Jeden Tag werden zwischen den USA und der Europäischen Union Waren im Wert von rund 2,5 Milliarden Euro, zumeist mit Zöllen von circa vier Prozent vom Warenwert getauscht. Deshalb soll gegen Ende dieses Jahres ein Freihandelsabkommen namens TTIP zwischen den beiden Wirtschaftsmächten geschlossen werden, ein anderes namens CETA zwischen Kanada und der EU. Warum aber werden die 312 Millionen US Bürger, 35 Millionen Kanadier und 504 Millionen Europäer auf informelle Distanz gehalten? Warum verhandeln die USA, warum Kanada und die EU diese Wirtschaftsabkommen im Geheimen? Und warum haben die großen Wirtschaftsverbände so großen lobbyistischen Einfluss auf die Vertragstexte? Hat es so etwas überhaupt schon einmal gegeben, dass mehr als 850 Millionen Menschen so hinters Licht geführt wurden? ECO123 informiert Sie von heute an aus erster Hand über die geplanten Wirtschaftsabkommen TTIP und CETA und über die Argumente der Befürworter regionaler und lokaler Wirtschafts- und Handelsformen.
Das CETA Abkommen geht zurück auf Verhandlungen zwischen der EU mit José Manuel Barroso und dem konservativen kanadischen Premiermister Stephen Harper zwischen 2009 und 2014. Der Text des Abkommens liegt vor und steht zur Ratifizierung an und kam durch eine Indiskretion an die Öffentlichkeit. Das TTIP Abkommen wird derzeit zwischen der EU und den USA verhandelt und birgt noch immer viele Kontroversen und Risiken. Ein erster Vertragsentwurf soll Anfang 2016 vorliegen.
Die Frage, die sich daraus stellt, lautet: sind Portugal und seine Wirtschaft davon betroffen? Die Antwort lautet JA. Wer vertritt Portugal in den Verhandlungen? Da Portugal Teil der Europäischen Union ist, wird Portugal sowohl vom EU Parlament und seinem Präsidenten Martin Schulz als auch von der EU Kommission und von Jean-Claude Juncker bei den Verhandlungen vertreten und hat selbst keine eigene Stimme. Themen sind sowohl der Abbau von Handelshürden und Hindernissen wie Zölle, als auch die Einschränkung oder das Verbot von bestimmten Waren und deren Importen. Warum aber stehen Gesetze, die Rechte von Arbeitern, Verbrauchern und den Naturschutz und die Umwelt betreffen, ebenfalls zur Diskussion? Weil, wie die EU-Kommission in Brüssel betont, unterschiedliche Gesetze zwischen den USA und den EU Staaten angeglichen werden müssten. Was aber heißt „angeglichen“ und zu wessen Gunsten und zu wessen Nachteil?
Gemeinsam stehen die EU und die USA zwar für die Hälfte der weltweiten Wirtschaftsleistung und durch das geplante Abkommen entstünde die weltgrößte Freihandelszone, warum aber werden die BRICS Länder Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika ausgesperrt? Und was bedeuten TTIP und CETA für unsere Demokratien und die Justiz, für den Sozialstaat, die Arbeitsstandards und für den Mittelstand und was für die öffentliche Dienstleistungen, das Beschaffungs- und Transportwesen (Mobilität), die Gentechnologie, das Agrobusiness, die Finanzmärte, fossile und erneuerbare Energien?
Was bedeuten diese möglichen künftigen Freihandelszonen für unsere Identität? Bedeutet sie das Ende für unsere wirtschaftlichen und kulturellen Traditionen, das Ende für unsere kleinen lokalen und regionalen Betriebe, das Ende für kleine bäuerliche Betriebe? Was bedeuten internationale Freihandelszonen für den Gedanken, dass internationaler Handel besser reduziert würde, auch um Umweltpraktiken bei der Emission von CO² zu verbessern, weniger abhängig zu sein von einem fragilen internationalen Transportwesen, das von fossilen Brennstoffen abhängig ist oder gar zu 100 Prozent darauf basiert? Was würde aus der Idee der regionalen ländlichen Selbstversorgung von Dörfern und noch kleineren lokalen Einheiten, wo Handel auf einen Radius von 50 Kilometern beschränkt würde, nicht nur um fossile Energien einzusparen, sondern auch um sich nicht abhängig zu machen? Lebensmittel müssten weder konserviert noch umweltfeindlichen und müllproduzierenden Verpackungsmechanismen unterzogen werden. Sie würden im Gegenteil frisch und direkt gehandelt und ökologischer Landbau wäre weniger dem Einfluss multinationaler Agrarchemieunternehmen ausgesetzt.
Wie hoch ist der wirtschaftliche Nutzen?
TTIP und CETA bringen nur der Großindustrie Vorteile und lasten die Nachteile dem Verbraucher und Kleinproduzenten auf, sagen die Befürworter der regionalen und lokalen Wirtschafts- und Handelsformen. Die Verhandlungsführer und Verteidiger der Freihandelsabkommens hingegen verweisen auf die Synergie-Effekte der zu verhandelnden Verträge: sie förderten Investitionen, die Schaffung von Arbeitsplätzen und somit Wirtschaftswachstum. Die Kritiker von TTIP und CETA verweisen wiederum auf die intransparente Verhandlungsführung der EU, auf die kulturelle, ökologische und soziale Identität seiner Regionen in den Mitgliedsstaaten und auf die hohen Rechtsstandards und sozialen Sicherheiten unserer europäischen Systeme im Vergleich zu denen in den USA oder Kanada.
Die EU reagierte prompt und stellte daraufhin am 10. Februar die vorläufigen Verhandlungsergebnisse ins Internet, für jeden interessierten EU-Bürger in sechs Sprachen: in Englisch, Deutsch, Spanisch, Französisch, Italienisch und Polnisch abrufbar auf: http://trade.ec.europa.eu/doclib/press/index.cfm?id=1230
Wie hoch ist der ökologische Schaden?
Weiteres Wirtschaftswachstum als solches wird zunehmend zum Problem: steigender Energieverbrauch, schrumpfende Ressourcen, Peak Oil, Burn-Out, Klimakollaps. Je mehr Waren künftig über den Atlantik transportiert werden, egal ob per Schiff oder Flugzeug, desto mehr CO² Emissionen finden statt. Soweit, so schlecht. Sind regionaler und lokaler Handel denn dann unsere einzigen Alternativen? Wie könnte Wirtschaft und Handel ökologisch freundlich funktionieren, ohne dass immer mehr umweltschädigender Transport unser Klima in Mitleidenschaft zieht? Auf diese Frage geben die auf mehrere tausend von Umweltgruppen angewachsene Transition-Bewegung eine klare Antwort an Brüssel.
Das Ziel lautet „Ja, zu lokaler und ökologischer Herstellung “ und „für einen fairen lokalen Handel“. NEIN zum Wachstumsparadigma, das noch die letzten fossilen Ressourcen unseres Planeten verheizt und im Klimachaos endet. „Ja“ zur Enschleunigung und zu Suffizienz und „Ja“ zu einer lokalen Kreislaufwirtschaft.
Welche Widerstände gibt es? Wer die Webseite https://www.nao-ao-ttip.pt/ besucht, findet hier die Argumente in portugiesischer Sprache.
ECO123 legt den Schwerpunkt seiner Berichterstattung auf lokale Produzenten und zeigt auf, welch immensen Wert kleine, mittelständische und lokale Betriebe für unsere Wirtschaft haben. Wir beginnen mit einer Reportage der Kollegin Daniela Guerreiro über die Arbeitsweisen und Waren einer traditionellen Metzgerei in Monchique und setzen in den nächsten Ausgaben die Serie fort mit einer lokalen Molkerei/Käserei, einem Bio-Winzer, einem Biobauern und Imker, einem Bäcker, einer Olivenölmühle… Denn TTIP beginnt auch vor unserer eigenen Haustür.