Samstag, der 21. September 2024.
Über den individuellen Fußabdruck sich Gedanken zu machen, kann ein wichtiger Teil der Lösung der Klimakrise auf unserem Planeten sein. Wir müssen natürlich auch über die großen Klimabetrüger sprechen und endlich eine transnationale Exit-Strategie für diese finden: für BP, Shell und Exxon, für Gazprom, Aramco, China-Coal und Rio Tinto und die anderen 93 multinationalen Konzerne, die ihr Geschäft mit fossilen Brennstoffen und dem Abbau von Mineralien und Erzen machen, auf Kosten der Menschheit, auf Kosten der Bewohnbarkeit unseres blauen Planeten. 100 multinationale Konzerne emittieren rund 80% des weltweiten CO2 und acht Milliarden Menschen verfeuern diese fossilen Brennstoffe. Und wir sollten auch den Staat und seine Subventions- und Steuerpolitik einmal sehr genau unter die Lupe nehmen und hinterfragen. Warum darf beispielsweise ein einziges Unternehmen zehn Prozent der Landfläche Portugals mit hochbrennbaren Eukalyptus bepflanzen lassen? Der Wald als Ressourcenspender. Alles muß auf den Prüfstand. Natürlich auch mein eigener individueller CO2-Fußabdruck. Ich kehre nämlich zuerst vor meiner eigenen Haustür. Da, wo ich es kann und dort, wo ich meine Verantwortung trage, für mich selbst. Ich sage nicht, lass die anderen mal anfangen mit der Reduktion der CO2 Emissionen. Dazu gehört auch, daß ich mich transparent mache.
Ich habe ein Grundstück von der Fläche eines Hektars (10.000 m²) zum Freundschaftspreis von einem alten Freund gekauft, der damals meinte, ich bräuchte unbedingt ein Grundstück, wenn ich in Portugal bleiben wolle. Das war noch in den 90ern des letzten Jahrhunderts. Mit diesem Stück Erde, das ich heute besitze, fällt mir der Gedanke an meine Netto-Null Emission etwas leichter. Wer kein solches Grundstück besitzt, der sollte das Dach seines Hauses, oder den Balkon der Einliegerwohnung benutzen, um sauberen Solarstrom selbst zu produzieren. Das wäre dann eine Nummer kleiner, aber man fängt bekantlich immer mit einem ersten Schritt an. Ich lebe in Portugal und bin Herausgeber dieser Zeitschrift. Ich stamme ursprünglich aus Deutschland, wo ich zur Schule ging, studiert und den Beruf des Journalisten erlernt habe. Dann verwirklichte ich einen Traum aus frühen Tagen. Ich kaufte mir von meinem ersten Regiehonorar beim Fernsehen ein Segelboot und segelte hinaus aufs Meer und in die Welt.
Auf diese Weise gelangte ich nach Portugal: mit dem Wind. Weiter bin ich nicht gekommen. Damals, vor etwas mehr als 30 Jahren, veränderte sich bereits das Klima und mit ihm die Winde, das Wetter, die See. Und seitdem reden wir um den heißen Brei herum und tun nicht genug: denn es wurde immer wärmer, so schien es mir, die Sommer immer länger, die Winter immer kürzer, es regnete unregelmäßiger, mal viel mehr und dann wieder weniger und auch der Wind wechselte häufiger und brachte – nichts – statt Regen. Wer in den letzten 25 Jahren geboren wurde, hat keine Vergleichswerte von dem Klima, wie es vorher war, besonders auf dem Meer. Ich lebte auf diesem Segelboot und meine Frau war schwanger. Also gingen wir an Land, um die Geburt unseres Kindes vorzubereiten. So wurden wir von unserem nächsten Nachbarn im Monchique-Gebirge warmherzig willkommen geheißen. Eines Morgens brachte er uns ein Geschenk in unserm neuen Zuhause: zwei Eimer mit Lebensmitteln, in einem Eimer Kartoffeln, im anderen Tomaten, Paprika und Zwiebeln. In was für eine freundliche Welt waren wir da hineingeraten? Portugal! Wir lebten weit weg von der Zivilisation in der Natur des Gebirges, ohne Strom und mit fließendem Wasser einer Quelle. Die Welt schien in Ordnung, unsere Welt, unser neuer Garten Eden.
Dort wurden wir ziemlich bald auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt, als uns ein Starkregen heimsuchte und von einem über die Ufer getretenen Bach nach einem Gewitter blieb nichts, wie es vorher einmal war. Der Orangengarten mit 60 Bäumen? Weggespült. Innerhalb von sechs Stunden regnete es die Menge eines Vierteljahres: 270 mm. Der Gebirgsbach, der normalerweise keine 30 cm tief war, trat über die Ufer und schwoll auf sechs Meter an. Die Nachbarn retteten sich auf das Dach ihren Hauses. Wir waren zutiefst erschrocken. Die Vorboten des Klimawandels kündigten sich uns an. So beschäftigen wir uns intensiv mit den Ursachen, als im nächsten Sommer auch noch der ganze Wald um uns herum in Flammen stand. Auf diese Weise veränderte sich unsere Perspektive von dieser Welt in der wir lebten. Was konnte ich daran ändern?
Der Treibhausgas-Effekt.
Seit dem Tag des ersten Waldbrands begann in mir die Idee zu reifen, sich von  fossilen Brennstoffen zu verabschieden – und kein CO2 mehr in meine Atmosphäre zu emittieren, sich zu befreien vom Übel unserer energieintensiven Gesellschaften. Diese Idee bekam einen Fahrplan. Mein Ziel war sehr klar definiert, ich will klimaneutral werden, verbunden mit der Frage, wie kann ich meine Welt an meine Kinder eines Tages weitergeben, die um so vieles schlechter bewohnbar sein wird, als ich die Welt von meinen Vorfahren übernommen habe? Es geht mir dabei um nichts anderes als um die Bedingungen für ein gutes und nachhaltiges Leben auf unserem Planeten. Und kann ich überhaupt etwas ändern? So begann ich mit einem ersten vorsichtigen Schritt, denn ich glaube an die Macht der kleinen, wohlüberlegten Schritte und daran, daß wir uns hinterfragen müssen, jeden Tag aufs Neue.
Schritt 1: Wie mache ich mich energieunabhängig?
Ich kaufe nichts mehr aus China oder aus dem fernen Osten, was ich nicht aus lokaler, regionaler oder nationaler Produktion auch kaufen kann. Kurze Wege reduzieren die CO2-Emissionen. Installieren Sie auf ihrem Grundstück mindestens eine Nachführanlage mit 20 Solarmodulen von jeweils (Stand 2024) 430 Watt. Die kaufe ich zum Beispiel von dem Unternehmen Meyerburger aus Ostdeutschland oder direkt in der Schweiz, dem Hauptsitz von https://www.meyerburger.com in Gwatt (Thun) oder beim spanischen Solarhersteller Eurener in Valência: https://eurener.com. Es gibt sie noch, diese letzten europäischen Solarpanele-Hersteller. Also was? Informieren Sie sich, wenn Sie sich befreien wollen, so wie ich es gemacht habe. Lassen Sie nicht locker und fragen Sie ihrem Bankberater Löcher in den Bauch. Denn Sie wollen eine Lösung, zum Beispiel die Finanzierung für die Solaranlage.
Rund acht Kilowatt Leistung sollten für den Anfang reichen, die Sie in das Stromnetz einspeisen können, dann brauchen Sie auch keine Lithium-Ionen-Batterie zur Speicherung des Stroms kaufen. Sie schließen gleichzeitig einen Versorgervertrag auf Gegenseitigkeit mit einem grünen Stromproduzenten ab. Zum Beispiel in Portugal mit der https://coopernico.org oder in Deutschland mit der BürgerEnergieGenossenschaft Losheim am See: https://beg-hochwald.de und verkaufen ihr den Strom, den Sie mit den Solarpanels produzieren. Und Sie werden dort auch Mitglied (Genosse) oder suchen sich in Ihrer Nähe eine andere Energiegenossenschaft. Machen Sie sich frei. Werden Sie unabhängig. Sie werden merken, Sie werden mit diesem ersten Schritt wachsen…
Allein in Spanien gibt es mehr als 1.500 Energiegenossenschaften. Sie werden feststellen, daß Sie mehr saubere Elektrizität mit 20 Solarpanels produzieren als Sie selbst verbrauchen und Sie verdienen damit auch noch gutes Geld. Das nehmen Sie, um den möglichen Kredit, zum Beispiel bei der GLS Bank in Bochum abzubezahlen, den die Nachführanlage gekostet hat und die Sie über diese grüne Bank finanzieren können. Die Investition durch den Kredit können Sie übrigens von der Steuer absetzen. Ich spreche von einer überschaubaren Investition von rund 15.000 Euro. Bleiben Sie immer dran und informieren Sie sich über nachhaltige Banken selbst bei https://gabv.org …
Als ich meine Anlagen 2010, also vor knapp 15 Jahren kaufte, zahlte ich dafür noch 22.000 Euro pro System. Da kaufte ich zwei Nachführanlagen und investierte auf meine Weise nachhaltig. Daran sieht man, wie sich die Preise für Solarmodule in 15 Jahren nach unten entwickelt haben. Eine solche Anlage rentiert sich bereits nach rund vier Jahren und sechs Monaten. Dann ist sie mit den Geldern für die Stromeinspeisungen abgezahlt. Die Restlaufzeit über zehn Jahre und sechs Monate Einspeisung waren der Gewinn. Ich konnte die Einnahmen aus dem Stromverkauf damals wie heute gut gebrauchen. In Portugal verdient man Hungerlöhne als Journalist (und ich wollte mich nicht korrumpieren lassen) und ich hatte gerade wieder einen Waldbrand zu „reparieren“. Wir, die Genossenschaft Esgravatadouro in Monchique, wir haben für den neuen Wald, den wir zur Zeit pflanzen, eine potente Sprinkleranlage selbst gebaut und installiert. Denn es sollte damals nicht der einzige Waldbrand bleiben. Ich überlebte mit viel Glück und noch mehr Erfahrung fünf Waldbrände in den vergangenen 30 Jahren. Doch dazu später mehr.
Schritt 2: Fliegen war gestern – Bahn fahren ist morgen.
Die Natur zu schützen ist mir ein wichtiges Anliegen, eine Herzensangelgenheit, denn wer jedes Mal sieht, wie sie sich in Rauch und Asche auflöst, wird sensibilisiert. Beim Thema Mobilität fängt die Befreiung erst richtig an. Es war vor einigen Jahren, als ich klar stellte: in den Urlaub fliegen oder zu einem Interviewtermin, das war gestern. Und für die nächsten Jahre hatte ich mir vorgenommen, Europa – unseren eigenen alten Kontinent, einfach noch einmal besser kennenzulernen. Weniger ist mehr, vor allem langsamer ist gesünder. Seitdem vermeide ich Fliegen, wo es nur geht.
Beginnen Sie mal darüber nachzudenken, wie sie ohne Benzin, Diesel oder Kerosin von Portugal nach Norwegen kommen. Ich wollte nach Norwegen, um ein Interview zu führen. Ich muß Ihnen diese Geschichte einfach mal erzählen, denn sie ist ein gutes Beispiel für eine kritische Annäherung an das Thema Null Emissionen.
Ich wollte am 1. August 2018 mit dem Wirtschaftswissenschaftler und Psychologen vom Club of Rome, Per Espen Stoknes, über sein heute immer noch aktuelles Buch mit dem Titel „What do we think about when we try not to think about Global Warming“ (also über einen ganz bestimmten Aspekt der Klimakrise) ein Titelgespräch führen. Also setzte ich mich in Huelva, dem ersten spanischen Bahnhof nach Portugal in den TVE-Schnellzug und ab ging die Fahrt bei bis zu 320 km/h Speed über Madrid und Barcelona nach Gerona, natürlich elektrisch und nahezu emissionsfrei. Dort legte ich eine Pause ein und übernachtete. Am nächsten Morgen stieg ich kurz vor acht Uhr in den TGV, der mich über Lyon nach Paris brachte und weiter ging es vom Gare de Lest im ICE über Saarbrücken nach Frankfurt und Fulda – und das alles an einem einzigen Tag – im Zug von Nordspanien in die Mitte Deutschlands. Wozu brauche ich da ein Flugzeug, fragte ich mich, wenn ich fast ohne CO2 mit der Bahn fahren kann?
Dann, das gebe ich freimütig zu, wurde es etwas schwierig. Die Probleme der Deutschen Bahn kennen wir in der Zwischenzeit hinlänglich. Von Fulda über Hannover nach Hamburg war ich noch pünktlich. Aber von dort über Kopenhagen nach Göteburg zu kommen, war schwierig, weil der Zug von Hamburg aus nicht weiterfahren wollte. Er war nämlich kaputt. Ich wartete stundenlang auf einen Ersatzzug. Wer schon so viele Jahre in Portugal lebt wie ich, hat mit dem Warten kein Problem mehr. Der neue Zug kam irgendwann gegen Nachmittag, aber anstatt nachmittags um fünf Uhr in Schweden anzukommen, erreichte ich Göteburg erst um zwei Uhr nachts. Am vierten Tag fuhr ich dann mittags von Göteburg nach Oslo und das dauerte nur noch vier Stunden. Trotz der vielen Zeit in einem Zug wurde es mir nie langweilig. Entweder war die Landschaft atemberaubend – zum Beispiel mit dem Zug in eine Schiffsfähre zu fahren und über die Ostsee zu schippern – oder ich fand Mitreisende im Abteil, mit denen ich spannende Geschichten austauschen konnte. Ich bin Journalist, spreche drei Sprachen und nehme mir jetzt mehr Zeit in meinem Leben für mich und für andere in Gesprächen, weil ich mir ganz sicher bin, daß ich CO2 Emissionen vermeiden möchte und auch, weil ich das kann. Das Thema, fossile Brennstoffe nicht mehr zu verfeuern, rückte für mich an die erste Stelle in meinem Leben. Alles andere wurde damit nachrangig. Meine Uhr in mir wurde langsamer. Ich beendete das Rattenrennen, mich wie ein Hamster im Rad zu drehen. Ich wurde langsamer und damit aufmerksamer, bildete ich mir ein.
Die gesamte Zugfahrt, nahezu 4.500 km lang, emittierte ich nur 160 kg CO2. Das rechnete ich mir mit den verschiedenen CO2-Rechnern aus. Mit dem Flieger hätte ich mehr als das Zehnfache emittiert. Ich war dreieinhalb Tage nach Norwegen unterwegs. Ja und? Dann nahm ich mir einen Tag für das Interview und einen Tag später machte ich mich wieder auf den Heimweg. Die Tour hin und zurück kostete mich per Interrail-Ticket ganze 220 Euro plus 80 Euro Sitzplatzreservierungen. Selten habe ich mich so wohl gefühlt, wie auf dieser Zugfahrt – eine Reise mit der Zeit – und nicht gegen die Uhr. Auf der Rückfahrt bekam ich im Bahnhof in Kopenhagen die Nachricht, daß zuhause in Portugal, in Monchique der Wald wieder in Flammen steht. Ein Eukalyptus Baum hatte eine Hochspannungsleitung berührt und Funken entzündeten den Wald nördlich von Monchique bei Temperaturen von 44 Grad Celsius. Der menschgemachte Klimawandel hatte schon wieder zugeschlagen und menschliche Fahrlässigkeit taten das Ãœbrige…
Wenn ich heute von Monchique im Süden Portugals, wo ich lebe, nach Lissabon oder Porto fahren muss, weil ich dort ein Interview machen möchte, oder wenn ich von Köln nach Minden in Westfalen mit der Bahn fahre, kenne ich meine Emissionswerte ziemlich genau. Für lokale und regionale Ziele nehme ich seit 2016 das Elektroauto, das ich mit dem Strom der eigenen Solaranlage aufladen kann, und das ist sogar umsonst. Mobilität gratis! Die Scheichs und auch Wladimir Putin, sie erhalten von mir keinen einzigen Cent mehr!
In Portugal verdient ein Lokaljournalist sehr wenig Geld. Man muß den Euro zweimal umdrehen, bevor man ihn ausgibt. Aber in Portugal scheint die Sonne an 300 Tagen im Jahr – und zwar umsonst. Und da ich mir im Jahr 2010 vorgenommen hatte, bis zum Jahr 2025 klimaneutral zu werden, habe ich mir genau überlegt, wie ich das anstelle, wo genau ich anfange und wo das enden soll. In der Mitte der Zeit – also Ende 2015 ließ ich meinen Benziner verschrotten und hatte endlich genug Geld angespart, um mir Anfang 2016 ein E-Auto mit Unterstützung des Staates zu kaufen. In knapp zehn Jahren, bin ich damit 125.000 Kilometer ohne CO2-Emissionen gefahren und habe mehr als 20.000 Euro an Benzinkosten gespart. Denn die Frage der Ökologie ist auch immer eine Frage der Ökonomie.
Schritt 3: Was ich nicht messen kann … kann ich nicht reduzieren – also CO2 messen lernen.
Ich suchte nach einem Weihnachtsgeschenk für meinen Sohn. Es sollte ein Geschenk werden, das keinen Müll hinterläßt und etwas Besonderes darstellt. Eines Morgens wachte ich auf und wusste genau, was es sein sollte: ein Spiel – oder besser gesagt – einen Test. Das Kyoto-Protokoll von 1997, das 195 Staaten ratifiziert hatten, und der UN-Klimavertrag von Paris 2015 hatten mich maßgeblich beeinflußt. Im Folgenden werde ich das Geschenk „Spiel“ nennen und es spielt sich wie „Monopoly“ oder „Mensch ärgere dich nicht“. Wenn ich über eine Idee nachdenke, nehme ich oft den Gedanken mit in den Schlaf. Und wenn ich dann aufwache, habe ich sehr oft eine Lösung.
Mein Sohn und ich kreierten das Spiel gemeinsam. Und wie sollte es gespielt werden? Wer mitmacht, bekommt vom Schiedsrichter ein jährliches Online-Guthaben vom „Staat“ in Höhe von 3.000 kg CO2 zugeteilt und muß damit 365 Tage auskommen. Das war die Voraussetzung. Wer am Ende des Jahres noch ein Guthaben besaß, die/der hatte gewonnen. War so etwas machbar?
Die Maschine war ein Server mit einem Programm, das wir wie ein Online-Konto bei einer Bank für die Spieler vorprogrammierten: Es gab mehrere Felder, auf denen die 3.000 Punkte langsamer oder schneller vor sich hinschmolzen: Mobilität, Ernährung, Stromverbrauch, Haus, Heizen & Kühlen, Freizeit und Urlaub, Müll & Recycling usw. Ich liess mich von einem Test des Potsdamer Instituts für Klimafolgenforschung (PIK), welches in Berlin stattgefunden hatte, inspirieren und fragte die Abonnenten unseres Verlages, die LeserInnen von ECO123, ob sie mitspielen wollten, sich mit den anderen LeserInnen zu messen. 100 Teilnehmerinnen suchte ich für diesen Test, die nach und nach auch gefunden wurden. Das Spiel begann 2019 und jedeR verpflichtete sich, immer am Wochenende ein Online-Formular auszufüllen, das der Rechner aufnahm, schluckte und verarbeitete – und das über ein Jahr lang. Am Ende des Jahres blieben von den 100 LeserInnen noch 15 SpielerInnen im Spiel übrig. 85 Spieler hatten in der Zwischenzeit aufgegeben. Am Anfang paritätisch ausgewählt, Frauen und Männer, Junge und Alte, Portugiesen, Briten, Deutsche und Schweizer. Die entfernteste Teilnehmerin war eine Portugiesin, die in Norwegen eingeheiratet hatte und die Zeitschrift ECO123 dorthin abonnierte. Nur drei von den 15 schafften es letztendlich, einen CO2 Fußbadruck von weniger als 3.000 kg CO2 am Ende des Jahres zu hinterlassen. Drei von 100.
Jede Woche Freitag verschickte ich einen Newsletter mit Tipps, wie man das Spiel gewinnen könnte. Und es gab tatsächlich eine Teilnehmerin, die ihr Auto in der Garage parkte und fortan mit dem Bus und der Metro zur Arbeit fuhr. Sie schaffte sich auch eine kleine Balkon-Solaranlage an und versuchte mit viel Engagement, so wenig wie möglich ihres Guthabens zu „verfeuern“ … Und so ernährte sie sich an manchen Wochen vegetarisch und irgendwann auch vegan und lernte mit Alter von 55 Jahren das Kochen neu und ihre Stromrechnung genau zu analysieren. Im Laufe des Spiels hatte sich ihre Ernährung vollkommen verändert und auch ihr Stromverbrauch. Und auch beim Müllaufkommen reduzierte sie, in dem sie auf dem Wochenmarkt einkaufen ging, statt in den Supermarkt. Das Ganze passierte in der Großstadt von Lissabon. Plastikverpackungen vermied sie, und ernährte sich fortan bio. Beim Bauern direkt einkaufen und natürlich auf dem Wochenmarkt des Vereins AgroBio.
Mit dem steten Messen des Fußabdrucks im ECO123-CO2 Rechner setzen wir uns mit uns selbst spielerisch auseinander und versetzen uns dadurch in die Lage, den CO2-Fußadruck stetig zu verkleinern. Wir nannten des Spiel KYOTO.
Schritt 4: Die Bratwurst in Deutschland, das Bifana in Portugal und das Fleisch vom Tier…
Schwierig, schwierig, schwierig, die lieben Gewohnheiten lassen einen immer wieder zum Essen toter Tiere zurückkehren. Ich hatte mir immer wieder die Stierkämpfe in Spanien und Portugal angschaut und wollte unbedingt wissen, was machen die mit den toten Tieren? In Portugal werden die Stiere nicht in der Arena getötet. Die Quälerei dauert noch etwas länger. Stierkämpfe finden in Portugal meistens samstagabends statt. Dann wird das arme Tier auf einen Lastwagen gezerrt und muss den ganzen Sonntag über in der brütenden Hitze hinter der Arena blutend zubringen. Der LKW wird erst am frühen Montagmorgen zum Schlachthof gefahren. Ich wollte wissen, ob das nur eine Geschichte (eine Mär) oder Wirklichkeit ist.
Also setzte ich mich in mein Auto, holte den Schlafsack heraus und wartete, bis der LKW mit dem gequälten Stier früh am Montagmorgen von Albufeira zum Schlachthof ins benachbarte Faro gefahren wurde. Ich folgte ihm. Am Schlachthof angekommen, zog ich mir schnell einen weißen Kittel über und machte einen auf Fleischer, denn ich wollte das Fleisch des gemeuchelten Stieres käuflich erwerben. Warum? Ich hatte gehört, das man am Schlachthof billiges Rindfleisch unter der Hand kaufen könne, für 4,30 Euro das Kilogramm und daß Metzger das Fleisch teuer wieder an ihre Kunden weiter verkauften. Ich hatte mir Visitenkarten drucken lassen, um mich als Fleischer ausgeben zu können. Nach der Veröffentlichung meiner Reportage wurde der Schlachthof geschlossen, vermutlich aber deshalb, weil man dort einen neuen IKEA Markt und ein neues Shopping Center errichten wollte.
Immer schon hatte ich mir vorgenommen, mit dem Fleisch-, Wurst-, und dem Schinkenessen aufzuhören, weil mir immer stärker bewußt wurde, welche unglaublichen Quälerein wir Menschen mit den Tieren veranstalten. Den Hund und die Katze lieben wir über alles, das Schwein aber, das Kälbchen und das Hähnchen meucheln wir, millionenfach, jeden Tag. Alles um das sogenannte Nutztier herum verstecken wir, die sogenannte Mast, die Aufzucht mit billigen Soja-Futter aus dem Amazonas, die Antibiotika-Spritzen, die den Tieren unter das Fell gejagt werden, die Schlachthäuser und die Tierquälerei, die Massentötungen und so weiter. Ich schicke meine Volontäre bereits im ersten Jahr immer auf die Reise zu einem Schlachthof, damit sie dort recherchieren, wie das Tier zum Steak wird und was das bedeutet, als Tier und als Killer.
Ich danke meiner Großmutter, daß sie mir die Gichtkrankheit vererbt hat. Seit 2018 darf ich kein Fleisch und keinen Fisch mehr essen und ich trinke auch keinen Alkohol mehr und vespeise auch keine Meersfrüchte. In unserer Küche ernähre ich mich von Kartoffeln, Gemüse und von pflanzlichen Fetten wie eigenem Olivenöl und noch eine Weile – auch von tierischen Fetten wie Milch, Käse, Yoghurt und Eiern sowie Honig. Ich liebe die Früchte aus meinem Waldgarten: Nüsse, Mandeln, Weintrauben usw. Wir besprechen uns mittlerweile jeden Monat, ob wir vegan werden wollen und ab wann. Ich habe noch ein Jahr Zeit.
Mein Fußabdruck ist dadurch sehr viel kleiner gworden. Dadurch, daß ich mich fleischlos und lokal ernähre, habe ich meinen CO2 Fußabdruck um 35% verringert. Statt Kartoffeln zu kaufen z.B. in einem Supermarkt aus der Tiefkühltruhe als Pommes Frites mit einer CO2 Emission von knapp 5.000 Gramm por Kilo (der Elektizität wegen!) baue ich selbst Kartoffeln auf meiner eigenen Scholle an. Emisionen? 189 Gramm pro Kilo. Die fleischlose Ernährung spielt eine wichtige Rolle bei der Reduktion des eigenes Fußabdrucks und der eigene Acker. Also, wenn Sie einen Hektar haben, bewirtschaften sie ihn mit viel Liebe.
Schritt 5: Lebensmittel einkaufen
Schauen Sie mal bei einem Joghurt-Becher aus dem Supermarkt auf das Kleingedruckte, oder wenn Sie andere Lebensmittel einkaufen gehen: kaufen Sie grundsätzlich lokal und wenn es möglich ist, ohne Plastikverpackung – und orientieren Sie sich daran, nichts mehr aus Ländern außerhalb der EU einzukaufen. Behalten Sie diesen Grundsatz bei und leben Sie danach. Es wird ihr Leben zu einem Besseren verändern. Sie werden sich besser fühlen, denn Ihr Fußabdruck wird immer geringer. Kaufen Sie nur noch einmal die Woche ein und sparen Sie so viele unnütze Wege mit dem PKW zum Supermarkt. Tauschen Sie den Supermarkt gegen den Wochenmarkt. Sie gehen eine Beziehung zum Erzeuger ihrer Lebensmittel ein. Sie wissen wie ein Käse hergestellt wird und wo, besipielsweise. Der Joghurt stammt dann vom Bauern und kommt im Glas. Nächste Woche nehme ich das leere, abgewaschene Glas und tausche es gegen ein neues, volles Joghurt-Glas ein. Hier im Monchique Gebirge ernähren wir uns noch sehr lokal.
Nächste Woche folgt an dieser Stelle die Fortsetzung…
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