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Etwas zurückgeben.

Die Welt im besseren Zustand verlassen, als man sie vorgefunden hat.

Neulich fragte mich eine Frau aus einer kleinen Besuchergruppe, warum ich mir das alles antue. Ich entgegnete ihr, dass ich noch zu meinen Lebzeiten etwas zurückzugeben hätte. Ich bin Journalist und habe in den vielen Jahren meines Berufslebens, soviel Bäume zu Papier verarbeiten sehen und mit jeder Seite Papier wird mir bewusst, dass Papier einmal ein Baum war, zumeist ein Eukalyptusbaum. Dass ich jetzt Bäume pflanzen werde, bis an mein Lebensende, ist da doch nur logisch, oder? Das war – um es einzuordnen – bei einem Samstagmorgen- Spaziergang durch den beginnenden Botanischen Waldgarten von Caldas de Monchique (Portugal), in Esgravatadouro, diesem Wort, das man kaum aussprechen – geschweige denn auch schreiben kann, einem Botanischen Garten, einem Waldgarten, der langsam Gestalt annimmt. Samstags um 10 Uhr ist Besuchszeit. Es war an einem dieser schönen sonnigen Wintertage nach einer Woche Regen. Man ist ja schon froh, wenn es nicht 57 Tage in einem durchregnet, wie im Winter 1997, sondern immerhin nur eine Woche mit einigen Pausen mittendrin. Regen ist ja so wichtig geworden, denn ohne ihn ist alles nichts. Ich freue mich über jeden Tropfen Wasser…

Wir gingen an einer kleinen Magnolie vorbei, immer am Bach entlang, in dem das Wasser zu Tal fließt und so sollte es sein. Denn es kommt mittlerweile im Sommer vor, daß da gar nichts mehr fließt, oder aber mit Glück sehr wenig Wasser. Ich hatte einen Stock dabei, auf den ich mich stützen konnte, der mir Halt gab und ich erklärte dieser kleinen Gruppe, daß wir hier sehr bald, wenn wir das Geld zusammenkriegen, ein Handgeländer anbringen werden, wie bei einer Treppe, daß niemand mehr befürchten muß, auszurutschen und hinzufallen. Denn der Botanische Garten Esgravatadouro ist ein Barranco, in den seine früheren Besitzer jeden Tag mit ihrem Esel hinabstiegen und traditionelle Landwirtschaft betrieben. Abends, nach getaner Arbeit, stiegen sie dann wieder mit dem Esel aus dem Tal hinauf zu ihrem Haus, beladen mit frischen Lebensmitteln.

Traditionelle Landwirtschaft? Was ist das? Ein Beispiel. Einer will gute Kartoffeln essen, oder frisches Gemüse? Dann setze eine Kartoffel in eine Furche und lasse das Pflänzchen wachsen. Man kann dabei zuschauen, wer die Muße besitzt. Ich habe noch keine Geduld dafür. Ich lasse mich überraschen. Bei der späteren Ernte bin ich immer neugierig, was aus dieser einen Kartoffel in der Erde geworden ist? Fünf Kartoffeln oder doch nur drei oder sogar sechs oder sieben oder vielleicht gar nichts. Das ist wie mit einer Investition. Du setzt Geld auf ein Pferd und das Pferd beginnt zu laufen. Wenn es als Erstes durch das Ziel galoppiert, hast du gewonnen, sonst aber ist dein Einsatz verloren. Oder du trägst dein Geld auf die Bank und die Bank wird durch dich reich. Wenn einer Glück hat, hat er in die richtige Aktie investiert. So ist das auch in der Landwirtschaft. Investieren zum Guten, um die Bodenqualität zu verbessern. Am Besten beginnen wir mit einer nativen Baumpflanzung: einer guten Investition in die Natur.

Ich wollte sehen, was aus meiner wunderbaren kleinen Schirmpinie, die ich vor drei Jahren hier ausgepflanzt habe, in der Zwischenzeit geworden ist. Sie geht mir mittlerweile bis zur Hüfte, sieht gut aus und wächst beständig, umgeben von Unkraut. Unkraut ist Schopflavendel, Zistrose und in einem Monat auch die wilde Orchidee, die dann ab Ende März blüht. Vorher, jetzt im Winter, schlafen die meisten Pflänzchen noch. Und auch die ersten kleinen Bäume schlummern noch vor sich hin. Der Botanische Waldgarten ist in einer Phase des Aufbaus und braucht noch ein paar Jahre, bis sich die Bäume als Bäume darstellen. Das braucht Zeit und Geduld und ein grünes Händchen. Das alles wird mittlerweile von einem Sprinkler-System geschützt. Wozu braucht man ein Sprinkler-System? Um einen Botanischen Garten, einen Wald zu schützen? Und überhaupt, wofür braucht man in Monchique einen Botanischen Garten? Auch das fragen mich Menschen – und nicht nur aus Besuchergruppen.

Ich wüsste sofort eine Antwort darauf. Wir brauchen ein lebendiges Museum, um die Zerstörungen an der Natur zu dokumentieren. Ich bin wenig konservativ und noch weniger sozialistisch veranlagt. Warum? Weil in meinem Landkreis (und nicht nur hier) kein Unterschied zwischen sozialistischer und konservativer Politikmache besteht. Beide Parteien an der Regierung, zerstören beide gleichermaßen diese Welt, in die wir hineingeboren wurden und in der wir zu leben haben. Die Lizenz, um Eukalyptus in Form von Monokulturen anzupflanzen, ist eine Lizenz, um Geld zu drucken. Aber wofür und warum, wenn man doch weiss, dass Eukalyptus schädlich für die Natur ist. Zerstörungen in Form von Waldbränden sind das Resultat. Alle paar Jahre brennt es in Monchique. In einem großen Umkreis des zukünftigen Botanischen Gartens stehen industrielle Eukalyptusplantagen, die Waldbrände begünstigen und ich dachte mir, da wäre es gut, den Menschen zu zeigen, dass Wald auch Vielfalt bedeuten kann. Eine Korkeiche, ein Johannisbrotbaum, eine Monchique-Eiche, eine Weide, eine Ulme, die ich hier pflanzte, sie sind alle gut angewachsen und wenn sie fünf Jahre durchgehalten haben, bekommen sie in kleines Schild, auf dem dann stehen wird, wie sie heißen, und wer sie gepflanzt hat. Denn man kann auch eine Patenschaft für einen Baum übernehmen. Ein Honorarkonsul aus Lagos pflanzte am 30. Dezember 2018 eine Eiche und ganz langsam wächst diese Eiche vor sich hin. Die über hundert Jahre alten Medronhobäume sind ein gutes Beispiel, über das meine Nachbarn gern reden. Denn aus den Beeren kann man Schnaps machen und das ergibt für sie einen tieferen Sinn. Da ich aber keinen Schnaps trinken kann, wende ich mich lieber den anderen Bäumen zu.

Ich hatte da so eine bewaldete Laube, von der ich mir erhoffte, in ihr Geschichten wie diese schreiben zu können. Das Wasser des Baches floss an einem sehr schönen Granatapfelbaum vorbei gen Tal – aber der Baum verbrannte im Feuer am 8. August 2018. Ich habe ihn nicht retten können, weil ich damals noch keine Sprinkleranlage installiert hatte. 200 Jahre Geschichte verbrannten und meine Laube löste sich in Rauch auf. Aber unter der Erde begannen die Wurzeln mit der Kommunikation und der Granatapfelbaum bekam in Form von Trieben ein zweites Leben. Jedes Jahr im Februar beschneide ich mit der Gartenschere die vielfältigen Triebe des Granatapfelbusches, auf daß ich irgendwann mal den Busch wieder zu einem Baum geformt habe…

Ich bin kein Jäger, sondern eher ein Sammler. Manchmal sammle ich Pilze, aber immer wenn es regnet, eher Wasser, Regenwasser. Und mit diesem gesammelten Regenwasser werde ich zukünftige Waldbrände verhindern. Ich lebe seit 1990 in Monchique (35 Jahre) und habe seitdem fünf Waldbrände überlebt. Daraus ziehe ich meine Lehren. Hast du Löschwasser, kannst du Feuer löschen. Es gibt viele Menschen, die Monchique den Rücken gekehrt haben und sind geflüchtet, weil sie die Waldbrände einfach nur satt haben. Weil Waldbrände der Jugend die Chance auf Entwicklung nehmen: berufliche Entwicklung – weil Waldbrände den Menschen die Zukunft rauben und jeden Traum von Wohlstand in einen Alptraum verwandeln. Ich war nahe dran, auch zu gehen. Ich habe mich gefragt, was tue ich hier eigentlich noch in Monchique? Zugucken, wie es alle paar Jahre brennt? Wie es die Natur zerstört und den Klimawandel befeuert? Will ich daran teilhaben? NEIN! Also Haus verkaufen und wegziehen.

Aber wohin? Wir leben in einer Welt von multipler Zerstörung. Auch in Hollywood brennt es alle paar Jahre. Im spanischen Valencia schwimmen die Autos weg und der menschgemachte Klimawandel zerstört Dörfer und Städte. Nicht nur in Spanien auch im Ahrtal in Deutschland schwimmen Autos in Bächen nach schweren Regenfällen. Klimakrisen bewältigen wir nicht, in dem wir umziehen. Und nach langem Nachdenken habe ich mich entschlossen, als Antwort auf die Eukalyptusplantagen und die Waldbrände einen vielfältigen Botanischen Waldgarten zu pflanzen und mit einer potenten Sprinkler-Anlage zu schützen. Ich habe eine Brandmauer um mein Haus gebaut und beim Bau des Hauses darauf geachtet, keine brennbaren Materialien zu verwenden…

Wir Menschen (und natürlich auch Tiere) sind in der Lage, uns weiterzuentwickeln, uns anzupassen, resilient zu werden und dabei vielleicht noch Gutes zu tun. Ich habe mich entschlossen, meine kleine Welt in einem besseren Zustand zu hinterlassen, im Vergleich dazu, wie ich sie vorgefunden habe, nicht schlechter. Mit diesem Ziel gehe ich in meine letzten Jahre. Es muss machbar sein, meine Welt ein wenig zum Besseren zu gestalten. Und dazu zähle ich das sinnvolle Bäume pflanzen zu neuen Wäldern.

Bäume spenden Schatten, transformieren CO2 zu Sauerstoff, Wälder sind ein wichtiger Bestandteil der Natur, des Wasserhaushaltes, der Erde – unserer Gesundheit. Wald ist farbig und zu jeder Jahreszeit dominiert eine andere Farbe meine kleine Welt in Esgravatadouro…

Wald ist ja nicht nur grün und nicht nur dunkel. In meinem Wald finde ich Blüten in den schönsten Farben an den Bäumen und später im Jahr dann auch die Früchte, die er mir schenkt. Ich habe einen Lorbeerbaum, der mit seinen Blättern mein Essen schmackhafter macht, eine Linde, die mir Lindenblütentee schenkt und einen gerade weiß blühenden Baum, der mir später Mandeln – und einen Walnussbaum, der mir Walnüsse gibt, einen Pfefferbaum und Johannisbrotbäume, deren Schoten ich zu Mehl mahle für einen Kakao. Und wenn es wieder Juni wird, gehe ich zu meinem Aprikosenbaum und schaue, ob und wann ich diese wunderbaren Früchte pflücken kann. Und von Zitronen, Orangen, Pampelmusen und Mandarinen habe ich noch gar nicht zu Schwärmen begonnen… Meine Welt ist eine Welt auf Gegenseitigkeit: ein ständiges Geben und Nehmen wechseln sich ab.

In diesem Sinne veranstaltet die Genossenschaft Esgravatadouro Ende März einen Workshop zum Thema Permaculture, für Menschen, die mehr wissen wollen über ihre gesunde Ernährung. Besuchen Sie Esgravatadouro und nehmen Sie an diesem einzigartigen Seminar teil…

Ab 29./30.März 2025, für Abonnenten der https://www.eco123.info und Mitglieder der Genossenschaft gratis.

 

Uwe Heitkamp (65)

ausgebildeter Fernsehjournalist, Buchautor und Hobbybotaniker, Vater von zwei erwachsenen Kindern, kennt Portugal seit 35 Jahren, Gründer von ECO123.
Übersetzer: Dina Adão, John Elliot, Patrícia Lara
Fotos:Uwe Heitkamp

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