Vor zehn Jahren entschied ich mich, alle Maschinen und Motoren, die fossile Brennstoffe benötigen, abzuschaffen. Zu der Zeit fuhr ich einen alten benzinbetriebenen Renault Kangoo und hatte immer ein schlechtes Gewissen, wenn ich ein Stück Fleisch aß. Einige Kollegen kauften sich damals neue Autos. Ich dachte darüber nach, was ich mit meinem Geld machen könnte. Ich entschied mich, unabhängig zu werden, mich zu befreien von den Zwängen einer auf fossilen Energien basierenden Gesellschaft. Ich traf eine grundlegende Entscheidung und kaufte mir kein neues Auto. Ich fuhr mein verbeultes Auto aus dem Jahr 1998 einfach weiter bis ins Jahr 2015. (880.000 km) Mir war das egal, was die Leute hinter meinem Rücken über mich erzählten. Als erstes investierte ich in 40 Solarmodule, die in zwei Nachführanlagen von morgens bis abends eigenen sauberen Strom produzierten. Ganz leise surrten sie dahin und transformierten Sonnenlicht zu Elektrizität. Während ich ein Buch las und in der Hängematte lag, arbeiteten die Solarmodule für mich, denn sie produzierten drei Mal soviel Strom wie wir alle im Haus verbrauchten. Ich verkaufte sogar die überschüssige Energie. Das war der erste Schritt. Und von da an fühlte ich mich schon etwas besser.
Die unendliche Testfahrt
Das Ziel also war klar definiert. Ich wollte klimaneutral werden. Ich wußte von Anfang an, wohin mich die Entscheidungen bringen sollten und dass ich mich selbst weiterentwickeln mußte. Und wenn ich das nicht mit einem Schritt schaffen sollte, dann eben in vielen kleinen. Fünf Jahre später machte ich den zweiten Schritt. Ich kaufte mir ein Elektroauto und entschied mich für einen Renault Zoe. Mein Fußabdruck schrumpfte weiter. Ich war davon überzeugt, der stille Wagen sollte eine Mindestreichweite von 250 km besitzen und es war für mich wichtig, daß ich ihn mit eigener grüner, selbst erzeugter Energie aufladen konnte. Meine 40 Solarzellen freuten sich schon. Seit 2010 wartete ich auf so ein Fahrzeug. Die Automobilindustrie aber war noch nicht so weit. Fünf Jahre mußten vergehen, bis ich ihn mir leisten konnte und weitere fünf Jahre vergingen bis die Herstellung des Wagens ökologisch abgeschrieben war: ZERO Emission sowohl beim Auto selbst, als auch bei der eigentlichen Mobilität. 75.000 km bin ich nun damit unterwegs, war in ganz Portugal und im benachbarten Spanien und ich erlaube mir, nun einen Testbericht zu schreiben. Denn wer so viele Kilometer mit einem Elektroauto gefahren ist, hat eine Erfahrung mit einen Auto gemacht, über das er schreiben kann. Und es gibt da noch einige Geheimnisse, die ich etwas später verrate.
Doch zuerst zu den Mythen. Elektroautos gelten als klimafreundlich, weshalb die Autoindustrie Milliarden investiert, schreiben Journalsiten. Diese Aussage ist falsch. Renault verdient mit Elektoautos nichts weiter als Geld. Über Umweltfreundlichkeit spricht man nicht, man ist es, – oder nicht. Der Rest ist Greenwashing. Autos sind nicht umweltfreundlich und werden es auch nie werden. Renault verdient schon hundert Jahre Geld mit sogenannten Benzinern und Dieselautos und nun machen sie das Gleiche mit Elektroautos und hoffen, dass sie damit gut weiterfahren. Eine Generation löst eben die andere ab. Langsam und zäh ist dieser Prozess der Transformation. Die Nachfrage nach Elektroautos ist immer größer als das Angebot. Das heißt, der Kunde ist mental schon viel weiter als der Hersteller selbst. Man wartet auf sein Elektroauto, weil noch viele Benziner hergestellt werden. Deshalb dauert die Lieferung lange.
Immer stärker rücken Menschenrechte und Umweltschutz ins Blickfeld, weil viele Rohstoffe für die Batterien unter prekären Bedingungen gewonnen werden: für den Kobaltabbau in Kongo werden Kinder als Bergleute eingesetzt, giftiger Abraum verseucht die Umwelt, die Gewinne werden für Kriegshandlungen eingesetzt. Mit der Gewinnung von Lithium wiederum wird den Menschen im Umkreis von Salzseen buchstäblich das Wasser abgegraben. ECO123 berichtete bereits über die Absicht eines britischen Konsortiums im Norden Portugals Lithium abzubauen. Mit der Plünderung der Ressourcen aus Mutter Erde werden fast immer Umweltverbrechen begangen. Ist also die Investition in ein Elektroauto nicht besser als der Kauf eines mit fossilen Energien betriebenen KFZ? Die Antwort auf diese Frage sollte sich jeder selbst geben.
Wer sich jetzt überlegt, ein Elektroauto zu kaufen, sollte sich auf keinen Fall einen Plug-In kaufen. Das ist absolute Zeit- und Geldverschwendung. Doch kommen wir noch einmal zurück zu den Mineralien, den seltenen Erden. Beide Schlüsselmineralien wollen die europäischen Autohersteller künftig nur noch aus zertifiziertem Abbau beziehen. Ob das wahr wird? Dabei gehe man über die OECD-Leitlinien hinaus, die vor allem soziale Belange berücksichtigen. Ich bin neugierig. Um auch Umweltrisiken beim Abbau der Rohstoffe zu minimieren, haben die europäischen Hersteller die Anforderungen an die Auditierung der Minen höher gesetzt. Verlangt wird jetzt, dass sich die Lieferanten am Bergbaustandard IRMA (Initiative Responsible Mining Assurance) orientieren. „Wir werden künftig nur noch mit Lieferanten zusammenarbeiten, die diesen Vorgaben zustimmen“, sagt Renault Chef Luca de Meo. (nicht zu verwechseln mit der Telefongesellchaft gleichen Namens) Was aber noch viel wichtiger als die Zertifizierung ist, sollte das Recycling der Batterie sein. Da habe ich recherchiert und keiner der Renault-Händler konnte mir eine definitive, klare und belastbare Auskunft geben, was ein Autobesitzer mit einer Batterie macht, die ihre Lebensdauer überschritten hat. Lassen Sie es sich beim Kauf eines Elektroautos schriftlich geben, dass Sie die Batterie nicht nur zurückgeben dürfen, sondern auch noch einen Restwert dafür ausgezahlt bekommen. Denn die Mineralien sind wertvoll. Oder mieten Sie sich die Batterie. Renault hat das im Angebot.
Nun dann. Ich erinnere mich sehr an eine erste lange Fahrt mit dem Renault ZOE von Monchique nach Idanha-a-Nova, von dort nach Coimbra, nach Lusã und dann zurück an die Algarve. Soll ich ihnen die ganze Geschichte erzählen, oder besser, es kurz machen? Ich führe immer auch ein normales Ladekabel mit mir, so daß ich das E-Auto an jeder normalen Steckdose in Hotels, Restaurants, bei Freunden usw. aufladen kann. Noch etwas habe ich mir abgewöhnt. Schnelligkeit. Vor kurzem fragte mich ein Student, wie ich die Entschleunigung angegangen sei. Mir fiel das Elektroauto ein, was ich ihm dann auch erklärte. Man wird ruhiger, gemütlicher und langamer. So schnell der Elektromotor das Auto auf Touren bringt, was dem Fahrer ein Gefühl enormer Sicherheit beim Überholen gibt, so viel Geduld braucht es beim Aufladen an der Steckdose. Ich gehe dann immer einen Kaffee trinken. Nach Lissabon oder Porto fahre ich trotzdem mit dem Zug. Mit dem Elektroauto zum Bahnhof und dann geht es gemütlich mit dem Alfa Pendula oder Intercity weiter.
Mein ZOE ZEN ist ein E-Auto, das ich lange fahren werde, so lange jedenfalls, wie es funktioniert. Bisher hat der ZOE mich drei Mal in fünf Jahren im Stich gelassen, immer Probleme mit dem Lademechanismus der Batterie. Das aber waren Kinderkrankheiten und Renault stellte einen Ersatzwagen, während der ZOE in der Werkstatt in Lissabon repariert wurde. Es gibt keine Werkstätten für Elektroautos im Süden des Landes. Warum eigentlich nicht? Fünf Jahre Garantie bekam ich, die jetzt zu Ende gehen. Auf dem Weg zum Festival in Idanha-A-Nova habe ich mehrmals auf Campingplätzen übernachtet und ihn an den Steckdosen meiner Parzellen wiederaufgeladen, genau dort, wo mein Zelt stand. Alles kein Problem. Wenn die Batterie sich schneller leert, dann fahre ich automatisch langamer. Dann erhöht sich die Reichweite und es werden mehr Kilometer. Ein Elektroauto funktioniert ja ein wenig wie ein Perpetue Mobile. Die Batterie lädt sich beim Fahren immer wieder ein wenig auf. Irgendwann, wenn ich so langsam vor mich hinfahre, hupen die Autos hinter mir. Aber das ist mir egal. Das Auto wird dann noch genügsamer. Mein Durchschnittsverbrauch liegt bei zehn kw/h auf 100 km. Das ist sensationell, denn damit kosten 100 km, nachts aufgeladen, (Tarif bi-horário grüner Stromanbieter Coopernico) nur noch 90 cent. Die Fahrweise eines Elektroautos macht es und wenn ich die fünf Jahre mit dem ZOE in Vergleich mit dem Benziner Renault Kangoo setzte, habe ich beim gleichen Kilometervolumen in fünf Jahren jährlich 2.000 Euro an Benzin gespart. Ich fahre 15.000 km im Jahr zu einem Gesamtpreis von 135 Euro. Da rechne ich keinen Ölwechsel und andere Ersparnisse für ein fossil betriebenes Auto hinein.
Was bei Renault stört, sind die teuren Inspektionen. Toyota bietet die Inspektionen bis zu 75.000 km gratis an. Daran sollte sich Renault messen. In fünf Jahren habe ich schon 500 Euro bei Renault nur für Inspektionen gelassen. Was am ZOE auch stört, ist der linke tragende vertikale Dachholm am linken Rand der Windschutzscheibe. Hier hat der Designer einen veritablem Bock geschossen. Der Holm stört beim Fahren immer dann, wenn ich in eine Kurve fahre oder abbiegen möchte. Der Holm nimmt einem die halbe Sicht. Er ist zu breit. Auch die Sitze des ZOE ohne individuelle Kopfstützen-Einstellung sollte Renault verbessern. Die Kopfstützen sollten individuell an die Größe des (Bei)Fahrers anpaßbar sein. Die Beinfreiheit bei vier Insassen ist befriedigend, bei fünf Personen wird es problematisch. Sehr sicher ist die Straßenlage des Elektroautos. Die Batterien liegen unter den Vordersitzen und geben Stabilität. Die Stoßdämpfer sind hart und genau richtig für das Auto.
Was das Aufladen anbelangt, habe ich vor einem halben Jahr bei einer kleinen aber freundlichen Servicegesellschaft eine Karte beantragt und nach drei Tagen erhalten und das alles ohne viel Bürokratie und ohne Umstände. Sie heißt https://factorenergia.pt und hat ihren Sitz auf der schönen Insel Madeira. Kann ich sehr weiterempfehlen. Guter Service. Freundliche Leute. Meine Karte trägt eine kleine dreistellige Nummer. So viele Elektroautos scheint es dort noch nicht zu geben. Also, bitte weitersagen. Irgendwann, noch vor dem Ende dieses Festivals fuhr ich dann lange vom Osten Portugals nach Westen und traf Stunden zu spät in Coimbra ein, wo schon zwei Freunde geduldig auf mich und meinen besten Freund Max gewartet hatten. Ich hatte mit der 24 kWh Batterie rekordverdächtige 263 km geschafft. Mit dem letzten Tropfen Strom im Tank traf ich am Schnellaufladegerät ein. Danach fuhren wir in die Berge, ließen das Auto stehen und gingen wandern. Es gibt nichts schöneres, als zu Fuß durch ein Gebirge zu gehen, von alten Kastanien umgeben, in einem Wald bei Lusã. In den Zeiten dazwischen lädt sich der ZOE an einer Steckdose wieder auf und wartet auf neue Abenteuer.