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Wie heilen wir unsere Beziehung zur Natur? Zweiter Teil

Samstag, der 16. November 2024.

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Antwort: Indem wir erstens nicht mehr an wenig effizienten UNO-Klimakonferenzen teilnehmen, wie jener, die zur Zeit in Baku, Aserbaidschan stattfindet (COP 29). Nicht mehr fliegen, ja grundsätzlich nicht mehr fliegen einerseits* – und andererseits, an sinnvollen Orten systematisch neue, junge Bäume pflanzen. Die Biologin Sonia Soares (siehe Foto) aus Algoz hat das in der vergangenen Woche Freitag praktiziert: mit Kindern der Schulgruppe Silves Süd in Algoz, in der Schule EB 2/3. Einerseits den CO2-Fußabdruck verringern und weniger Kerosin verbrennen und andererseits das bereits in der Atmosphäre befindende CO2 in Sauerstoff umwandeln lassen durch einen neu gepflanzten Miyawaki-Wald**. So ließe sich die Klimakrise langfristig lösen, Baum für Baum. Unterstützt wurde die Baumpflanzung vom Rotary-Club, vom Rathaus in Silves und der Gemeindeverwaltung in Algoz: 300 Bäume und Büsche, 31 Baum- und Pflanzenarten. Wenn jede Woche ein Miyawaki-Wald an der Algarve gepflanzt würde, könnten auf diese Weise CO2 Emissionen im Tourismus kompensiert werden.

Behutsam agieren und achtsam Entscheidungen treffen. Und hinzu kommt, dass jede Entscheidung auf den Prüfstand kommt. Was bringt uns eine Klimakonferenz? Und andererseits, was bringt uns ein neu gepflanzter Miyawaki-Wald in der Zukunft? ECO123 ist elektrisiert und immer ganz wach, wenn es Projekte gibt, die unser Leben auf diesem Planeten noch ein wenig verlängern, so lange das noch funktioniert. Denn Bäume pflanzen ist immer auch ein Spiel mit einer großen Unbekannten: wie viel Bewässerung bleibt uns noch für den nachhaltig gepflanzten Mischwald? Und wie heiß wird es noch in den kommenden Jahren? Drei Grad, vier Grad oder sechs Grad oder noch heißer?

Szenenwechsel. Wenn ich nicht schlafe und wach bin, kann ich durchaus ein scharfer Beobachter sein. Das bringt mein Job mit sich. Ich kann so tun, als wenn ich schlafe, aber meine Ohren hören immer genau zu und meine Nase riecht ganz genau und manchmal öffne ich ein Auge, wenn es sich nicht vermeiden lässt. Dann ist da etwas, was mich interessiert und es wird vielleicht spannend. Ich schaue oft Bäumen beim Wachsen zu. Im wirklichen Leben schließe ich meine Augen nur, damit meine Nase riechen und meine Ohren besser hören können. Denn nachts möchte ich von keinem Waldbrand überrascht werden. Ich habe auf diese Weise fünf Waldbrände überlebt: mit offenen Ohren schlafen und den Rauch riechen, bevor das Feuer einen überrascht. So viel zum Hintergrund dieser Geschichte.

Ich pflanzte im vergangenen Jahr mit einer ECO123-Leserin aus Loulé zusammen eine Eiche hier in Monchique in unserem Botanischen Garten. Das ist an sich noch nichts besonderes. Da es aber schon etwas spät im Jahr war, suchte ich der Eiche einen ganz besonderen Platz nahe am Wasser. Bäume müssen in der Regenzeit des Winters gepflanzt werden, am Besten zwischen November und März. Warum? Wenn ich einem Menschen in der Stadt diese Frage stelle, ernte ich nur Schulterzucken. Das Wissen um die Bäume und Wälder scheint verloren gegangen zu sein. Deswegen lebe und arbeite ich gern in unserem Waldgarten hier im Gebirge.

* https://taz.de/Mit-dem-Rad-zur-Klimakonferenz-in-Baku/!6047878/

** Der japanische Botaniker Akira Miyawaki lebte von 1928 bis 2021. Nach ihm wurde diese Waldart benannt. Akira Miyawaki ist der Vorreiter kleiner Wälder auf einer Fläche von bis zu 200 m².

Wissen Sie eigentlich, warum Bäume in der Regenzeit gepflanzt werden?Schreiben Sie an theobald.tiger8550@gmail.com und gewinnen Sie einen geführten Besuch mit der Pflanzung eines jungen Baumes im ECO123 Waldgarten.

Die Abonnentin wollte unbedingt diesen Baum pflanzen es war aber mittlerweile schon Mai. Erstens suchte ich einen starken Baum als Setzling. Dann suchte ich dem Baum einen sicheren Platz, ganz in der Nähe der Wassermine und unseres Wassertanks im Botanischen Garten. Die Wurzeln der Eiche würden ganz bestimmt zum Wasser finden und es war gutes Wasser und guter Boden, reichhaltig an Nährstoffen: terra preta. Und dem Tank und der Mine könnte die Eiche später einmal, wenn sie erwachsen geworden ist, Schatten spenden…

Die Pflanzung ging in etwa so, als wenn ich ein Fußballspiel besuche und statt einen Stehplatz in der Kurve des Stadions auszusuchen, fand ich einen Logenplatz auf der Tribüne. Wichtig ist immer der gut ausgesuchte Platz der Pflanzung eines Baumes.

Jetzt, nach eineinhalb Jahren, ist die Eiche schon 30 Zentimeter gewachsen. 30 Zentimeter in eineinhalb Jahren! Eichen sind langsam wachsende Bäume, sehr genügsam. Und damit sie weder Hunger noch Durst leiden musste, hatte ich sie anfangs zweimal die Woche besucht und mit der Gießkanne bewässert und mit Mulch versorgt. Dann, im ersten Herbst und durch den Winter hindurch, bekam sie kein Wasser mehr. In diesem Sommer goss ich sie noch einmal im Monat. In der Zeit der Dürre war das notwendig. Langsam kommt sie in ein Alter, in der sie „die Nuckelflasche“ nicht mehr braucht und in die Pubertät kommt. Ich habe sie vor ein paar Tagen wieder besucht und die stacheligen Brombeeren und das Gras um sie herum gerodet und den Boden, die Erde mit dem Mulch aufgelockert. So hat sie Platz und kann gut atmen und weiterwachsen. Ich werde sie weiterhin begleiten und nach ihr sehen, wenn ich kann. Sonst übernimmt es ein andere Mitglied unserer Genossenschaft.

Dann fand ich mehrere invasive Akazien, die sich in ihrer Nähe eingenistet hatten und schon nach fünf Monaten so groß waren wie die Eiche nach eineinhalb Jahren. Wir eliminieren Invasoren und akzeptieren nur einheimische Baumarten. Bei uns entsteht ein heimischer Waldgarten mit Bäumen, die uns mit ihren Früchten auch ernähren. Invasive Akazien und Mimosen haben keinen Platz bei uns. Dafür aber Olivenbäume, Pfirsich- und Mandelbäume, Johannisbrot- und Aprikosenbäume – aber auch Eschen, Erlen, Eichen und Linden – neben Medronheiro und vielen einheimischen Pflanzen, z.B. die wilde Orchidee.

Übrigens kommuniziere ich mit der Eiche, auch mit vielen anderen Bäumen. Denn sie kommunizieren mit mir. Wer ein Bäumchen pflanzt und es hegt und pflegt, weiß genau, was ich mit Kommunikation meine. Ein Beispiel: sie geben ihrem neu gepflanzten Freund eine Gießkanne Wasser und er bedankt sich bei ihnen mit einem Duftstoff. Wir denken bei Kommunikation immer an „miteinander sprechen“ Aber als Ausländer in Portugal, der Portugiesisch erst lernen musste, brauchte es seine Zeit, bis ich mitreden konnte. In der Zeit des Lernens musste ich mich anderweitig verständigen. Bäume haben keinen Mund und keine Stimme, keine Beine und keine Füße zum Weglaufen. Dort, wo sie einmal gepflanzt werden, müssen sie ein ganzes Baumleben lang stehenbleiben. Deswegen muß der Platz gut für den Baum ausgesucht sein. Er braucht Sonne, aber nicht zu viel und Wind mag er erst, wenn er erwachsen geworden ist. Bäume mögen den Regen und gute Erde und lieben das Miteinander. Deswegen ist die Lösung in jedwedem Fall ein Miyawaki-Wald. Sonia Soares hat es geschafft, Lehrer und Schüler zu motivieren. Sie hat es geschafft, finanzielle Mittel zu organisieren, die nicht vom Staat vergeben werden, sondern von einem Verein, wie Rotary. Wenn sie jetzt noch die kontinuierliche Bewässerung der kleinen Bäume organisiert bekommt, werden in den kommenden 20 Jahren die vielen kleinen Bäume zu einem Wald heranwachsen, der gemeinsam mit den Jugendlichen gemeinsam wächst.

Denn wer Bäume pflanzt, sollte wissen, welche Baumart  bevorzugt wird und warum und wo. Und Bäume sollten die ersten drei bis fünf Jahre immer begleitet werden und nicht allein herumstehen. Denn Bäume sind soziale Wesen. Das sagte mir vor kurzem Suzanne Simard aus Vancouver, (Kanada) als ich mit ihr ein Interview per ZOOM machte. Ich habe einen kleinen Versuch  der Professorin interpretiert, welchen sie in ihrem jüngsten Buch, „Den Mutterbaum finden“ beschreibt… (https://suzannesimard.com/finding-the-mother-tree-book/)

Auf einem Platz in unserem Botanischen Garten, in der Nähe einer Quelle, steht eine 300-jährige Korkeiche, die beim Waldbrand vom August 2018 völlig verbrannte. Schwarz steht sie da und wird langsam gesund. Mindestens dreimal die Woche gehe an ihr vorbei. Dann schaue ich sie mir an und grüße sie. Ich schäle den Kork bei Korkeichen grundsätzlich nicht ab und ich verdiene damit auch kein Geld. Eine drei bis vier Meter hohe Feuerwalze zog 2018 durch den Wald und zerstörte die Hälfte aller Bäume. Jetzt hat die verbrannte Korkeiche einen Sprinkler bekommen, der sie bei einem nächsten Waldbrand vor dem Feuer schützen wird. Der Klimawandel und die intensiven Waldbrände gibt es nur dort, wo der Mensch in den Naturkreislauf eingegriffen hat und fremde Monokulturen gepflanzt oder gefördert hat. Eukalyptus ist so eine fremde australische Baumart, die nur aus kommerziellen Gründen in Monchique gepflanzt und staatlich gefördert wird. Ich habe miterlebt, wie der Mischwald, bevor der Siegeszug des Eukalyptus in Monchique stattgefunden hat, aussah. Es gab viele sprudelnde Quellen und die Bäche waren voll mit Wasser. Die Böden waren feucht und heute, 40 Jahre später, sind sie trocken. Wer mehr als 50% seiner Waldfläche mit Monokulturen von Eukalyptus bepflanzt, darf sich nicht wundern, wenn der Boden langsam und kontinuierlich austrocknet, Quellen versiegen und Bäche trocken fallen.

Doch zurück zur heimischen Korkeiche. Man sollte Korkeichen unbedingt nach einem Waldbrand in Ruhe lassen. Sehr oft haben sie die Kraft und kommen zurück ins Leben. Das ist wie mit Katzen. Die haben sieben Leben und Korkeichen sind ähnlich zäh. Der Kork schützt den Baum gegen Waldbrände. Und wer wie diese Korkeiche, eine sehr dicke (ungeschälte) Elefantenhaut besitzt, könnte darunter noch völlig intakt sein. Suzanne Simard schreibt in ihrem Buch „Finding the Mothertree“ von starken Bäumen, die kleine, zurückgebliebene oder kranke Bäume adoptieren und mit Nahrung versorgen. Und genau das wollte ich testen. Also pflanzte ich ganz am Ende eines Astes der Korkeiche ein Jahr zuvor, 2017, einen selbstgezogenen Avocadobäumchen. Und ich schwor mir, diesen Baum auf keinen Fall zu bewässern, denn Avocadobäume brauchen ähnlich viel Wasser wie Eukalyptus. Also keinen Tropfen Wasser für diesen Avocadobaum verschwenden, das war die eine Seite meines Versuches.  Die andere Seite sah ich nach dem Feuer.

Dieser junge Avocadobaum verbrannte im Feuer im darauffolgendem Jahr und ich hatte ihn schon abgeschrieben, da kamen auf einmal zwei neue Stengel aus der Erde gesprossen und sind jetzt nach sechs Jahren zwei Meter groß. Und ich habe ihn sechs Jahre lang nicht gewässert, sondern ihn einfach in seinem Wachstum „viel Glück“ gewünscht.

Unter den Ästen der Eiche hat sich auch ein Olivenbaum selbst ausgesät und auch der partizipiert und kommuniziert mit der alten Korkeiche. Nennen wir sie den Mutterbaum, so wie die Botanikerin Suzanne Simard ihn in ihrem Buch beschreibt. Auch die Olive wurde von der 300-jährigen Korkeiche adoptiert und versorgt diese nun mit Nahrung, wie eine Mutter. Tatsache ist, daß die 300 Jahre alte Korkeiche nach dem ersten Regen wieder Blätter bekam, das Feuer hat sie stark verwundet. Trotzdem gibt sie, was sie kann und es reicht sogar für zwei Bäumchen…

Soviel zum Thema Kommunikation unter Bäumen. Ziehen Sie mal einen jungen Avocadobaum oder eine Mangopflanze in einem großen Glas mit Wasser auf. Stellen Sie den Kern einfach aufs Fensterbrett und somit auf die Sonnenseite ihrer Küche, nach Süden. Bäume ernähren sich über die Wurzeln und weil wir Menschen nicht sehen, was unter der Erde passiert, sind wir dafür blind. Im Wasserglas aber können wir das Wurzelwerk ganz entspannt und transparent beobachten: tagelang, über Wochen und sogar über Monate. Ich beobachte meine kleinen Bäume, wie sie trinken. Nach und nach gebe ich ihnen neues oder frisches Wasser. Wir sollten uns immer ein wenig weiterbilden und uns die Zeit und die Geduld nehmen, den Blick vom Smartphone in den realen Wald zu wagen, auch wenn wir auf den ersten Blick den Wald vor lauter Bäumen nicht sehen. Wenn wir beginnen zu erfahren, wie Bäume kommunizieren, werden Wälder in uns zu einer echten Bereicherung. Dann werden wir mit einem geschärften Blick und scharfen Sinnen, einen Mischwald lieben lernen und die Natur um uns herum kennen. Denn wir haben auch noch viele andere Baum- und Tierarten hier in Monchique. Es kommt auf jeden Versuch an. Pflanzen Sie mal eine Eichel in einen Blumentopf mit Humuserde, oder eine Walnuss oder eine Kastanie. Dann werden Sie verstehen, warum ich eine Baumpflanzung dem Gerede auf Klimakonferenzen bevorzuge. Lassen Sie sich überraschen…

Fortsetzung nächste Woche…

Uwe Heitkamp (64)

ausgebildeter Fernsehjournalist, Buchautor und Hobby-Botaniker, Vater zweier erwachsener Kinder, kennt sei 30 Jahren Portugal, Gründer von ECO123.Translations: Dina Adão, John Elliot,  Patrícia Lara
Photos:
Uwe Heitkamp

 

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