er versucht, nicht an die globale Erwärmung zu denken?
Kurz vor Salir
Es ist Nachmittag geworden und ich stolpere über einen Weg, der übersät ist mit spitzen Steinen, die aus der harten Erde des Weges herausragen. Die einzige Tankstelle zwischen EN124 und dem Zubringer zur EN270 lasse ich hinter mir und dann biege ich links in einen Feldweg ein. Ich gehe wieder nach Osten immer geradeaus und über lehmhaltigen Boden. Hier hortet jemand Wasser für seine Monokulturen aus Orangenbäumen. Versteckt hinter einem hohen Zaun und einem Steinwall kann ich doch einen Blick auf die vielen Bäume und den künstlich angelegten See erhaschen.
Der Boden mit seinem Lehm ist so schwer, daß ich immer noch fühle, ihn an meinen Schuhen kleben zu haben. Doch dieses Gefühl trügt. Ich gehe über eine Erde, die seit Monaten keinen Regen mehr gesehen hat, die steinhart ist. Aber zehn Jahre zurück, ging ich diese Strecke schon einmal und es regenete 12 Tage lang. Ich war naß wie ein Pudel naß sein kann, wenn es regnet. Alle paar Minuten nahm ich mein Taschenmesser und schnitt mir den klebrigen Lehm von der Sohle meiner Wanderschuhe, sonst wäre ich den Berg wieder hinuntergerutscht. Was willst Du Wanderer, fragt mein zweites Ich, du bist doch bisher gut gegangen und du kennst den Weg wie deine Westentasche. Jetzt geht es links ab und den Berg hinunter. Als ich im Jetzt und hier gehe, ist es mir, als käme ich mir selbst entgegen. Ich erinnere mich noch, daß ich steil bergauf ging und nun geht es steil bergab. Die rot-weiße Markierung flüstert mir ins Ohr, daß ich nun rechts vom Feldweg abbiegen müßte und ich ende in einem kleinen Wäldchen, in dem Bäume gefällt wurden und mir nun den Weg versperren. Das Ende? Was für Gartenzwerge haben hier den Weg ummarkiert? Wegelagerer, wo seid Ihr? Träume ich oder bin ich noch nicht ganz wach? Ich achte sehr darauf, hier nicht zu fallen. Ein Stein unter der Sohle und ich rolle mitsamt dem Rucksack den ganzen Berg hinunter. Nein, ich werde jetzt nicht stolpern und auch nicht fallen und werde auch nicht von Robin Hood in eine Falle gelockt. Ich gehe den Weg zurück bis zur letzten Markierung und wieder vor bis zu den gefällten Bäumen und weiß, daß ich Fußgänger hier eine eigene Entscheidung treffen muß, weil die Wegweiser mich in die Irre leiten. Ich komme vom Cerro runter und will nach Pena und von dort rechts vor mir über Calçada nach Almarginho.
Das ist sie, die wunderschöne alte Algarve mit jahrhunderte altem Baumbestand und Menschen, deren freie Zeit eine noch tiefere Bedeutung hat. Die rot-weißen Markierungen bleiben aus, andere tauchen aus dem Nichts auf und zeigen mir den Weg zurück zum Cerro hoch und ich gehe ab jetzt einen Weg, den ich für meinen eigenen Weg und als den richtigen Pfad definiere. Flüche auf den Lippen, ich wünsche den Verein Almargem zum Teufel, so eine Ausschilderung ist doch nur noch zum Fluchen. Stop. Ich mache eine Pause und esse eine Orange und eine Banane und beruhige mich. Vielleicht hat hier irgendein Zwerg mit den Markierungen auf Holzpfosten und auf Steinen herumgespielt und sie einfach andersherum wieder aufgestellt? Solche Zwerge soll es manchmal geben. Vielleicht filmen sie mich gerade mit versteckter Kamera? Ich will auf jeden Fall heute noch nach Salir kommen und werde Salir erreichen, koste es, was es wolle, selbst wenn mich jemand in die entgegengesetzte Richtung schicken würde, werde ich meinen eigenen Weg gehen. Für mich sind ab jetzt diese rot-weißen Markierungen ohne Bedeutung. Sie verlieren gerade ihre Wichtigkeit.
Ich erreiche mit Leichtigkeit den Teerweg und jetzt stimmen die Markirungen auf einmal wieder. Ich bin zurück in der Zivilisation und stehe auf dem Flecken Calçada und keine 50 Meter später bin ich bereits in Cerro de Cima und weiter geht es nach Serro de Baixo und dann stehe ich auf einmal in Almarginho. Menschen ruhen sich nach dem Tagewerk auf Bänken vor den Häusern aus. Hier gibt es noch keinen Streß. Ich bin überwältigt von meinen Freunden, den Bäumen, rechts und links des Weges. Und auf einmal wohnt in fast jedem Haus wieder ein Mensch. Hier und da ein Traktor, dort eine Landmaschine und Hühner, die auch den Wanderweg benutzen und Hunde hinter Zäunen und Mauern, die mich neugierig kläffend ankündigen. Diese alten Bäume müssen hier schon hunderte von Jahren stehen. Sie riechen jedenfalls so, modrig feucht. Sie haben ja keine Beine und man kann sie auch schlecht von der einen Seite der Straße auf die andere schieben. Sie tun so, als hätten sie nur auf mich gewartet. Walnüsse fallen auf den Boden. Wenn Schönheit weh täte, hier lohnte es sich zu schreien, vor Schmerz und vor Freude, denn ich traue meinen Augen nicht, so schrumpelig ist die Rinde. Elefantenhaut, die mich begrüßt. Ich gehe, drehe mich um, gehe rückwärts und wieder vorwärts und sammele meine Eicheln und Nüsse vom Boden auf. Wenn es auf den ganzen Weg so schön zuginge! Wenn die Menschen doch in Eintracht mit allen anderen Geschöpfen der Natur in Frieden zusammenleben könnten! Hier käme keiner auf die Idee, mit einer Motorsäge einen dieser alten Bäume zu fällen.
Ich erreiche die Fonte Figueira und die schönsten Granatäpfel, die ich auf diesem Fußweg zu sehen und zu essen bekomme. Eine Frucht liegt mir zu Füßen. Sie ist auf den Weg gefallen. Ich schieße ein Foto als Beweis, daß ich immer noch in der Wirklichkeit unterwegs bin und diese ist eine andere als jene, in der nur das Geld zählt und so das Leben dominiert und die Natur darunter zu Grunde geht. Die Quelle am Feigenbaum, wie die Muselmanen diese alte maurische Enklave einmal genannt haben, hält auch den ersten intakten maurischen Brunnen für mich bereit. In diesem aktiven Museum für Landwirtschaft, das vor mehr als tausend Jahren bereits den Stellenwert hatte, der den Menschen heilig war, einem Boden mit guter schwarzer Muttererde und immer noch viel Wasser im Herbst, was natürlich relativ ist, aber immerhin genug, um die offenen Tanks randvoll zu füllen. Mir ist, als müßte ich den Rucksack abwerfen und ein Bad nehmen und in eines der vielen Becken mit Wasser hineinspringen. Es ist dieser wirklich magische Moment einer Wanderung. Denn Wasser gibt es nur noch dort, wo vorsichtig und achtsam damit umgegangen wird…
Gott sein Dank kommt gerade ein Auto mit zwei Nonnen vorbei und ich unterlasse das Bad. Ich drehe mich um, und marschiere den Weg brav hinauf nach Salir, suche nach einem Mittagessen um vier Uhr nachmittags, was aussichtslos scheint und treffe den Senhor Igor in einem Restaurant. Welche Überraschung der Tag für mich bereithält, ahnte ich nicht.
Hinterher kann man ja immer sagen, der Igor, dem ich über den Weg laufe, hat mir eine Kohlsuppe auf den Tisch gestellt und eine Flasche Fruchtsaft und überhaupt, etwas Fleischloses zu essen. Hier bekomme ich auch einen Frischkäse aus Idalio Martins Molkerei von seiner Ziegenmilch, ökologisch wertvoll. Wenn mir morgens jemand gesagt hätte, ich würde einen lieben Menschen wiederteffen, den ich jahrelang nicht gesehen habe, da hätte ich mir den ganzen Tag darüber den Kopf zerbrochen, wer das sein könnte.
Igor ist mein ehemals langjähriger Kollege bei der Wochenzeitung, die ich 15 Jahre lang leitete und nun ist er hier und kocht und bedient und wird zum der Held meines fünften Wandertages. Jetzt kann nichts mehr schief gehen. Die Überraschung ist gelungen. Die rotweißen Wegweiser dürfen stehen wie sie wollen. Sie können mich zum Mond geleiten oder zur Venus, von mir aus auch zum Mars. Ich setze mich auf einen freien Platz. Es ist vier Uhr nachmittags und ich bekomme ein Mittagessen, zu dem ich auch noch eingeladen werde. Da sitze ich mit offenem Mund. Mir fehlen die Worte. Ich nehme meinen Hut ab und lege in auf den freien Stuhl neben mir. Und es wird sogar einen süßen Reis mit Zimt zum Nachtisch geben. Vor vielen Jahren schon hatte ich Igor in mein Herz geschlossen. Er stammt von den Kapverdischen Inseln, genauer gesagt von der Insel Santo Antão. In Lissabon hat er die deutsche Sprache studiert und bei unserer Zeitung begann er als Übersetzer. Aus Afrika, hatte er mir von seiner Insel, einmal drei Kaffeebohnen mitgebracht, mir diese in die Hand gedrückt und mich gefragt, ob ich daraus drei Kaffeebäume in Monchique pflanzen könne. Jetzt serviert er mir seinen Kaffee aus einer Kaffeemaschine. Ich befinde mich in Salir und im Restaurant „A Vila“. Ich bin nicht der einzige Wanderer, der hier vorbeikommt. Es sei alles nur eine Frage er Zeit, sagt mir Igor und grinst. Er hatte mich schon lange erwartet.
Kurz nach Salir
Wer eine Übernachtung in Salir sucht, geht entweder ins Casa da Mãe oder geht knapp vier Kilometer weiter bis ins Vale das Alagoas zum Casa Nova von Dona Margarita und Senhor João, das genau auf der Strecke östlich von Salir liegt. Um nach Cortelha und Baranco do Velho hoch zu wandern, kommt man automatisch an den Beiden vorbei. Wer ein Zelt dabei hat, findet hier den einzigen legalen Platz auf der gesamten Strecke. Aber es gibt auch ein Holzhaus und ein Gästehaus. Ich habe die Wahl und gehe von Salir aus durch die wilden Vorgärten des Dorfes. Der Weg führt auf engen Hohlwegen aus dem Dorf heraus. Schöne Wege, die schönsten Wege der gesamten Via Algarviana, eng und wild, hinter jeder Kurve eine andere Überraschung erwartend. Wieder treffe ich auf jahrhundertealte Baumkulturen, knorpelige Johannisbäume, Olivenhaine, Steineichen mit armdicken Wurzeln im Boden und ich sammele Eicheln und Samen dieser vielen Bäume ein, bis ich fünf Kilo zusammen habe, um sie später in Caldas de Monchique im neuen Botanischen Garten in die Erde zu setzen. Ich bin angekommen und entdecke die vergessene botanische Vielfalt in und um Salir, das alte, maurische Erbe der Algarve. Meine Taschen sind in der Zwischenzeit so voll, daß ich kaum noch Platz finde. Am grünen Tor des Casa Nova klingele ich und ich werde herzlich begrüßt. Das Tor steht dem Wanderer weit geöffnet.