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Macht Geld glücklich?

Gleichgültig, ob wir von seelischer Gesundheit oder einer reifen Entwicklung der Menschheit sprechen, der Begriff der „seelischen Gesundheit“ oder der Reife ist ein objektiver Begriff, zu dem wir durch die Untersuchung der „Situation des Menschen“ und der sich daraus ergebenden menschlichen Notwendigkeiten und Bedürfnisse gelangt sind. Daraus folgt, dass man die seelische Gesundheit nicht als „Anpassung“ des einzelnen an die Gesellschaft definieren kann, sondern dass man sie ganz im Gegenteil, als die Anpassung der Gesellschaft an die Bedürfnisse des Menschen definieren muss und dass es dabei darum geht, ob die Gesellschaft ihr Rolle erfüllt, die Entwicklung der seelischen Gesundheit zu fördern, oder ob sie dieser Entwicklung hinderlich ist. Ob ein Mensch gesund ist oder nicht, ist in erster Linie keine individuelle Angelegenheit, sondern hängt von der Struktur der Gesellschaft ab. Eine gesunde Gesellschaft fördert die Fähigkeit des Einzelnen, seine Mitmenschen zu lieben, schöpferisch zu arbeiten, seine Vernunft und Objektivität und ein Selbstwertgefühl zu besitzen, das sich auf die Erfahrung der einzelnen produktiven Kräfte gründet. Ungesund ist eine Gesellschaft, wenn sie zu gegenseitiger Feindseligkeit und zu Misstrauen führt, wenn sie den Menschen in ein Werkzeug verwandelt, das von anderen benutzt und ausgebeutet wird, wenn sie ihn seines Selbstwertgefühls beraubt und es ihm nur insoweit lässt, als er sich anderen unterwirft und zum Automaten wird. Die Gesellschaft kann beide Funktionen erfüllen: Sie kann die gesunde Entwicklung der Menschen fördern, und sie kann ihn behindern. Tatsächlich tun die meisten Gesellschaften beides und die Frage ist nur, in welchem Maß und in welcher Richtung sie ihren positiven und ihren negativen Einfluss ausüben.

Erich Fromm, Gesammelte Werke, Band IV, Seite 55/56

Zweiter Teil) von Theobald Tiger

Wie sehen wir Portugal und die Welt in diesem Kontext, wenn wir die Situation des Menschen untersuchen? Haben wir den Eindruck, dass unsere Gesellschaft und unsere Regierungen die Fähigkeiten des Einzelnen konstruktiv fördern? Wenn wir vom bedingungslosen Grundeinkommen (BGE) sprechen und wir uns vorstellen, dass wir in Zukunft ohne materielle Not leben müssten, wäre das ein Baustein für die Förderung und die Basis dessen, was der Mensch bräuchte, um sich freier entwickeln zu können: in der Bildung, im Erleben kultureller und ethischer Werte wie Nächstenliebe, Freundschaft und menschlichem Glück. ECO123 stellt in seiner zweiten Folge zur Diskussion, ob jeder Mensch vom Staat ein bedingungsloses Grundeinkommen von mindestens 500 Euro erhalten sollte.

Mit Blick auf die Ökonomie argumentieren die Befürworter des Bedingungslosen Grundeinkommens (BGE), dass bereits mehr als die Hälfte der europäischen Bürger in der modernen Wohlfahrtsgesellschaft von den Einkommen anderer oder von Sozialleistungen abhängig seien: Arbeitslosengeld, Sozialhilfe, Bafög, Renten usw. Diese Situation werde sich aufgrund einer zunehmenden Veralterung der Gesellschaft immer weiter verschärfen. Zugleich sinke der Bedarf an Arbeitskräften in der Industrie durch kontinuierliche Rationalisierungsprozesse strukturell weiter. Doch sehen wir uns noch einmal genauer die Entwicklungen der letzten 50 Jahre an.
rapaz.resizedDie Weltwirtschaft befindet sich heute in einem langsamen Erwachen wie aus einem schönen Traum. Denn die Krise ist eine Wachstumskrise. Wenn man genau hinschaut, sinkt die Kapitalrentabilität der Unternehmen in den westlichen Marktwirtschaften schon seit Mitte der 70er-Jahre. Wir investieren genauso viel Geld wie früher, oder sogar noch mehr, aber die Gewinne sind nicht mehr so hoch. Durch sinkende Grenzrenditen gehen die Anreize für Investitionen zurück. Das hat negative Folgen für die Wirtschaft als Ganzes. 1973 war das letzte Jahr mit Vollbeschäftigung in allen OECD-Staaten. Seit Beginn der 80er-Jahre werden Menschen auch nach ihrem seelischen Befinden gefragt. Trotz scheinbar unbegrenzter neuer Konsumangebote werden sie subjektiv nicht glücklicher.*¹

Das Grundprinzip unserer Wirtschaft lautet: effiziente Kapitalverwertung, Maximierung der Rendite. Das Geld soll dorthin fließen, wo es sich am schnellsten vermehrt. Durch die Kreditexpansion wächst weltweit die Verschuldung. Die USA importieren seit 1973 dauerhaft mehr als sie exportieren. Der massive Kapitalzufluss lässt die Staatsverschuldung immer weiter wachsen, bis auf mehr als 18 Billionen US-Dollar in 2015. Die Schuldenuhr läuft ohne Unterlass.

Das Unglaubliche am sogenannten Finanzmarkt, an den Krediten und gebündelten Kreditverbriefungen ist, dass die Finanzprodukte nicht mehr wert sind als das Papier, auf dem sie gedruckt wurden: nicht mehr als die Forderung im Computer, als das Versprechen darauf, dass die Kredite irgendwann zurückbezahlt werden, was früher oder später nur noch mit neuen Krediten funktioniert. Das Kreditvolumen ist nicht mehr durch reale Geschäftserfolge begrenzt, sondern nur noch durch das Maß an Zukunftserwartungen. Es ist eine große Wette auf Wertschöpfung und Wachstum, das erst in der Zukunft entstehen soll. Die Investoren handeln mit Erwartungen, als seien es real existierende Waren und Dienstleistungen. Dieses Wachstum, das bis vor kurzem noch auf fossilen Brennstoffen basierte, ist seit PeakOil zum Ende der 70er Jahre in seinem Wesen nach hohl und eine Blase jagt die andere.

Die Gewinnmöglichkeiten auf den virtuellen Finanzmärkten täuschen darüber hinweg, dass ein grundlegender Innovationsschub in der realen Wirtschaft ausbleibt, eine neue industrielle Revolution, die den Menschen massenhaft neue Jobs bringt. Der Boom an den Finanzmärkten verschleiert die Stagnation der Weltwirtschaft mit abnehmenden Wachstumsraten. Die reale Wertschöpfung wird ins Abstrakte gehebelt. Es geht darum, »Geld aus Geld« zu schaffen, das „Geld für sich arbeiten zu lassen“. Das grundlegende Muster dieser Krisen ist immer gleich. Irgendwann merken die Investoren, dass hinter bestimmten Zahlungsversprechen zu wenige reale Werte stehen. Die Spekulation verliert den Boden unter den Füßen. Die Folgen sind immer ähnlich: Kapitalabfluss, Kreditausfälle, Pleiten, Rezession, Arbeitslosigkeit. Bis heute stoppt niemand die Spekulationen.

 

Wem gehört die Erde?

ilustra caparapariga.resizedGeld, das um den Globus gejagt wird basierend auf Gier, Neid und Maßlosigkeit, die den Nährboden düngen, der es wiederum ermöglicht, dass ein Angestellter einer kleinen Dienstleistungsfirma mit einem Gehalt von monatlich 750 € im Jahr 2008 in Lissabon eine Eigentumswohnung im Wert von 150.000 € vollständig auf Kredit kaufen kann. Die Bank leiht ihm sogar 180.000 €, nachdem sie den Wert der Wohnung nach oben manipulierte. In 2010, nach dem Platzen der Immobilienblase, besitzt der Angestellte zwar noch immer sein Apartment, aber der Wert desselbigen musste nach unten „berichtigt“ werden. In 2015 ist das gleiche Apartment, das er 2008 auf Kredit gekauft hatte, nur noch 80.000 € wert. So ist der Markt, sagt ihm der Kreditberater und zuckt mit den Schultern. Die Bank hat die Wohnung in der Zwischenzeit zur Zwangsversteigerung ausgeschrieben, weil der nun arbeitslose ehemalige Angestellte die Raten seines Kredites nicht mehr bedienen konnte. Er lebt heute im englischsprachigen Raum. Die Schulden der privaten Haushalte, im Besonderen aber die Staatsverschuldung in den USA, in Europa und speziell in Portugal sind in der Zwischenzeit astronomisch gewachsen.

Kapital in Form von Forderungen und Schulden wird bloß umgelagert. Es entsteht ein perfider Kreislauf. Staaten verschulden sich bei den Banken, um damit die Banken zu retten, die wiederum hoch verschuldet sind. Das wird im Laufe der Zeit immer teurer, weil durch die wachsende Staatsverschuldung auch die Bonität der Länder sinkt und die Zinsen steigen. Mit den Hilfsgeldern der Staaten sollen die Banken ihrerseits Staatsanleihen kaufen, also Kredite an die Länder geben, damit sich diese billiger, also für geringere Zinsen, Geld bei den Banken leihen können. Ein absurdes Theater.

Die 5.000 jährige Geschichte des Schuldenmachens*² hat gezeigt, dass es nur vier Wege gibt, Schulden abzubauen: durch einen Schuldenschnitt, durch Wirtschaftswachstum, durch Inflation und durch Revolution. Ein weltweiter Schuldenschnitt bedeute, dass jeder Gläubiger, der hinter einem Kredit steht, auf seine Forderung verzichtet. Die Folge wäre eine globale Pleite von Banken, Versicherungen und allen anderen institutionellen Großanlegern, also im Prinzip ein Crash.

Inflation liefe auf ein vergleichbares Szenario hinaus. Bliebe also nur das alte Rezept: Wirtschaftswachstum. Die Hoffnung, „aus den Schulden wachsen“ zu können, weil die Schuldenlast im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung abnimmt. David Graeber schreibt „jeder Umsturz, jede Revolution beginnt mit Schulden, wenn die Gesellschaft nicht mehr bezahlen kann…“

Götterdämmerung.

Es spricht viel dafür, so Ugo Bardi,* dass es schlicht nicht mehr genügend Ressourcen auf der Erde gibt. Der Aufstieg der westlichen Industrienationen basiert auf der Ausbeutung der natürlichen Ressourcen, die für die Menschheit (auch der Schwellenländer) in diesem Umfang nicht mehr zur Verfügung stehen. Hinzukommen die Folgen des Klimawandels und die Belastungen der Umwelt. Schon jetzt ist der Kampf um die weltweit noch verfügbaren Rohstoffe entbrannt. Bis heute ist eine der großen Menschheitsfragen des 21. Jahrhunderts, die Frage nach dem Weg in eine postfossile Gesellschaft, vollkommen unbeantwortet.

Experten streiten sich heute lieber über das Datum des PeakOils und die Menge des geförderten Erdöls, das langsam aber beständig sinkt, als über Alternativen nachzudenken. Das weltweite Transportsystem und der globalisierte Handel basieren aber fast ausschließlich auf Erdöl oder Erdgas. Zu den wenigen, die darüber diskutieren, gehört der Brite Rob Hopkins. Der Zukunftsforscher, Umweltaktivist und Gründer der Transition-Bewegung sieht die Lösung in einem weltweiten lokalen Netzwerk der ökologischen Landwirtschaft, welches das europäisch-transatlantische Freihandelsabkommen TTIP unnötig macht und kurze Transportwege favorisiert.

Mit dem Ausbruch der Finanzkrise in 2008 begann eine Krise, die unser gesamtes Wirtschafts- und Gesellschaftssystem vor ein ungelöstes Problem stellt: zur Herstellung von Gütern müssen längst nicht mehr alle Menschen arbeiten. Der Fortschritt vernichtet systematisch menschliche Arbeit, denn im Mikrokosmos eines Unternehmens ist Arbeit ein Kostenfaktor, der dann gestrichen wird, wenn es eine günstigere Alternative gibt. Warum also nicht allen Bürgern ein bedingungsloses Grundeinkommen zahlen bei Streichung alles Sozialtransfers wie Arbeitslosengeld, Rente, Bafög, Kinder- und Wohngeld?

Widersprüche aus betriebswirtschaftlicher- und volkswirtschaftlicher Logik sind nicht mehr zu lösen. In allen Wirtschaftszweigen werden raffinierte Computer, Telekommunikation, Roboter und andere Technologien des Informationszeitalters mit rasender Geschwindigkeit menschliche Arbeitskraft ersetzen. Die Hoffnung, verloren gegangene Industriearbeitsplätze würden durch Jobs im Dienstleistungssektor ersetzt, bewahrheitet sich nicht. Die Menschheit von jetzt 7,3 Milliarden Bewohnern befindet sich mitten in einer Umwälzung, die die industrielle Revolution noch übertrifft. Die Arbeit wird auf lange Sicht verschwinden, zumindest für einen Großteil der Menschen.
Bald müssen nur noch 20 Prozent der Bevölkerung arbeiten, so der amerikanische Vordenker Jeremy Rifkin*³, um die Nachfrage der Welt zu befriedigen. 80 Prozent müssen durch Brot und Spiele beschäftigt werden.

ilustrar estória RBIDie Arbeitsgesellschaft, die jedem Menschen ein anständiges Leben ermöglichen sollte, stirbt aus. In Portugal und in anderen Ländern Europas rutschen seit 2008 große Teile der Mittelschicht in die Armut. Das ist nur der Anfang einer Entwicklung, die sich in den kommenden Jahren weiter verstärken wird. Immer weniger Arbeit wird unter immer mehr Menschen aufgeteilt. Die Stücke des gesellschaftlichen Kuchens werden immer kleiner. Die Menschen in Europa, die gerade erst an der Grenze zu einer Zukunft stehen, die ihr Leben vollkommen verändern wird, spüren diesen Druck schon jetzt. Der berufliche und familiäre Druck wächst. Die wenig Gebildeten bekommen erst gar keine Arbeit mehr. Diejenigen, die gerade eben noch einen Job finden, müssen länger und härter arbeiten, und sie bekommen dafür weniger Geld, weniger soziale Absicherung, weniger Rentenansprüche und keine Anerkennung. Die Hochgebildeten verlassen Portugal in Richtung Großbritannien, Deutschland, Luxemburg, Schweiz, die Arabischen Emirate. Schlaue, kluge Menschen müssen vielleicht keine Armut fürchten, aber sie kämpfen darum, den Wohlstand ihrer Familien zu halten. Sie kämpfen gegen die eigenen Erwartungen, gegen ihr persönliches Scheitern, den Vorwurf, ihre Chancen nicht genutzt zu haben. Die Rücksichtslosen wandern dabei durch die Hierarchien nach oben. Die Sensiblen bleiben auf der Strecke und fragen sich, warum die Welt so schwierig geworden ist.
Die Menschen an beiden Enden der Skala teilen eine Gemeinsamkeit: Sie nehmen den zunehmenden Druck, der auf ihnen lastet, als gegeben hin, als allgemeinen Zustand. So sei eben das Leben, sagen sie. Ökonomische Gewalt ist kennt keinen Schuldigen. Vielleicht aber leben wir gerade jetzt in einer kritischen Epoche, die einen Paradigmenwechsel und das bedingungslose Grundeinkommen ermöglichen. Schon Im Jahr 1516 begann Thomas Morus erstmals eine Diskussion über das BGE mit seinem Roman „Utopia“. Viele Vordenker und Philosophen haben sich in der Zwischenzeit des Themas angenommen, wie Charles Montesquieu, der im Jahre 1712 schrieb: „Der Staat schuldet allen seinen Einwohnern einen sicheren Lebensunterhalt, Nahrung, geeignete Kleidung und einen Lebensstil, der ihre Gesundheit nicht beeinträchtigt.“
Auch John Stuart Mill meldete sich in seinem zweiten Buch mit dem Titel Prinzipien der politischen Ökonomie im Jahr 1869 über das Bedingungslose Grundeinkommen positiv zu Wort. Das Streben nach Wachstum bezeichnet er darin als Sucht. Auch Erich Fromm plädierte 1955 in seinem Buch Wege aus einer kranken Gesellschaft für ein arbeitsunabhängiges Grundeinkommen und begründete dieses mit dem Recht, aus persönlichen Gründen eine Arbeit auszuschlagen, ohne Hunger oder soziale Ächtung zu erleiden.

Nun sehen wir täglich, wie die politischen Führer Europas regelmäßig in Brüssel zusammen kommen. Eine Sitzung jagt die andere. Verzweifelt suchen sie nach einem Ende der Krise um Griechenland. Sie versuchen „den Euro zu retten“, aber wollen eigentlich nur einen Vertrauensverlust in das ungedeckte Finanzsystem verhindern. Die Politiker Portugals und Europas blenden die wahren Probleme der Krise aus. Warum klammert sich die Politik so sehr an das bestehende System? Die Antwort ist ziemlich einfach zu geben. Es gibt informelle Treffen von Vertretern aus Politik, Wirtschaft und Medien, den Zirkeln und Bühnen der Macht, Möglichkeiten der Einflussnahme auf wichtige politische Entscheidungen. Auf die Herausforderungen der Weltwirtschaft angemessen zu regieren, hieße nicht weniger, als einen Systemwechsel zu wagen. Daran jedoch hat niemand ein Interesse, der vom bisherigen System profitiert: die ökonomische Elite, die aus ihrem Geld noch mehr Geld machen und damit reale Güter kaufen kann.

Natürlich fürchtet die Politik das Chaos, das ein unkontrollierter Zusammenbruch der Wirtschaft mit sich brächte: eine Kreditklemme, Rezession, Insolvenzen, Arbeitslosigkeit, ein Zusammenbruch der Sozialsysteme, massive Wohlfahrtsverluste. Ein Kollaps mit unabsehbaren Folgen: Kriege.

Das weltweit dominierende Wirtschaftssystem funktioniert nur, solange mehr Jobs entstehen als verloren gehen. Es ist keine Zukunftsbranche in Sicht, die den Menschen wieder massenhaft Arbeit geben wird. Darauf hat unser auf Wachstum frisiertes kapitalistisches Wirtschaftssystem bis heute keine Antwort gefunden. Auch ein natürliches, stetiges Wirtschaftswachstum ist nicht mehr möglich. Die Superblase des Finanzmarkts, die jetzt dieses Problem fast 30 Jahre mit sich herumschleppt, platzt vermutlich bald. Die Notenbanken zögern den endgültigen Vertrauensverlust in das Währungssystem noch ein wenig hinaus.

Die marktliberalen Annahmen, dass etwa Profite auf den Finanzmärkten der Wirtschaft helfen oder niedrigere Löhne Arbeitslosigkeit eindämmen, haben sich als falsch erwiesen. Trotzdem halten die alten ökonomischen Eliten und die Politik am System fest, während die Mittelschichten ihren Wohlstand verlieren und die Armut im „reichen“ Westen zurückkehrt. Diese Situation wird den Menschen von den Medien als „alternativlos“ verkauft. Dabei wird es bald eine historische Notwendigkeit sein, sich über Alternativen Gedanken zu machen. Für das 21. Jahrhundert stellen sich gleich mehrere Fragen.

Wie lassen sich die ungedeckten Finanzwerte aus dem Wirtschaftskreislauf abziehen, ohne dass dieser vollkommen zusammenbricht?

Was für ein Wirtschaftssystem funktioniert ohne stetiges Wachstum?

Wie sieht eine menschenwürdige Gesellschaft aus, in der ein großer Teil der Menschen nicht mehr arbeiten muss?

Es ist unklar, wie lange sich der Ausbruch einer Kettenreaktion mit dieser Krisenpolitik noch hinzieht. Schon eine unkontrollierte Staatspleite in Griechenland, könnte den Crash auslösen. Selbst wenn es irgendwie gelänge, die ungedeckten Finanzwerte und damit die Schulden kontrolliert abzubauen – ohne einen Zusammenbruch der Wirtschaft, ohne soziale Unruhen und Bürgerkriege – blieben die langfristigen Fragen dennoch ungelöst.

Welches nachhaltige Produktions- und Verteilungssystem ermöglicht den Menschen in einer Postarbeitsgesellschaft ein Leben in Würde und Frieden? Die Antwort führt viel weiter als zu neuen wirtschaftspolitischen Systementwürfen. Es ist die Frage nach dem Wesen des Menschen. Vielleicht schaffen wir es noch zu einem fairen, soliden aber einfachen Steuersystem zu kommen, das diejenigen zur Kasse bittet, die über ihre Verhältnisse leben und jene belohnt, die innerhalb der Margen des Kyoto-Abkommens von 1997 leben. Kyoto sagt, das jedem Europäer nicht mehr als 3.000 kg CO² Emission pro Jahr zustünde. Im Übrigen sollte Geld wieder zu dem werden, was es ist, ein echtes Tauschmittel für Waren und Dienstleistungen. Unsere Enkel werden uns irgendwann einmal fragen: Was habt ihr uns Nachkommen übrig gelassen außer Müll?

Wollen wir uns anstrengen oder den Kopf in den Sand stecken? Wir könnten Werte wie Mitgefühl und Solidarität in den Mittelpunkt einer ethischen Ökonomie stellen, deren Basis die Ökologie sein wird. Vielleicht wird es dann eine Hinwendung zu Bedürfnissen geben, die jenseits des Konsums liegen, die dem inneren Wachstum und der persönlichen Entfaltung als Mensch dienen. Vielleicht werden wir uns mehr den Dingen des Lebens widmen, die nicht verschwinden, wenn wir sie verbrauchen, sondern die erst durch das Teilen wachsen und mehr werden: Liebe, Vernunft, Phantasie.

Mit der Schaffung des bedingungslosen Grundeinkommens für jeden Bürger Portugals, Europas, ja für jeden Erdenbürger, motivieren wir Bestrebungen, etwas um unserer Selbstwillen zu tun und nicht (nur) nach der Rendite zu fragen, wenn es um Investitionen geht. Einfach nur, weil es Spaß macht, einfach weil Interessen befriedigt würden oder es für uns eine große Herausforderung darstellt. Das beste Beispiel: ein Autor schreibt eine Geschichte.

*¹ Glücksökonomie:Wer teilt, hat mehr vom Leben, Annette Jensen, Ute Scheub, Oekom Verlag München
*² Prof. David Graeber, „Schulden, die ersten 5000 Jahre“, Verlag Melville House, New York und Klett-Cotta, Stuttgart
*³ Jeremy Rifkin „Die Nullkosten Grenzkosten Gesellschaft“ by Palgrave Machmillan

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