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Genau notiert.

Ein Test von Uwe Heitkamp

Warten auf den Bus. Ich zähle die vorbeifahrenden Autos; eins/eins, zwei/eins, drei/eins, vier/eins, fünf/eins, sechs/eins, sieben/eins, acht/eins, neun/eins, zehn/eins, elf/eins, zwölf/zwei. Da war es, das erste Auto, in dem zwei Personen drinsitzen.

Jeder von uns ist Teil dieses täglichen Staus.

Bis zur nächsten Bushaltestelle gehe ich 1,1, km. Auf dem Weg dorthin fragt mich meine Nachbarin, warum ich denn zu Fuß unterwegs sei? Auto kaputt? Nein, nein, antwortete ich ihr, ich lasse meinen Wagen einen Monat lang in der Garage. Sie betrachtet mich skeptisch, während sie die Blumen vor ihrem Haus mit einem Wasserschlauch gießt. Meine Nachbarsfamilie hat ein Faible für Autos. Ihr Mann hat eine Autowerkstatt im acht Kilometer entfernten Dorf. Meine Nachbarn, das ist ein Dreipersonen-Haushalt mit fünf Automobilen.

Als Ausländer erhalte ich einen Toleranzrabatt auf solche Ideen. Solche Menschen dürfen auch mal in der Hitze des Sommers zu Fuß unterwegs sein. Wenn es ihnen denn bekommt…

Neben einer Wasserflasche führe ich ein kleines Tagebuch mit im Rucksack. Darin trage ich alle Ereignisse ein, skizziere in Worten und Sätzen um festzuhalten, was durch diesen Sommer hindurch in meiner Umgebung so alles passiert. Der Mensch ist ja vergesslich.

Das Heft soll auch einige Antworten auf existenzielle Fragen geben. Was eigentlich kann ein Mensch an seinem Verhalten ändern, um klimaneutral zu werden? Kann ich dazu beitragen, weniger Rohstoffe zu verbrauchen, weniger Kohlendioxyd zu emittieren, weniger Müll zu hinterlassen?

Ich gehe einem ersten, kleinen Schritt in Richtung Verzicht. Während der Sommerzeit sind an der Algarve die Straßen so voll, dass es alle um den Verstand bringt. Jeder von uns ist Teil dieses täglichen Staus. Warum also nicht mal das Auto einen Monat lang zuhause in die Garage stellen und Bus fahren?

Freitag, 18. Juli.
BushaltestelleAn der Bushaltestelle. Mehrmals schaue ich noch auf den Zettel, den ich mir ausgedruckt habe, den Abfahrtsplan der Busgesellschaft Frota Azul. Ich vergewissere mich, ob hier auch wirklich zur angegebenen Zeit ein Bus halten wird. Denn an der Bushaltestelle selbst hängt keinerlei Kundeninformation. Einen Monat lang möchte ich mich der Herausforderung stellen, nur Bus und Bahn zu fahren, das Fahrrad und meine eigenen Füße zu benutzen. Ich bekomme einen 7-Tage-Fahrschein zum Preis von € 36,50 von der EVA-Busgesellschaft gesponsert, der Fahrten zu allen Buslinien dieses regionalen Anbieters erlaubt.

Endlich kommt er um die Kurve gefahren und hält an einer Stelle auf der anderen Straßenseite, an der keine Haltestelle angezeichnet ist. Hinter dem Bus staut sich der Verkehr. Im Bus selbst, der über 48 Sitzplätze und 18 Stehplätze verfügt, sitzen bereits 15 Fahrgäste, neun weitere steigen auf dem Weg noch hinzu. Ich habe mich über die Emissionswerte der einzelnen Busse informiert und hole meinen Klimarechner aus dem Rucksack: Pro gefahrenen Kilometer emittiert der Linienbus 280 Gramm CO2. 24 Fahrgäste fahren 20 km auf dem Weg von Caldas de Monchique nach Portimão. Resultat: nur 233 Gramm CO2 Emission pro Fahrgast.

Wäre ich mit meinem eigenen KFZ (1200 cc, 65 PS, Benziner, 160 Gramm CO2 pro km) gefahren, hätte ich für die gleiche Strecke 3,2 Kilogramm CO2 emittiert.

Auf der Rückfahrt fahren nur 13 Fahrgäste mit dem Bus: 430 Gramm CO2 Emission pro Fahrgast. Was eigentlich könnte Busfahren in Portugal attraktiver machen, was könnte Menschen motivieren, ihr Autos stehen zu lassen oder noch besser, ganz auf sie zu verzichten und auf Bus & Bahn umzusteigen?

Sonntag, 20. Juli.
Heute plane ich eine längere Reise. Mit dem Sonntagsbus fahre ich um zehn Uhr nach Portimão, Umsteigen und dann Weiterfahrt nach Faro. Für eine Distanz von weniger als 100 km werde ich genau drei Stunden und 15 Minuten unterwegs sein. Sehr rekordverdächtig!

Für eine Distanz von weniger als 100 km werde ich genau drei Stunden und 15 Minuten unterwegs sein. Sehr rekordverdächtig!

Im Bus sitzen acht Fahrgäste, fünf Menschen im Rentenalter, ein junges Paar aus Skandinavien. Zwei weitere ältere Damen steigen nach mir zu. Wir fahren die 20 km nach Portimão in einem ziemlich alten Mercedes-Bus. Auf jeden von uns entfallen 560 Gramm CO2 auf die 20 gefahrenen Kilometer. Mit meinem Auto würde ich das Sechsfache an Klimagasen emittieren, aber doppelt so schnell sein. Warum ist Schnelligkeit für uns so bedeutsam. Was bringt sie uns wirklich am Ende des Tages?

Maria José Batista
Maria José Batista

Immer sonntags um 11 Uhr verlässt der „Interurbano“ Portimão mit dem Ziel Faro. Ich habe die Möglichkeit, Faro auch mit dem Zug zu erreichen, ziehe es aber vor, auf dem Hinweg den Linienbus zu nehmen. Die Busfahrerin Maria José Batista ist eine der ganz wenigen in einem von Männern dominierten Fahrerlager. Sie muss ihr ganzen Können unter Beweis stellen, als sie nach den Dörfern Mexilhoeira da Carregação, Estombar, Lagoa, Porches, Armação da Pera und Alcantarilha in die schmale Dorfstraße von Pera einbiegt, in der sich nicht einmal zwei Autos nebeneinander vorbeimogeln können. Und jetzt quält sie ihren alten Setra-Linienbus durch die enge Gasse und hupt entgegen kommende Autos zurück. Mit armausweitenden Bewegungen scheucht sie Autofahrer in Seitengassen oder nötigt sie rückwärts zu fahren, bis sie ihr 12 Meter langes Gefährt selbst hindurch manövriert hat. Am Hafen von Albufeira vorbei, die engen ansteigenden Gassen hochfahrend, erreichen wir den ZOB. Meerblick. Pinkelpause.

Die Reihen lichten sich. Wir sind jetzt nur noch zwölf Passagiere im 48 Sitzplätze fassenden Linienbus nach Loulé. Ab Loulé sind wir nur noch neun zahlende Fahrgäste. Als ich an der Endstation frage, wie viele Kilometer der Bus von Portimão bis Faro genau zurückgelegt habe, erwidert Maria José Batista, es seien 89 km geworden. Also, Klimarechner raus und 89 km Fahrstrecke x 280 Gramm CO2 pro gefahrenen km rechnen: durchschnittlich 12 Fahrgäste, macht 2,077 kg CO2 pro Fahrgast…

Für die Rückfahrt wähle ich um 16.17 Uhr den Zug von Faro nach Portimão. Der ist weniger langsam. Laut Simulator der Bahngesellschaft CP bin ich bei 60 km für 1,02 kg CO2 verantwortlich. Der Fahrschein kostet sechs Euro. Wieder warte ich auf den Anschlussbus von Portimão nach Monchique, dieses Mal eine ganze Stunde. Um 18.30 Uhr geht es dann endlich weiter. 20 km Fahrtstrecke x 280 Gramm CO2 pro gefahrenen km: durchschnittlich 16 Fahrgäste = 350 g CO2 pro Fahrgast.

Total CO2 Emission des Tages: 4,007 kg. Mit dem Auto hätte ich 26,88 kg CO2 emittiert und 21 Euro für Benzin ausgegeben. Macht sich eigentlich jemand Gedanken über seinen persönlichen CO2 Ausstoß, wenn er ins Auto steigt?

Geld ist Zeit.
Wer mit dem Linienbus, dem Fahrrad oder bei Freunden mitfährt und viel zu Fuß geht und öfter mal das Auto stehenlässt oder sein eigenes vermehrt mit Freunden und Nachbarn teilt, emittiert sensationell wenig CO2 und hinterlässt einen sehr kleinen ökologischen Fußabdruck. Wer aber allein in seinem Auto sitzt und damit in seiner Region zum Einkaufen, Bummeln, Shoppen, es zu Ausflügen und zur Arbeit hin und her benutzt, der lebt nicht nur ökologisch falsch, sondern auch unökonomisch. Autofahren ist eine teure Sache, in allen Aspekten. Ich habe mir die Zeit genommen und es mir beim Busfahren einmal durchgerechnet. (siehe Kasten) Autofahren macht zwar alles einfacher und reduziert den Zeitaufwand. Fahre ich aber mit dem Linienbus oder der Bahn, werde ich richtig langsam, entschleunige mich, lebe viel weniger Stress und gewinne sogar viel Zeit, z.B. zum Nachdenken. Vermehrt zu Fuß gehen oder mit dem Fahrrad fahren, ist reine Gewöhnungssache. Überwindung zählt und wo ein Wille ist auch ein Weg. Der Tag rückt immer näher, an dem die Epoche des individuellen Autofahrens, an dem die Mobilität zur Sinnfrage wird.

Das Fenster, durch das ich nach draußen schaue, ist so alt, dass man alles milchig und verschwommen wahrnimmt.
Das Fenster ist so alt, dass man alles milchig und verschwommen wahrnimmt.

Dienstag, 05. August.
Der Arbeitstag eines Journalisten. Ich verlasse um 7.30 Uhr zu Fuß das Haus in Richtung Bushaltestelle. Um 8.15 Uhr hält der von Monchique kommende Bus in Caldas und bringt mich nach Portimão. 18 Passagiere. Ich habe meinen Freifahrtsschein nicht verlängern lassen. Ich möchte wissen, was so ein Fahrschein kostet? Das sind € 4,20. Ankunft Portimão 8.45 Uhr. Am Bahnhof kaufe ich einen Fahrschein zur 80 km entfernten Bahnstation Livramento. Preis € 7,75.

Um 9.19 Uhr begebe ich mich mit einem Triebwagen der CP aus den 1970er Jahren auf die Reise in Richtung Faro und Tavira. Das Fenster, durch das ich nach draußen schaue, ist so alt, dass man alles milchig und verschwommen wahrnimmt. Zerkratzt oder doch nur dreckig? Die Waggons sind alt und die Blattfederung des Zuges scheint gebrochen. In jeder Gleiskurve knackt der Waggons laut. Ob es einen TÜV für Züge gibt? Ankunft in Livramento um 11.09 Uhr.

Ich besuche ein landwirtschaftliches Unternehmen, das auf mehreren Hektar Land tropische Früchte anbaut. Ich recherchiere für eine Kurzreportage und ein Interview.

14.16 Uhr. Rückfahrt Richtung Portimão nach Westen. Den Fahrschein nach Portimão, kauft der Reisende beim Schaffner im Zug. Die Bahn hat alle Schalter und Beamten auf kleineren Bahnhöfen wegrationalisiert. Aufenthalt in Faro eine Stunde und zwanzig Minuten. 16.17 Uhr Weiterfahrt nach Portimão, Ankunft um 17.30 Uhr. Eine Stunde Warten bis zum nächsten Bus nach Monchique. Wieder zahle ich € 4,20 und fahre mit 14 anderen Passagieren hinauf ins Gebirge. Ich drücke den Halteknopf vor der Haltestation, doch der Busfahrer ist in einer Unterhaltung mit einem weiblichen Fahrgast vertieft. Ich muss ihn laut rufen. Vollbremsung. Unachtsamkeit ist wohl das größte Problem bei den Busfahrern. Es gibt auch immer wieder Passagiere, die an einer Haltestelle einfach stehen gelassen, vergessen werden. Es wundert mich, dass überhaupt noch so viele Menschen Bus fahren. Um 19.30 Uhr bin ich wieder zuhause.

Ich bin 12 Stunden unterwegs gewesen.

Resümee
Vier Wochen, vom 15. Juli bis zum 11. August, bewegte ich mich mit Bussen und der Bahn über Land, aber auch viel öfter wieder mit dem Fahrrad. Letztendlich entdeckte ich an mir aber auch, dass ich oft einfach zuhause geblieben bin, wo ich sonst mit dem Auto mal schnell noch was erledigt hätte. Ich wurde nur mobil, wenn es wirklich nötig war.

Bushaltestelle ohne Fahrplan
Bushaltestelle ohne Fahrplan

Aber dem öffentlichen Personennahverkehr der Algarve könnte noch sehr viel Gutes getan werden. Eine Busgesellschaft, die an den Haltestellen ihrer Busse keine Informationen über Abfahrtszeiten für Kunden anbringt, darf sich nicht wundern, wenn keine neuen Kunden hinzukommen. Die Busse fahren zu 80 Prozent leer durch die Landschaft. Es ist die Basis jeden gewerblichen Konzepts, so viele Informationen wie möglich zum Kunden zu tragen. Das beginnt mit den Abfahrtszeiten an allen Bushaltestellen und endet mit einer absolut gerechten, transparenten und nachvollziehbaren Preis- und Rabattpolitik für alle Reisenden. Keiner der Busfahrer informierte mich während des Tests darüber, dass ich u.a. einen 33-prozentigen Rabatt mit der blauen Frota-Azul Karte erhalten würde, wenn ich mindestens fünf Fahrten im Voraus kaufen würde. Und wie viel neue Kunden ließen sich erst mit einer Monatskarte, die auf allen Linien der Algarve gültig wäre, hinzugewinnen? Es war mir einfach zu aufwendig, eine Gratis-Wochenkarte jeden Freitag in Portimão selbst nachladen zu müssen. Der Aufwand rechtfertigt nicht die Mittel.

Eine Familienvater erzählte mir, dass seine Familie über ein Jahr lang immer die vollen € 4,30 zwischen Monchique und Portimão bezahlt habe, bevor er selbst aktiv geworden sei und sich nach Rabatten erkundigt habe: auch nach Rabatten für die Kinder im Alter von vier bis neun Jahren, für die bis dahin immer der volle Fahrpreis gezahlt wurde.

Ein Fahrschein für eine 25 km lange Busfahrt von Monchique nach Portimão kostet € 4,30. Eine 18 km lange Busfahrt von Caldas de Monchique nach Portimão kostet 20 Centimos weniger, also € 4,10. Eine sieben km kurze Busfahrt von Caldas nach Monchique hingegen kostet immer noch € 2,25. Fällt ihnen was aus?

Ich fragte den Sonntags-Busfahrer, der mit acht Passagieren in einem 48 Passagiere fassenden großen Bus unterwegs war, warum er keinen kleineren Bus aus dem Depot nehmen würde? Schulterzucken. Verbrauch 32 Liter Diesel auf 100 km Distanz. Mehr interne Flexibilität wäre hier sicherlich angebracht, aus ökonomischen wie ökologischen Gründen. Nehmen wir mal folgendes an: die Busgesellschaft EVA – Frota Azul würde ihre Busse und Rabatte aktiv bewerben, z.B. an den eigenen Haltestellen. Ihr gehören hunderte davon. Hätte sie dann nicht auch mehr Kunden, eine bessere Auslastung, einen höheren Jahresgewinn und mehr eigene Mittel, um wichtige Investitionen vorzunehmen: z.B. sich ein Dutzend neue E-Busse anzuschaffen?

Es kann der Geschäftsführung der EVA – Frota Azul nicht egal sein, Informationen zurückzuhalten und sich mit den Kunden zu begnügen, die keine andere Wahl als den Bus haben: Rentner, Schüler, Pendler und sozial schwache Leute, die sich kein Auto leisten können, oder ökologisch bewusste Kunden, die sich kein Auto leisten wollen! Sicher, diese Gruppen sind zusammen in der Minderheit. 20 Prozent Auslastung ist ein Wity. Um beispielsweise auf die Hälfte der Sitze zu kommen, müsste der Öffentliche Personennahverkehr in der Mitte der Gesellschaft ankommen, neue Strategien ausprobieren, um genau dort neue junge Zielgruppen (Kunden!) zu suchen und würde diese ganz sicher dort auch finden. Das geht aber nur mit wachem, kreativem Personal, das aktiv mitdenkt und hoch motiviert ist. Gibt es diesen Menschentyp bei uns?

Busse und Bahnen dürfen garantiert auch noch etwas schneller werden. Zweigleisig an der Algarve mit dem Zug zu fahren und elektrifiziert, das wäre schon mal schön, um das Niveau des restlichen Europas zu erreichen. Man orientiert sich ja nach oben und nicht nach unten, oder doch? Busse, Taxen und Elektroautos sollten grundsätzlich auf Nationalstraßen eine eigene Spur haben, damit sie den katastrophalen Staus der Sommer entgehen können. Und die Flotte der EVA – Frota Azul bräuchten ebenfalls eine Modernisierung und weniger verschiedene Herstellertypen. Es würde Synergien schaffen.

FahrradWenn wir schon mal über Mobilität sprechen, dürfen wir weder die Fahrradfahrer noch die Fußgänger vergessen. Auch sie benötigen ihren Platz im Mobilitätskonzept. Wir brauchen Fahrrad- und Fußwege in die Städte hinein und auch wieder heraus! Wir brauchen sichere Abstellplätze für Fahrräder.

Im Moment wird dem Auto absolute Priorität eingeräumt. Darin aber sitzen in 90 Prozent aller Fälle nur eine Person, der Fahrer. Was für eine Verschwendung von Ressourcen! Wenn wir unsere Wirtschaft effizienter machen wollten, sollten wir unsere Ressourcen besser verteilen und sie miteinander teilen und unseren täglichen Egoismus abbauen. Unser Land kann es sich gar nicht leisten, Busse & Bahnen im Mobilitätskonzept zu benachteiligen; im Gegenteil, alle im Land müssten den Willen und ein gesteigertes Interesse haben, mehr Zeit, mehr Arbeit, mehr Energie, mehr Geduld und noch viel mehr Geld in das öffentliche Nahverkehrssystem zu investieren. Wo ein Wille ist auch ein Weg. In manchen Städten des nördlichen Europas holen viele Busse ihre Kunden bereits zuhause ab und bringen sie dorthin auch wieder zurück. Kleinbusse, wohlgemerkt. Sollten wir unseren Worten nicht besser konkrete Taten folgen lassen?

 

Nachgerechnet.

stau

Wer 1960 oder später geboren wurde, hat sein ganzes Erwachsenenleben mit seinen Autos verbracht; oft mehr Zeit mit und im Auto, als mit dem eigentlichen Partner oder den Kindern. Die überwiegende Zahl der heute Erwachsenen hat zudem erlebt, wie Bäume gefällt wurden, um Straßen zu bauen; wie Felder zu Autobahnen und wie ihre Liebsten als Unfallopfer ins Krankenhaus gebracht wurden. Der Sucht am Auto hat es nicht geschadet und am Mobilitätsverhalten nichts verändert. Was spricht eigentlich dafür, dem Auto als Traum von Freiheit zu folgen? Effizienz? Zeitersparnis? Ist Auto fahren billiger?

Wer sich die Frage nach der Anschaffung eines Automobils stellt, ist sich in den meisten Fällen über die wahren Kosten seines KFZ gar nicht im Klaren. Viele Menschen assoziieren die Betriebskosten für Kraftstoff, Motoröl und die Wagenpflege mit den Gesamtkosten eines PKWs. Dies aber ist falsch. Hinzugerechnet muss noch der kilometerabhängige Wertverlust (Abschreibung), evtl. die Kosten und Zinsen eines Kredites, die Werkstattkosten für Inspektionen, Reparaturen und neue Reifen, und Fixkosten wie Steuern, Versicherung, Parkgebühren und evtl. Garagenmiete. Bei einer Fahrleistung von 10.000 km pro Jahr kommen z.B. bei einem Renault Clio 1.5 dCi Energy 90cv, Neuwert 18.900 Euro genau 5.352 Euro zusammen (monatlich 446 Euro), bei gefahrenen 20.000 km sind es bereits 6.682 Euro oder monatlichen 557 Euro. Mautgebühren für Autobahnen, Umwelt- und Gesundheitskosten sind noch gar nicht mit eingerechnet. Tatsache ist, dass beim Neukauf eines KFZ in den ersten vier Jahren für den Unterhalt insgesamt in etwa so viel ausgegeben wird, wie der Wagen neu gekostet hat.*

Wahre Kosten eines Fahrzeuges

Autobahn- Mautgebühren € 0.08 pro km

Wer sich nicht nur auf die betriebswirtschaftlichen Kosten beruft, sondern die wahren Kosten eines Kilometers Autofahrt ausrechnen möchte, muss auch den externen Effekten wie Umweltverschmutzung, Lärm, etc. einen Preis geben. So gehen heutzutage ein großer Teil der Unfall- und Umweltkosten (Lärm, Luftschadstoffe), aber auch Investitionen in die Infrastruktur (Bau und Unterhalt der Verkehrsanlagen) zu Lasten der Allgemeinheit. Diese von den Verursachern nicht selber bezahlten Kosten bezeichnet man als externe Kosten des Verkehrs. Diese von der Allgemeinheit getragenen Kosten sind im Preis für Mobilitätsleistungen, den der einzelne Verkehrsteilnehmer zu entrichten hat, nicht inbegriffen und werden deshalb bei der individuellen Verkehrsentscheidung auch nicht berücksichtigt. Laut einer aktuellen Berechnung der Aktiengesellschaft BRISA liegt die PKW-Maut auf hiesigen Autobahnen in etwa bei acht Euro pro 100 km. Auf einen Kilometer Autobahn gerechnet, ergäben sich somit zusätzliche Kosten in Höhe von acht Centimos.

CO2 Emissionsgebühren € 18,40 pro 10.000 km

Die Kosten für den Ausstoß von Kohlendioxid wären jedoch in einer solchen Maut noch gar nicht inbegriffen. Im Jahr 2013 kosteten Emissionsrechte für den Ausstoß einer Tonne CO2  (1.000 kg) am Spotmarkt für EU Emission Allowances 14,26 €, geradezu ein Spottpreis für den Schaden, den CO2 in der Atmosphäre anrichtet. Ein Renault Clio in unserer Version emittiert laut amtlichen Fahrzeugpapieren 129g/CO2 pro km. Pro 10.000 gefahrene Kilometer ergeben sich somit zusätzliche Kosten von € 18,40.

Kreditfinanzierung & Zinsen € 0,127 (€ 0,25) pro km

Wohl wissend, dass Banken in Portugal die höchsten Kreditzinsen verlangen und die geringsten Kapitalzinsen innerhalb des Eurowährungsraums gewähren, hat ECO123 sich eine Bank in einem anderen EURO-Land ausgesucht. Jeder portugiesische Staatsbürger besitzt uneingeschränkt das Recht, innerhalb der 18 EURO-Länder ein eigenes Konto zu eröffnen, dort sein Geld einzuzahlen und auch Kredite zu beantragen.

Wollten wir das gesamte Auto also fremdfinanzieren und möchten 20.000 Euro Kreditsumme in 48 Monaten tilgen, müssen wir im Durchschnitt etwa 6% Zinsen bezahlen. (in Portugal durchschnittlich 11,9%) Bei einer monatlichen Rate in Höhe von 470 Euro (in Portugal € 573), fallen insgesamt 2.546 Euro Finanzierungskosten an (in Portugal € 7.504).

Bei 20.000 km Jahresleistung erhöhen sich die Kosten beim Unterhalt eines KFZ folglich um 0,127 Euro por km. Bei 10.000 km Jahresleistung erhöhen sich die Kosten beim Unterhalt eines KFZ folglich um 0,25 Euro pro km.

Aufgrund der Tatsache, dass wir uns von den 20.000 € nicht zwingend ein Auto hätten kaufen müssen, sondern das Geld auch am Kapitalmarkt hätten anlegen können, müssen wir noch die Zinsen berechnen. Dabei handelt es sich um Zinsgewinne, die erzielt worden wären, wenn Kapital – statt es für den Autokauf auszugeben – auf dem Kapitalmarkt angelegt worden wäre. Diese Zinsen betragen bei einem Zinssatz von 4% innerhalb von zehn Jahren 8.000 € oder 67 € pro Monat: Gewinn, von dem man sich schon bequem eine halbe Busfahrkarte leisten könnte…

Für eine 100 km lange Fahrt mit dem Auto fallen inklusive der Kredit/Zinskosten bei einer Fahrleistung von 20.000 km pro Jahr 66 € an oder bei einer Fahrleistung von 10.000 km pro Jahr sogar € 87 an.

Ein Beispiel, zwei Zahlen, drei Vergleiche

Eine Fahrt von Faro nach Lissabon Gare-Oriente ist laut Google-Maps genau 274 km lang.

  1. Mit dem Renault Clio würde diese Strecke € 180,84 bei einer Fahrleistung von 20.000 km pro Jahr kosten oder € 238,38 bei einer Fahrleistung von 10.000 km pro Jahr. Die Emissionswerte betragen 35,35 kg CO2 auf 274 km.
  2. In einem Flug mit einem Airbus A 320 von Faro nach Lissabon in der Economy-Klasse und einer Strecke von 274 km in 6.800 m Flughöhe, emittiert ein Passagier 60 kg CO2. Preis des Flugscheins der TAP: € 139,90.
  3. Eine Bahnfahrt mit dem Alfa Pendular (2. Klasse) kostet hingegen nur € 22,20 bei 6,47 kg CO2 – im Intercity € 21,20 bei einer Emission von 5,65 kg CO2.

Noch Fragen?

Institutionen

(1) Informationen ACP, ADAC, RAC, ohne Bank-, Kredit- und Zinskosten, ohne Mautgebühren, ohne CO 2 Emissionen, Dieselpreis € 1,40 /ltr,

About the author

Uwe Heitkamp, 53, Journalist und Filmemacher, ist seit 25 Jahren in Monchique, Portugal zuhause. Er unternimmt gern lange Wanderungen in den Bergen und schwimmt in Gebirgsbächen und Seen. Schreibt und erzählt Geschichten über Menschen und ihre Bezüge zur Ökologie und Ökonomie. Sein aktueller Film „Erben der Revolution“, erzählt über 60 Minuten die Geschichte einer Wanderung durch Portugal. Zehn Menschen berichten aus ihrem Leben. Alle Protagonisten zusammen malen ein Bild vom Leben und Arbeiten in den Bergen Portugals. Der Film offenbart Einblicke in die Schönheit der Natur und das Leben der normalen Menschen. Welcher Weg bestimmt die Zukunft des Landes? (Abonnieren Sie ECO123 und sehen Sie den Film in der Mediathek)

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