Schade, dass es so wenige gute, ausländische Literatur bis nach Portugal schafft. Es liegt vermutlich daran, dass wir so weit weg leben, hier draußen am Rande Europas, mit nur einem einzigen Nachbarn und so viel Meer um uns herum. Das macht ein wenig einsam. Wenn wir es aber von einer anderen Seite aus betrachten würden, so beginnt Europa gerade hier bei uns in Portugal und wer einsam lebt, sollte sich Zeit zu weisen Entscheidungen nehmen.
Selbst wenn wir in Betracht zögen, dass Portugiesisch zu den zehn Weltsprachen gehört, ist der Markt der eigenen Literatur noch kleiner als der von Holland, pardon, den Niederlanden. Dort wird – im Gegensatz zu Portugal – sehr viel ausländische Literatur gelesen, weil es eine jahrhundertealte Buch- und Bildungstradition gibt. Auch in Holland fuhr man viel zur See. Die allgemeine Schulpflicht in Portugal aber ist gerade erst einmal 44 Jahre alt. Lesen können heute fast alle. Fast. Portugals eigene, freie Literaturszene, verglichen mit Großbritannien oder Deutschland, ist sehr klein. Der portugiesische Büchermarkt ist eher unbedeutend, leider! Unsere Sprache hätte etwas Besseres verdient als Zögern und Zaudern. Bekannte portugiesische Autoren könnten gar nicht überleben, wenn sie nicht in Großbritannien oder Deutschland gleichzeitig verlegt und verkauft würden: Lídia Jorge und Lobo Antunes, u.a. sind zwei Beispiele
Vergleichen wir nun einen deutschen Leser, der im Durchschnitt pro Jahr 312 Euro für Bücher ausgibt mit einem Briten, bei dem es noch 230 Euro sind, so investiert ein Portugiese im Durschnitt gerade einmal 150 Euro pro Jahr in seine eigene Literatur. Er kauft vielleicht lieber Fernsehkanäle bei MEO und anderen Anbietern und einen großen Bildschirm dazu und guckt Fußball über Kabel oder Satellit.
Was ist los mit der Literatur, einem der wichtigsten Bildungs- und Kulturpfeiler des Landes? Ob ein Portugiese nicht gern liest oder die Verlage schlechte und unbedeutende Bücher verlegen, die sich kaum verkaufen und noch weniger lesen lassen, beantworte ich an anderer Stelle. Es gibt in Portugal eben keine jahrhundertealte breitgefächerte Tradition des Lesens im Volk und somit kaum lesenswerte eigene Literatur über zum Beispiel den Wald, unsere Bäume, die Natur, nicht einmal gute Wirtschaftslektüre, die beispielsweise ökonomische Zusammenhänge jenen Leuten in den einschlägigen Cafés erklären könnten (in denen die Fernsehgeräte ununterbrochen laufen), warum wir in Portugal unsere Natur der ungezügelten Wirtschaft zum Fraß vorwerfen und was es an Lösungsentwürfen dazu gäbe.
Denn ich frage mich, warum wir erst jetzt an unseren Küsten (Aljezur) nach Rohöl bohren wollen, während andere Länder das bereits vor 50 Jahren getan haben. Haben wir die industrielle Revolution verpasst, nur weil wir sie verschlafen haben? Haben wir unsere Natur nur aus Versehen 50 Jahre lang geschützt? Nein, statt nach Öl zu bohren, bepflanzten wir mehr als die Hälfte unseres Landes mit Eukalyptus und sind gerade dabei, damit die nächste Revolution zu verschlafen, denn die Herstellung von Papier wird in den nächsten Jahren unbedeutend. Obwohl bei uns die liebe Sonne den ganzen Tag scheint, wollen uns einige unserer Eliten (die Englisch lesen können und sich ihre Bücher im Ausland kaufen) weismachen, dass Investitionen in Solar-, Wasser- und Windenergie nur Chinesen oder andere ausländische Investoren bei uns zustande bringen. Wo nur Cash zählt, bleiben natürlich Kultur und Ethik auf der Strecke. Das müssen wir ändern.
Wir sollten nicht die besten Teile unserer Wirtschaft verkaufen, denn dann könnten wir das reichste und glücklichste Land der Welt werden und gucken nicht immer nur zu, wie jedes Jahr mehr und mehr Wald verbrennt. Und während wir zugucken, verarmen wir stündlich, denn mit jedem Waldbrand ziehen wir uns den Teppich unter den Füßen weg und werden wieder mal irgendwo über den Tisch gezogen. Aufwachen und Tatendrang sind angesagt. Wir können das alles ändern.
Zum Beispiel so: wir schicken António Costa zu Bombardier nach Kanada. Da kauft er 20 nagelneue Löschflugzeuge vom Typ CL 415, (Kosten 800 Mio. Euro, minus 20% Mengenrabatt, 85% subventioniert durch die EU) und leiht sich nicht mehr jedes Jahr schrottreife Löschflugzeuge von irgendwoher, die er teuer von unseren knappen Steuergeldern bezahlt. Er beauftragt unsere Luftwaffe mit dem Löschen und holt sich keine dubiosen Piloten mehr aus Spanien, Marokko, der Ukraine oder von sonst woher. Das würde passen, wie damals, als im Jahr 1762 der Marquês de Pombal den Kurfürsten von Schaumburg-Lippe (Wilhelm) 2.964 Kilometer mit 50 Soldaten per Pferd und Artillerie nach Portugal anheuerte, der das Land im Guerillakampf von den Spaniern befreien liess und eine vernünftige Armee aufbaute. Immerhin befreite er damit Portugal. Nachlesen kann man das in einem Buch, das es leider nur in deutscher Sprache gibt. Und damit ging die Geschichte für Portugal, wie so viele andere Geschichten verloren. Sie können sie nachlesen bei www.wikipedia.org/wiki/Wilhelm_(Schaumburg-Lippe)
Auch in Portugal geht täglich wichtiges Wissen verloren. Jedes Jahr wird weniger von einer zur nächsten Generation weitergegeben. Und in den Schulen lernen unsere Kinder kaum Nützliches mehr über das Leben im Biotop Natur. Wer es noch schafft, einen Baum pro Jahr zu pflanzen, hat hernach schon keine Ahnung mehr darüber, dass dieser gerade eben gepflanzte kleine Baum mehr oder weniger intensiver Pflege bedarf und sei es nur, dass man ihn über den heißen Sommer bekommt. Er muss gegossen werden. Er braucht Wasser, mancher von ihnen jeden Tag, andere einmal in der Woche. Zu welcher Jahreszeit pflanzen wir einen Baum und wohin? Keine Ahnung? Gehen Sie mal mit Jugendlichen in den Wald, mit einer Schulkasse. Fragen Sie mal, ob sie eine Eiche von einer Kastanie unterscheiden können, eine Buche von einer Esche. Fragen Sie mal die Kinder, ob diese die Vögel des Waldes an ihren Gesängen und an den Stimmen unterscheiden können, die Nachtigall vom Kuckuck, den Spatz von der Meise, den Wiedehupf von der Lerche? Woran erkenne ich einen Karpfen und was ist eine Bachforelle? Simple Fragen, die einmal nichts mit dem Internet zu tun haben. Wenn wir uns über die Natur unterhalten, reden wir von oben herab, als wenn wir wüssten, was das ist, die Natur. Bei näherer Betrachtung des sogenannten Wissens stellen wir dann fest, dass jenes Wissen über Autos, Mode und Reisen wichtiger ist, als zu wissen, warum der Wald gerade wieder brennt.
Ausnahmen bestätigen diese Regel. Natürlich gibt es einige private Schulen, wie die Internationale Schule in Aljezur, die Waldorf- und Montessori-Schulen um Lissabon herum und auch einige wenige staatliche Einrichtungen, die unsere Natur und das Leben in ihr in einen größeren Zusammenhang stellen, zyklisches Wissen vermitteln und Hintergründe und Zusammenhänge vermitteln. Es verwundert mich aber nicht, dass ganze Armeen von Holzfällern vor dem Sommer durch Portugal marschieren und um die Dörfer und Städte Schneisen ziehen und hunderttausende von Bäumen fällen, um damit die Waldbrandgefahren zu mindern. Es ist, als wenn der Architekt beim Bau des Hauses die Fenster vergessen hätte und nun anordnet, man möge das Licht von draußen in Eimern ins Haus tragen. ECO123 sprach mit einer bekannten Landschaftsarchitektin aus dem Alentejo, die seit einem Vierteljahrhundert in ihrem Beruf erfolgreich arbeitet. Es geht darum, wie wir alle die Misere des portugiesischen Waldes lösen können.