Wie Pflanzensaft steigen wir hier auf, mit vier Einblicken in die Welt des Waldes: von den Bürokraten der staatlichen Institutionen zu den Experten, die den Wald lieben, von der dantesken Vision des aktuellen ‘Eucaliptugal’ zur dicht belaubten Waldlandschaft, die da kommen soll.
Bodenschicht
Sein Name ist Quinta da Fonteireira, man findet ihn in Belas, und er stellt eine der seltenen grünen Lungen in den Vororten entlang der Linha de Sintra dar. Zwischen acht und achtzehn Jahren verbrachte ich dort, im „dunklen Tal“ des Vale Escuro, über hundert Nächte.
Es war die Pfadfinderzeit. Wir nutzten das reichlich vorhandene Holz des Eukalyptusbaums, um Tische für unsere Abendessen zu bauen, Unterstände für unser Material, und Waffen für unsere Spiele. Seine frischen Blätter nutzten wir als Unterlage für den Lehm, aus dem wir unsere Camping-Küchen bauten, dafür, den Käsefußgeruch in den Zelten zu überdecken, und um die Eingänge zu unserem Lager zu schmücken. Wenn die geschnittenen Zeltpflöcke der vorherigen Lager nicht reichten, schnitten wir einen neuen Eukalyptus, so wie wir es gelernt hatten: nur von einer Pflanze, aus der noch drei weitere Schößlinge sprossen.
Was ich nicht wusste: genau wie so viele Kinder in diesem Land war ich einem Schwindel aufgesessen: man hatte mir beigebracht, eine industrielle Monokultur von Eukalyptus „Wald“ zu nennen. Und als eines Tages die Maschinen kamen, um die Bäume abzuholzen, in Staffeln von jeweils 300, und alles um unseren Vale Escuro herum in eine höllische Mondlandschaft verwandelten, stieg das intuitive Gefühl einer großen Ungerechtigkeit in uns auf wie Pflanzensaft.
Da waren noch zwei andere Dinge, die ich nicht wußte. Dass nämlich genau dieses Gefühl bereits in den siebziger Jahren die allerersten Umweltproteste in Portugal ausgelöst hatte, gegen die Diktatur des Eukalyptus. Dass dieses Gefühl bis zum heutigen Tag lebendig geblieben ist. Und dass von ihm vielleicht die Zukunft des Waldes und des Lebens in unserem Land abhängt.
Krautschicht
Es sind fast eine Million Hektar. 27% des sogenannten “portugiesischen Waldes” ist eine Monokultur von Eukalyptus, eine (Un-)Verhältnismäßigkeit, wie sie in keinem anderen Land der Welt vorkommt.
Die Zahlen, welche die Tageszeitung Público im vergangenen Juni vom ICNF (Instituto da Conservação da Natureza e das Florestas, also der Behörde für Natur- und Waldschutz) bekam, zeigen, dass in Portugal der Eukalyptus die bei weitem am häufigsten genehmigte Nutzbaumart ist. Zwischen Oktober 2013 und Juni 2020 wurde die Anpflanzung von über 80.000 Hektar Eukalyptus autorisiert. Die am zweithäufigsten genehmigte Baumart war die Schirmpinie – mit unter sechstausend Hektar.
Nach den tragischen Waldbränden von 2017 änderte die Regierung das berüchtigte Eukalyptus-Liberalisierungs-Gesetz von 2013. Heute ist die Anpflanzung von Eukalyptus nur auf bereits existierenden Eukalyptusplantagen erlaubt, beziehungsweise in einem neuen Gebiet nur dann, wenn dafür Eukalyptus auf einem ebenso großen Gebiet ausgerissen wird. Allerdings erlebte die Gier, die im Schatten der Eukalpytuspflanzungen lebt, in den Monaten zwischen der Ankündigung des Gesetzes und seinem Inkrafttreten ihren Höhepunkt. Die Baumschulen, die in den Jahrzehnten zuvor über eine Billion dieser Bäume verkauft hatten, kamen gar nicht hinterher bei diesem frenetischen Run auf den Eukalyptus. Die Zahlen, die das ICNF ECO123 zur Verfügung gestellt hat, belegen die Mitschuld der Behörde: die Anzahl der Lizenzen für die Ausdehnung des Eukalyptus auf neue Gebiete erreichte 2017 ihren Höhepunkt: über 2200 Hektar wurden genehmigt.
Im Jahr 2018 trafen die brutalen Waldbrände Monchique. Wer im Gebirge wohnt, musste unterdessen ungläubig und zornig zuschauen, wie der Eukalyptus nach dem Brand überall emporsproß und sich auf neue Zonen ausbreitete: die Rückkehr dieser gefährlichen Monokulturpflanzen auf das verbrannte Gebiet.
Seit 17 Jahren ist dieses als speziell ausgewiesene Schutzzone (Zona de Proteção Especial) deklariertes Gebiet Teil der Rede Natura 2000, mit 50 der wertvollsten und am meisten bedrohten Arten des europäischen Kontinents. Schon damals identifizierte das ICNF die Hauptbedrohungen: die intensive Anpflanzung exotischer Arten, die Waldbrände und die Zerstörung der einheimischen Vegetation.
Ich hatte da ein paar Dinge mit diesem öffentlichen Organ zu klären. Die Behörde hat ihren Sitz im Betonwald der Avenida da República in Lissabon, der, wie es sich herausstellen sollte, undurchdringlich ist. Das ICNF lehnte mein Gesuch um ein Interview ab, erklärte sich aber bereit, per Email zu antworten.
So kam es zupass, dass ich per Email entdeckte, dass das Institut an der Wiederaufforstung mit Eukalyptus gar nichts auszusetzen hat. “Die Nationale Strategie für die Wälder in Portugal“, liest man, „erkennt die Notwendigkeit an, dem Bedarf der industriellen Hauptsektoren der Forstwirtschaft an Rohmaterialien Genüge zu tun”. Das Institut erklärt, dass “die Wiederaufforstung, mit welcher Baumart auch immer, nicht deren territoriale Ausbreitung hervorruft, und fundamental ist als Mittel zur Begrenzung und Minimierung der durch die Waldbrände hervorgerufenen Auswirkungen auf Bodenqualität und Artenvielfalt.”
“Was das vorgebliche Verhalten des Eukalyptus in Waldbrand-Situationen angeht,“ schreibt das ICNF, „weist die Analyse seines Ursprungs (…) hauptsächlich auf menschliche Einwirkung hin, durch Brandstiftung oder Nachlässigkeit, (…) Es wurde kein Hinweis gefunden auf Situationen “erhöhter Brandgefahr”, die mit irgendeiner Baumart in Verbindung gebracht werden könnten”.
“Daraus ist leicht zu folgern, dass der Eukalyptus keine invasive Spezies ist”, lese ich weiter in der Email, “weil er nicht dazu neigt, ein Gelände in exzessiver Weise zu besetzen und damit eine signifikante Veränderung in den Ökosystemen hervorzurufen.” Wie das Institut erklärt: “Eukalyptus-Samen besitzen keine Kapazität zur Ausbreitung durch den Wind, so dass die Reichweite der Samenausbreitung sehr gering ist. Die vegetative Kraft dieser Pflanzen ist um vieles niedriger als bei in der Baumschule herangewachsenen Pflanzen, und das begrenzt seine Lebensfähigkeit (…); die dominierten Pflanzen werden sehr frühzeitig eliminiert, und die, welche überleben, werden selbst dominiert von der vorher vorhandenen Busch- und Baumvegetation”.
Also, es gibt keine kausale Verbindung zwischen Eukalyptuspflanzungen und Waldbränden, und der Eukalyptus hat keinen invasiven Charakter. Eine Vision, die sich nicht wirklich deckt mit den Erfahrungen der Bevölkerung, der Feuerwehr-Vereinigungen oder der akademischen Forschung – die aber perfekt übereinstimmt mit der Philosophie der Papierindustrie, Firmen wie Altri und Navigator.
Es ist dann doch etwas seltsam, dass sich ein Jahr nach dem Waldbrand von 2017 die Dorfgemeinschaft von Benfeita in der Serra do Açor, unter dem Schirm der endlosen ‘Hilfen’, um die “Eukalyptus-Teppiche”, die überall austrieben, auszureißen, zusammengetan hat, um dem ICNF dabei zu helfen, die jungen Eukalyptusbäume in der Mata da Margaraça zu entfernen. Und dass im Jahr darauf die Regierung dem ICNF 560.000 Euro zugeschlagen hat, für die Wiederaufforstung der Mata. Und dass gegenüber dem Diário de Notícias (DN), ein Verantwortlicher des ICNF die Notwendigkeit hervorgehoben hat, “die Ausbreitung exotischer und invasiver Arten, insbesondere des Eukalyptus und der Mimose” zu bremsen.
Gemäß der Tageszeitung Público erstellt die zu dem Zeitpunkt unter dem Namen Instituto de Conservação da Natureza e da Biodiversidade fungierende Institution 2009 einen Antrag, den Eukalyptus als invasive Spezies zu klassifizieren. Dieser Antrag ist auf unerklärliche Weise verschwunden.
Dieses Jahr nutzten Forscher der Technischen Universität München und der Universität Zürich Satellitenbilder, um 15 von Eukalyptus betroffene Gebiete der Rede Natura 2000 aufzuspüren; neun von diesen seien “stark betroffen”. “Diese Ökosysteme sind einzigartig und beherbergen unterschiedliche bedrohte Arten”, riefen sie im letzten August gegenüber dem Público in Erinnerung. Sie schätzten den Eukalyptus als eine der größten Umweltbedrohungen ein, denn sie “ersetzen die existierende Vegetation und funktionieren wie Brennstoff für zukünftige potentielle Waldbrände”. Ein Kreislauf, der sich angesichts der Prognose steigender Temperaturen voraussichtlich in Portugal immer häufiger vollziehen wird.
Im Jahr 2019 erbrachte eine durch Forscher an sechs Hochschulen durchgeführte und von Ernesto de Deus koordinierte Studie mehrere Beweise für das invasive Potential des Eukalyptus.
Im Jahr 2018 sagten Klimawandel-Forscher des Zentrums für angewandte Ökologie der Lissabonner Universität und Kollegen von Institutionen aus Coimbra, Porto und Madrid voraus, dass es in binnen 30 Jahren im Gebiet südlich des Tejo keine Bedingungen mehr für Landwirtschaft, inklusive den Eukalyptusanbau, geben werde. Sie schätzen, dass die Gegenden der intensiven Produktion dieser Monokultur immer mehr verlassen werden, dass die Oasen der Artenvielfalt steigender Bedrohung ausgesetzt werden, und rufen zur “Schaffung neuer Schutzzonen” auf.
Im Jahr 2017 schloss eine internationale Studie, an der die Universität von Coimbra teilnahm, folgendes: “Die Eukalyptusplantagen schaffen regelrechte ‘Wüsten’ um sich herum, und führen zu einer dramatischen Verringerung der Artenvielfalt des betreffenden Gebiets”.
Was soll man in einem Land, wo 60% des nationalen Gebiets Gefahr läuft, zur Wüste zu werden, tun mit diesem ganzen Eukalyptusplantagen-Areal, wo es gesetzlich erlaubt ist zu fällen und wieder neu zu pflanzen, bis der Boden ausgelaugt ist?
Strauchschicht
“Erst wenn der letzte Baum gefällt, der letzte Fluss ausgetrocknet und der letzte Fisch gefangen worden ist, werdet Ihr verstehen, dass man Geld nicht essen kann.” Das bekannte Sprichwort grüßt mich, kaum schlage ich den Kalender für 2021 – “Árvores Medicinais” (Heilende Bäume) von Fernanda Botelho auf.
Ich blättere mich durch die Tage des Jahres und damit durch eine schier endlose Zahl an Bäumen, ihren Geschichten und ihren Nutzungsmöglichkeiten. “Es erstaunt mich schon sehr, wenn Erwachsene und Kinder noch nicht mal ein halbes Dutzend Bäume mit Namen kennen. Da gibt‘s keine Verbindung zu dem, was das Produkt, das du isst, hervorgebracht hat…”, lässt die Spezialistin für Heilpflanzen und Leiterin botanischer Exkursionen Luft ab. “Du kannst dich ihnen annähern, entdecken, was für Blätter, was für Früchte sie haben. Pflanzen und Bäume sind die Grundlage der Erhaltung des Lebens auf unserem Planeten!”
“Es herrscht ein brutales Ungleichgewicht im Management des Waldes. Es könnte mit Blick auf die Zukunft angegangen werden statt mit Blick auf die Euros. Wald wird angepflanzt als ein Gut, um uns zu Diensten zu sein, um bis zur Erschöpfung ausgebeutet zu werden, für schnelles Geld. Die konstante Anpflanzung und Neupflanzung des Eukalyptus laugt die Böden aus – in einem Mangel an Respekt für den Baum selbst. Eine Eukalyptusplantage hat mehr mit einer Wüste gemein als mit einem Wald”, sagt Fernanda Botelho, “und wir haben alle Schuld daran: wir alle mögen Papier”. “Ich bin nicht gegen den Eukalyptus an sich. Ich bin gegen jegliche Art von Monokulturen. Wir müssen an die Zukunft denken, an eine nachhaltige Bewirtschaftung, wo wir alle unseren Platz haben – Ziegen, Insekten, wir… im Gleichgewicht”.
“Wer in unserem Land von Norden nach Süden reist, wird einen Schreck bekommen, wie viele Gebiete der Monokultur Eukalyptus anheim gegeben sind, eins am andern dran. Daher der Name ‚grüne Wüsten‘”, merkt der Biologe José Mateus an. “Es ist billiger Eukalyptus anzupflanzen, aber am Ende kommt das Billige uns teuer zu stehen.”
“Was wir hier haben, ist eine exzellente Pflanze, die sehr schlecht gemanagt wird”, fährt der Spezialist für Waldfeldbau fort. “Die Landschaft wird durch den Eukalyptusanbau komplett zerstört; der Baum ist extrem brennbar, entzieht dem Boden ständig Wasser und schädigt die Ressourcen. Die Extraktionstechniken sind brutal, alles wird egal wie geschnitten, ohne Berücksichtigung dessen, was sich darunter abspielt. Die Produktion ist auf eine Monokultur hin angelegt, darauf, abhängig zu sein von allem, was von außen kommt, um die gesamte Wirtschaft in Gang zu halten, dass du alles neu kaufen musst. Diese Management-Methode zielt darauf ab, den Profit zu maximieren, dabei aber das Minimum an Intervention und Arbeit zu leisten, um ‘Geld zu machen, ohne Ärger zu haben’.”
Nur, dass dieser Ansatz zur Desertifikation des Hinterlands beiträgt, zum Mangel an Arbeitsplätzen und nicht zuletzt an Sicherheit, auf dem Land zu leben. “Das führt sogar dazu, dass sie Menschen verbieten wollen, an bestimmten Orten zu wohnen, wenn es doch genau andersrum sein sollte! Die Leute sollten einen Anreiz bekommen, sich um den Wald zu kümmern und eine Art Wald zu genießen, der nicht zum Pulverfass geworden ist.”
Sowohl Fernanda als auch José sehen es als dringlich an, die Produktionsmethoden zu verändern, sei es beim Eukalyptus, sei es bei der Rocha-Birne, den Tomaten, den Avocados oder im Olivenanbau. “Mit einer gigantischen Kriegsmaschinerie, wie Baggerladern, Traktoren und landwirtschaftlichen Maschinen haben wir eine immense Zerstörungsmacht: wir schaffen es, in einem Tag auf Null zurückzugehen. Sobald man nicht mehr eingreift, lässt sich eine konstante Rückentwicklung des Systems feststellen: schöne dichte vor-forstwirtschaftliche Wälder, eine Abfolge von Pflanzen, die nach und nach auftauchen, der Zustand der Vegetation im Wald verbessert sich.”
“Bäume sind etwas Wunderbares, aber was mich noch mehr berührt, sind die kleinen Kräuter, die niemand sieht, die im Unterholz des Waldes leben, auf dem Stamm der Bäume. Ohne sie können die anderen Arten nicht leben! Sie ziehen Marienkäfer und Schmetterlinge an, geben den Vögeln Nahrung, und sind als essbare Wild- und Heilkräuter unsere großen Verbündeten. Von den Wipfeln bis zum Boden und weiter zu dem, was unterirdisch lebt, steht alles in Verbindung. Wir sollten den Wald nicht anschauen, ohne uns dieser ganzen Fäden bewusst zu sein, die dieses immense Geflecht bilden”, erzählt mir Fernanda, bevor sie sich in ihrem Garten in der Gegend von Sintra an die Arbeit macht. “Ich respektiere den Eukalyptus sehr, für seine Heilkräfte, die sich gut für die Behandlung von Atemwegserkrankungen eignen. Die Bewirtschaftung könnte auf eine andere Art stattfinden, den Boden mit einer guten Humusdecke zu nähren, auf viel kleineren und besser kontrollierten Parzellen. Der Wald gibt uns alles, was wir brauchen, wirklich alles.”
Baumschicht
“Das wird nicht funktionieren!” – diesen Spruch hörte José Mateus immer wieder, denn seine Erfahrungen mit der Feldarbeit sind nicht gerade konventionell. Wir waren in Grândola, wo der Biologe einen Nutzgarten ohne Dünger bewirtschaftete, den er mit Holzspänen abdeckte. Heute ist der Garten dicht und üppig, so wie er sich den ganzen Waldfeldbau erhofft, den er auf dem monte des Starkochs Ljubomir Stanisic im Alentejo entwirft und umsetzt. In einem Land, wo 98% des Waldes in Privatbesitz ist, arbeitet José gern direkt mit den Besitzern zusammen, um mit einer größeren Fläche arbeiten zu können, und um die Umsetzung leichter zu gestalten. “Mit mittelfinanzierten Projekten wird diese Komplexität kompliziert, sie sind darauf angelegt, einfach zu sein, da kannst du kein Forstprojekt mit einem Kräuter-Projekt, mit einem Obstbaum-Projekt oder mit einem Gemüseanbau-Projekt mischen…”.
Seit seiner Kindheit ist José fasziniert von allem Lebenden. Mit dem Großvater lernt er den Namen seiner ersten Pflanze: Zistrose. “Heute ist das eine Pflanze, mit der ich häufig arbeite, und die verhasst ist, als ein Vorbote der Wüste. Dabei ist es superinteressant, weil sie im Sinn der zeitlichen Abfolge eine der ersten für die Produktion holziger Biomasse ist. Wir schneiden sie, verteilen sie vor Ort, schreddern sie, falls wir eine Menge haben, um so die Beschaffenheit des Bodens zu verbessern. Teil meiner Arbeit ist es zu versuchen, die Dualität der Pflanzenwelt hervorzuheben, sie sind nicht nur schlecht oder nur gut. Jede Pflanze hat ihren Ort.”
Das gleiche gilt für den Eukalyptus. “Das ist eine unglaubliche Pflanze, die wir uns sehr gut für unsere Zwecke zunutze machen können. Der Eukalyptus ist ein Meister der Fotosynthese, sehr effizient in der Bindung von Kohlendioxid und in der Produktion von Zellulose. Wir könnten mit den Eukalyptus arbeiten, um einen Waldforst zu schaffen. Wenn er mit Sorgfalt geschnitten, gefällt und entfernt würde, könnte man Holz produzieren und gleichzeitig Pflanzen nutzen, die schon seit 5, 10 Jahren da leben, die im Schatten herangewachsen sind. Eukalyptus könnte in Intervallen gepflanzt, oder zusammen mit Eichen ausgesät werden.”
“Wir müssen anfangen, verschiedene Kulturpflanzen zur gleichen Zeit am gleichen Ort anzulegen. Wir können die Instrumente des Gartenbaus, der Forstwissenschaften, des Obstanbaus, bis hin zur Tierzucht auf dem gleichen Gelände nutzen. Alle Disziplinen unter einen Hut bringen.” Für diesen enthusiastischen Agroflorestler wird die nahe Zukunft die graduelle Rückführung der Eukalyptusplantagen bringen müssen. Statt Maschinen, welche die Wurzeln ausreißen und alles kaputtmachen, um dann wiederum Eukalyptus anzupflanzen, “können wir mit diesem Geld mit mehr Sorgfalt pflanzen und wirtschaften: die jungen Blätter für essentielle Öle nutzen, das Holz, die Zweige und was von den neuen Eukalyptustrieben übrigbleibt, als Biomasse, um den Wald langsam rückzuführen.” Es geht nicht darum, den Eukalyptus auszurotten, sondern darum sein wahres Potential zu begreifen und zu nutzen: als eine “Pionierpflanze, wie ein Ginster, die zu Beginn des Zyklus den neu wachsenden Wald kolonisiert und dann nicht mehr gebraucht wird. Wir müssen den Eucalpytus von oben nach unten schneiden, mit Fingerspitzengefühl beschneiden, damit er die weniger genügsamen Pflanzen unterstützen kann. Damit unter ihnen ein junger Eichen- oder Korkeichenhain entstehen kann und wir den Übergang schaffen zu artenreicheren Wäldern, aus denen wir mehr Produkte beziehen können: Kräuter, Waldbeeren, Edelhölzer, Walnüsse, Trockenfrüchte…”.
“Wieviel Arbeit würde eine multifunktionaler Wald machen, mit Menschen, die sich um ihn kümmern müssten?”, fragt José Mateus. “Was wäre der Wert einer Landschaft, die in dieser Weise transformiert worden wäre? Für die Rückhaltung des Wassers in der Landschaft, die Brandvorbeugung, unsere Ernährung, die Schaffung von Mutterboden? Welche wilden Tiere würden wohl zurückkehren?”
“Ich stelle mir kleine Wälder in kleinem Maßstab vor”, wirft Fernanda in die Diskussion. “Bevor wir Pflanzen aus Australien einführen, sollten wir unsere mediterrane Pflanzenwelt nutzen, die doch so reich ist. Blaubeeren, Äpfel, Walnussbäume, Hagedornbüsche, Johannisbrotbäume, Grantapfelbäume, Holunderbäume… Da ist so viel Potential! Aus den Baumerdbeeren wird nur Schnaps gebrannt, aber wir könnten sie nutzen, um Marmelade einzukochen und viele andere Dinge aus ihnen zu produzieren. Aus der Eichel kann man noch mehr machen. Es hängt von der Zone ab. Wir könnten viel mehr Bäume untereinander mischen, Arten wie die Weinrebe und den Olivenbaum zusammenbringen. Wir könnten diese Pflanzen als Heilkräuter verkaufen, getrocknet, als Tee, zum Wohl der Gemeinschaft, und so das Wissen unserer Vorfahren, das im Verschwinden begriffen ist. weitergeben und retten. Wir müssen wirtschaftlich realistische Vorschläge machen und den Leuten begreiflich machen, dass Geld nicht alles ist.”
“Wir haben das Glück, superdiverse Wälder zu haben, viele Mikroklimas, und eine unglaubliche Artenvielfalt. Ich sehe die Möglichkeit, dass die Wälder immens viele Produkte produzieren können”, bestätigt José Mateus. “Wir müssen immer nachforschen: was ist das Potential des Waldes dieser spezifischen Region? An jeder Ecke des Landes haben wir ein großes Potential für den Wald. Sie wachsen in unterschiedlichen Geschwindigkeiten, mit unterschiedlichen Spezies, aber es wird ein üppiger, artenreicher, unglaublicher Wald sein.”
In jeder Region sollte eine Eichenart dominieren – als Basis, die mehr gemein hat mit all den anderen Elementen und dem System mehr Stabilität verleihen wird – und dieser Art wird man dann potentielle Gesellen dazugeben. “Für den Süden sollten wir mehr Korkeichen oder Stieleichen nehmen, zusammen mit Mandeln und Pfirsichen; für die Küstenregionen Zentralportugals mehr die Portugiesische Eiche, im Zusammenspiel mit den Walnussbäumen, die gut auf Kalkböden gedeihen; im Landesinneren können wir schon mehr mit der Pyrenäen-Eiche arbeiten, zusammen mit der Kirsche; mehr Richtung Norden, mit einer Kombo aus Stiel-Eiche und Kastanie. Das alles ohne Bewässerung. Und wir könnten an eine Reihe an Produkten denken: Kräuter, ein in den Forst eingebetteter Nutzgarten mit Winterkulturen… Wenn wir in größerem Rahmen operieren wollen, nutzen wir den Wald für Holz, Pilze, Jagd, Tourismus…”.
Für den Waldfeldbau-Ausbilder würden zwei Maßnahmen für die Wiederherstellung des Waldes einen großen Unterschied machen. Einerseits eine selektivere Säuberung im Forst, die sich an der natürlichen Abfolge orientiert. “Eliminieren sollte man diese Phasen des dornigeren und aromatischeren Bewuchses, der Zistrosen und Stech- und Besenginster, die leicht brennen. Belassen sollten wir Obststräucher, Baumerdbeere, Hagedorn, die nicht so feuerfreundlich, dafür aber tierfreundlich sind: all die kleinen sperlingsartigen Waldvögel und Tiere, die das System ausbalancieren und es vor Befall durch Parasiten etc. schützen werden.” Auf der anderen Seite muss ein konkreter Schutz gewährleistet sein für verschiedene wichtige Büsche und Bäume, so wie er heute schon für die Korkeiche existiert.
“Im Wald arbeiten alle darauf hin, die Komplexität des Systems zu erhöhen. Das Leben schafft immer Bedingungen, um mehr Leben zu unterhalten. Der Mensch ist das einzige Lebewesen, das dies nicht tut. Er versucht immer die Dinge zu vereinfachen und zur Savanne zurückzukehren. Wir haben mit dieser Vorstellung, alles sauber haben zu wollen, so viel gesäubert, dass wir Elemente, die dem System Stabilität geben, verlieren. Ich denke es ist eminent wichtig, dass wir die natürlichen Gesetze und Prozesse kennenlernen, um sie zu verstehen und nachzuahmen.”
Sowohl für José als auch für Fernanda sind die Vorbilder Ernst Götsch (der Vater der syntropischen Landwirtschaft) und die Herdade do Freixo do Meio in Montemor-o-Novo eine Inspiration.
“Als ich Kind war, erinnere ich mich, dass man mir sagte ‘das braucht 50 Jahre, um heranzuwachsen!’ Die Menschen werden nicht dazu angeregt Bäume zu pflanzen, weil es eben dauert. Bei guter Pflege erreichen eine Eiche, eine Korkeiche oder eine Schirmpinie aber schneller eine respektable Größe, als wir uns das so vorstellen. Wenn ich einen Wald angepflanzt hätte, als ich zehn Jahre alt war, würde ich mich heute schon einem großen Wald gegenübersehen, 25 Jahre später!”