Samstag, der 23 Juli 2022.
Was braucht es noch? Was muß noch passieren, damit das Benutzen fossiler Brennstoffe ein wirkliches Ende hat? Temperaturen von 40 Grad Celsius und mehr werden uns auch in den nächsten Tagen (es ist erst Juli) keine Ruhepause verschaffen. 1.063 Menschen sind bereits bis zum 18. Juli durch die Hitze gestorben, teilt das Gesundheitsministerium in Lissabon lapidar mit. Und nun? Was tun? Sich eine Klimaanlage anschaffen? Die Raumtemperaturen herunterkühlen? Das können sich einige Menschen leisten, die meisten aber nicht. Irgendwann muß jeder sein Haus mal verlassen und das nicht nur nachts.
Ins Autodrom nach Portimão, wo die Rennautos ihre Runden drehen? Testfahrten eben. Und weiter fliegen Touristen über den Flughafen Faro in die Algarve hinein und auch wieder hinaus. Business (Tourismus) as usual eben. Einmal Sonne und Sand bitte. Die anderen fahren mit dem Auto zum Surfen an die Westküste und auch wieder zurück. Es geht alles seinen gewohnten Gang. Wir stehen im Stau und guck mal da vorn, da brennt es doch gerade wieder. Was passiert, wenn sich ein Element, das Feuer heißt – entzündet, egal ob durch Brandstiftung oder durch Funkenflug einer hochpotenten Elektro-Überlandleitung, in die unachtsam einige Eukalyptus-Bäume schlagen? Durch Wind eben. 80% der Waldbrände entstehen durch Funkenflug, sagt ein Experte von der Uni Coimbra, der es wissen muß: Professor Dr. Xavier Domingos. Menschliche Fahrlässigkeit eben. Dummheit?
Waldbrände entstehen und breiten sich aus und falls nicht gerade ein Pilot mit seinem Wasserflugzeug abstürzt, werden die Flammen von den Feuerwehren und den fossil betriebenen Flugzeugen irgendwann mal wieder gelöscht. Manchmal regnet es sogar. Nur nicht in Portugal. Dann hilft die Natur. Jedes Jahr verlieren wir durch Waldbrände wichtige Schatten- und Sauerstoffspender. Die Flieger sind eine enorme Hilfe in unzugänglichen Wald- und Gebirgsgegenden. Wenn das jedoch so weiter brennt, sterben bald mehr als nur tausend Menschen und nicht nur an Hitze.
Wasser wird knapp. Nicht nur die Landwirtschaft gelangt an ihre Grenzen, Hunger und Durst werden die Folge sein. Nicht sofort, aber ziemlich bald. Millionen Klimaflüchtlinge machen sich auf den Weg nach Norden. In nicht allzunaher Zukunft werden wir dazugehören. Aber wohin soll diese Reise nur gehen?
Nach Großbritannien? Oder Deutschland? Die Niederlande? Nach Frankreich? Da brennt es in der Zwischenzeit auch bereits. Der starke Wind geht einher mit der Dürre. Kein Regen in Sicht. Wir müssen auskommen mit dem, was wir haben. Das wird immer weniger. Es wird eng, falls es im nächsten Winter auch nicht regnen sollte. Und der Wasser saufende Eukalyptusforst für die Papierproduktion der Firma Navigator wird sich auch bald von selbst erledigen.
Es gibt Lösungen des Problems. Zuerst einmal müßten wir das Problem überhaupt sehen und anerkennen. 40 Grad Celsius sind vier Grad über der Fieberschwelle. Um unter diesen Wert zu kommen, müßten wir die abgebrannten Wälder sofort nachhaltig mit nativen, genügsamen Baumkulturen wiederaufforsten und die bestehenden Wälder erhalten. Das wäre ein Jahrhhundertprojekt. Da muß man dranbleiben. Bäume pflanzen allein reicht nie. Dazu bräuchte es Kraft und Mut, aber auch Wissen und Kontinuität. Das alles fehlt bei den meisten Menschen. Sie wollen das Gewohnte: Brot und Spiele, Fernsehen und Internet und alles, was eben Spaß macht.
Die Spaßgesellschaft aber stößt gerade an ihre Grenzen. Klar ausgedrückt, wer hier auf der Erde und damit auch in Portugal weiterleben will, muß sich notgedrungen weiterentwickeln, oder gibt den Löffel ab. Hitzetote sterben leise. Das Herz hört einfach auf zu schlagen. Naturbasierte Lösungen wie die Aufforstung von Milliarden Bäumen läßt sich zwar fordern, aber Bäume pflanzen ohne Pflege, ohne Wissen und ohne Zuwendung (carinho), das funktioniert nicht. In jeder Kommune müßten lokale Projekte entstehen, die nationale und internationale Förderung benötigen, wie z.B. in Torres Vedras. Dafür bräuchte es nicht mal viel Geld. Es bräuchte eine mutige, neue Politik der schmalen Bürokratie und neuer Gesetze, die leerstehende Häuser und Grundstücke jungen Menschen umsonst zur Verfügung stellt, die hinaus aufs Land wollen. Stadtflucht statt Landflucht. In den Schulen brauchen wir Lehrer, die mit ihren Fingern in der Erde graben und den Kindern beibringen, wie man sich selbst ernährt und wie man mit Bäumen umgeht. Ein km² verbrannter Wald setzt 20.000 Tonnen CO2 frei. (Zitat António Gueterres, UN-Generalsekretär) Jeder Waldbrand muß unbedingt verhindert werden. Das geht nur, wenn wir alle eine nachhaltige Einstellung zu Bäumen anstreben. Das braucht Bildung.
Im Moment sieht es so aus, daß die durchschnittliche Erderwärmung von drei Grad über den Landflächen ein ganz reales Szenario wird und zu Temperaturerhöhungen von sechs Grad und mehr kommt. Das wird eine kaum vorstellbare Radikalisierung des Wettergeschehens hervorrufen – mit verheerenden Folgen für die gesamte Menschheit und materiellen Schäden, die wir uns kaum vorstellen können. Die meisten von uns werden mit dem Klimawandel ihren Löffel abgeben. Die Friedhöfe werden sich füllen. Was machen wir dann nur mit den vielen, vielen Autos ohne Fahrer und den vielen leerstehenden Häusern? Und wohin fahren dann die Zurückgebliebenen in den Urlaub?