Samstag, der 18. Februar 2023.
Nestle, Unilever, Procter & Gamble. Das ist die Reihenfolge bei der Verschmutzung unserer Welt mit Plastik. Wissen Sie, was mit dem Plastik geschieht, das Sie und ich am ECO-Ponto ins Müllrecycling geben? Ja? Nein?
Das Theaterstück „Alice im Wunderland des Mülls“ (Alice no País do Lixo) wird in diesen Tagen von der Theatergruppe AORCA in Lagos auf die Bühne gebracht und beschäftigt sich als Tanztheater mit dem Thema des Müllrecyclings.
Ich habe mir am letzten Dienstag die Generalprobe angeschaut, denn ohne Generalprobe keine Rezension. Also habe ich mich eingeladen, bekam aber das Gefühl vermittelt, daß man sich gar nicht so gern bei der Arbeit zugucken lassen möchte. ECO123 war die einzige Publikation vor Ort und als wir für diese Rezension Fotos machen wollten, wurde das mit der Begründung untersagt, daß die Schauspieler in Straßenkleidung spielen…
Und woraus besteht nun Plastikmüll? Zu einem Großteil aus Rohöl. Wer sich mit Müll beschäftigt, braucht eine gewisse thematische Vorbildung. Deshalb habe ich mir noch einmal den Dokumentarfilm „Die Recycling-Lüge“ angeschaut, der immerhin 115 Minuten lang und inzwischen auf Youtube zu finden ist. Erstmals ausgestrahlt wurde er im öffentlich-rechtlichen Fernsehen in Deutschland. Produziert wurde er vom WDR/NDR für die ARD. Regie führte Carsten Störmer. Das war am 19. Oktober 2022. Der Film ist also noch gar nicht so alt.
Diesen Film sollte sich die brasilianische Choreografin Maria Clara Villa-Lobos auch angeschaut haben, denn sie lebt in Brüssel und hat Zugang zur ARD. Sie ist diejenige, die in Lagos mit AORCA die Adapation auf die Bühne bringt: am Donnerstag und Freitag nach Karneval – also am 23. und 24. Februar um 10.30 Uhr und 15.30 Uhr im Centro Cultural und am Samstag, um 16 Uhr, in Lagos, wohlgemerkt. Nicht verpassen.
Klar ist inzwischen, daß Plastik nicht gleich Plastik ist. Man kann es nicht so einfach recyceln. Denn ein Trinkbecher vom Yoghurt läßt sich nicht mit der Plastikflasche eines Waschmittels zusammen wiederverwerten. Allenfalls läßt sich Plastik downcyceln: zu Blumentöpfen, zu Bahnschwellen, zu Wegweisern. Damit erschöpft sich auch schon die Idee des Wiederverwertens. Plastik brennt gut und mit Hitze läßt sich eine Turbine antreiben und daraus wiederum Elektrizität gewinnen. „Bevor Plastik in den Hochofen wandert und verbrannt wird, stinkt es“, sagt Sascha Schuh ein Downcycler von der Firma Ascon Resource Management im Film.
Zurück nach Lagos. Auf der Bühne liegt viel Müll. Die Tänzer und Schauspieler räkeln sich darin. Alice, die ein einsames, achtjähriges Mädchen spielt, konsumiert und wirft ihre Spielsachen weg, denn irgendwann wird die Welt des Benutztwerdens langweilig. Sie will einen echten Hund haben. Haben wollen, statt zu Sein, kann zu nichts anderem führen, als zu kaufen, konsumieren und kaputtmachen. Sie bekommt Plüschtiere. Danach kommt das Wegwerfen. Ähnlich geht es den Milch- und Yoghurtverpackungen, den farbigen Saftverpackungen, den Plastiktüten u.s.w. aus Polyethylen. Das alles läßt sich nicht gemeinsam recyceln, was aber die Schauspieler (mir) dem Publikum sugerieren. Was ist mit Müllvermeidung? Das Gleiche machen auch Nestle, Unilever und Procter & Gamble. Sie sagen, nicht das Plastik sei das Problem, sondern der Umgang mit der Materie. Dabei verschweigen sie, daß es technich unmöglich ist, unterschiedliches Plastik, sogar unterschiedliche Farben, so zu recyceln, daß etwas dabei herauskommt, was ein Produzent wiederverwerten könnte. Das Tanztheaterstück spielt an der Realität vorbei. Dabei sollte Maria Clara Villa-Lobos es besser wissen. Denn wer ein Theaterstück adaptiert, sollte mit einer authentischen Recherche des Inhalts beginnen. Besonders bei Kindern.
Und um die eingangs gestellte Frage zu beantworten: das von uns am Ecoponto weggeworfene Plastik wird gesammelt, zu Ballen zusammengebunden und dann verschifft, zum Beispiel nach China, oder in die Türkei, nach Indonesien oder sonst wohin, denn Müll ist zu einer Ware geworden, mit der viel Geld verdient wird, ähnlich wie mit Prostitution oder Menschenhandel. Der Kollege der ARD hatte an seinem eigenen Müllbeutel einen Peilsender angebracht und so herausfinden können, wo sei Plastik „recycelt“ oh pardon, wohin es verschifft und weggeworfen wird und er arbeitete mit versteckter Kamera und reiste seinem eigenem Müll hinterher.
„Alice im Wunderland des Mülls“ (Alice no País do Lixo) Dossier PDF