Als Gastgeber des ersten BEACON-Regional-Workshops trat Setúbal kürzlich dem Bürgermeisterkonvent bei: Bis 2030 sollen die Emissionen in der Gemeinde um mindestens 40% gesenkt werden. Der Klimawandel ist nicht mehr nur ein Bedrohungsszenario: Um die zunehmenden Überschwemmungen in den Griff zu bekommen, führt die Stadt bisher beispiellose Maßnahmen durch. Mit dem geplanten Ausbau des Hafens von Setúbal und Industriebetrieben, die zu den schlimmsten Umweltverschmutzern des Landes zählen, wird es der Stadtverwaltung sehr schwerfallen, das gesteckte Ziel nur mit dem Austausch der herkömmlichen Beleuchtung durch LEDs zu erreichen. Setúbals Strategie für Klima und Energie liegt auf dem Tisch – die Bevölkerung wurde zur Beteiligung an einer öffentlichen Konsultation aufgerufen. ECO123 setzte sich mit Carla Guerreiro, Dezernentin für Umwelt und Energie, zusammen.
Wie sieht man in Setúbal das Problem des Klimawandels?
Das Thema hat Priorität. Besonders in Bezug auf den Fluss Sado und den Hochwasserschutz in unserem Landkreis – ein Anliegen, dass uns schon lange beschäftigt. Die Menschen beginnen die Auswirkungen des Klimawandels zu spüren und in den meisten Kommunen steht das Problem der Erderwärmung bereits im Vordergrund.
Welche Risiken bestehen für die Stadt, wenn sich die klimatischen Bedingungen weiter verschlechtern?
Wir haben bereits ernsthafte Probleme mit dem Hochwasser. Starke und ausgiebige Regengüsse, die mit der gezeitenabhängigen Flut zusammenfallen, können in den tiefer gelegenen Stadtteilen zu Überschwemmungen führen. Zurzeit ist das kein Problem, die Sorge jedoch ist groß, da Wetterkapriolen keine Ausnahme mehr sind – wie man heute sehen kann! [Draußen pfeift ein starker Wind und Regen prasselt auf die Dächer der Stadt] Über mehrere Jahre verteilt gab es Situationen, in denen wir manche Stadtteile nur mit dem Boot erreichen konnten. Vor diesem Hintergrund haben wir Fördermittel für die zukünftige Errichtung einer großen Anlage beantragt, die hauptsächlich aus zwei Rückhaltebecken zur Wasserspeicherung bestehen wird. Die Planung des Projekts, mit einem Investitionsvolumen von 3.2 Mio. Euro ist nahezu abgeschlossen. Das ist unsere umfangreichste Intervention zur Abschwächung der Auswirkungen des Klimawandels.
Und wie sieht es mit der Prävention aus. Was wird zur Emissions-Minderung getan?
Wir haben unseren Mobilitätsplan erheblich verändert und konnten die Emissionen, im städtischen Zuständigkeitsbereich reduzieren. Es handelt sich hier aber um eine Aufgabe, die von der Gemeinschaft insgesamt bewältigt werden muss: der Industrie und der Bevölkerung im Allgemeinen – das Rathaus spielt hier nur eine kleine Rolle.
Was wurde geändert?
Wir haben mehrere Verbesserungen im Bereich der Verkehrsinfrastruktur vorgenommen. Viele Ampeln wurden durch Kreisverkehre ersetzt und zur Verkehrsberuhigung Fahrbahnen verengt. Wir haben Radwege eingerichtet und unsere Mobilitätsmodi auf sanfte Mobilität umgestellt. Unsere Topografie bietet sich dafür geradezu an: Das Stadtgebiet ist flach und es ist gut möglich, sich zu Fuß oder mit dem Fahrrad zu bewegen.
Wir haben auch versucht, die Energieeffizienz zu verbessern:
Wir haben schon etwa 25% der Beleuchtung und auch alle Ampeln durch LEDs ersetzt. Bei neuen Projekten kommen nur noch LEDs zum Einsatz und einige darunter werden bereits von einer Zentrale aus ferngesteuert.Außerdem kümmern wir uns um die kommunalen Gebäude im Hinblick auf Energie- und Wassereffizienz, wann immer sich Möglichkeiten zu einer Sanierung ergeben.
Welche Ziele verfolgt die Stadt?
Wir sind dem Bürgermeisterkonvent beigetreten, eine große Verpflichtung, die wir im vergangenen Jahr eingegangen sind: Reduzierung der Emissionen um 40% bis 2030. Das kann nicht allein durch städtische Maßnahmen erreicht werden, sondern nur in Zusammenarbeit mit allen Mitgliedern der Gemeinschaft. Für eine Reduzierung von 40% im ganzen Landkreis müssen alle an einem Strang ziehen.
Wird dieses Ziel nicht durch die geplanten Baggerarbeiten im Sado und die Vergrößerung des Hafens von Setúbal gefährdet?
Ganz im Gegenteil. Heute kann unser Hafen nur bestimmte Schiffe aufnehmen. Sehr oft sind das ältere, die eine größere Verschmutzung verursachen. Da diese Schiffe nur über eine geringe Kapazität verfügen, müssen mehrere Schiffe einlaufen, um eine bestimmte Ladungsmenge zu transportieren. Die neuesten und modernsten Schiffe können in unseren Hafen nicht einlaufen. Unter Berücksichtigung der Umweltverträglichkeitsprüfung halten wir die Modernisierung des Hafens für grundlegend. Das ist kein Novum, hier in unserem Hafen wurden schon mehrmals Baggerarbeiten durchgeführt …
…nicht in diesem Ausmaß.
Das stimmt. Das Ganze wird auch nicht auf einmal sondern in zwei Schritten und unter strenger technischer Kontrolle durchgeführt.
Setúbals Bevölkerung hat vor der Gefahr einer Verseuchung des Flusses und den Folgen für das Ökosystem, insbesondere für Delphine, gewarnt.
Von der Bauherrin wurde eine Informationsveranstaltung abgehalten. Die Stadtverwaltung ist für dieses Gebiet nicht zuständig, sondern die Hafenbehörde von Setúbal. Das Thema Sedimente und mögliche Kontaminationen wurde behandelt. Uns wurde gesagt, dass Tests durchgeführt worden seien und keine Gefahr bestünde und dass eine Überwachung beim Abtragen der Sedimente geplant sei. Wir sind genauso besorgt wie der Rest der Bevölkerung. Wir dürfen aber auch nicht außer Acht lassen, dass unsere Stadt schon immer einen Hafen hatte, der ihre Entwicklung mitgeprägt hat. Die geplante Modernisierung des Hafens ist von grundlegender Bedeutung. Das Projekt ist jedoch noch viel weitreichender und beinhaltet auch eine Verbesserung der Infrastrukturen, einschließlich des Schienenverkehrs. Wir glauben, dass dies für die Unternehmen einen hohen Stellenwert besitzt. Natürlich möchten wir auch, dass dieses einzigartige Ökosystem nicht gefährdet wird. Hier braucht es ausgewogene Lösungen.
Wenn von Modernisierung gesprochen wird, geht dies normalerweise mit einer Zunahme der Aktivität und notwendigerweise auch mit dem damit verbundenen Anstieg von Emissionen und Verschmutzung einher, sowohl die Atmosphäre als auch das Wasser betreffend. Werden die vorliegenden Pläne nicht genau dazu führen?
Aus den uns zur Verfügung gestellten Studien geht hervor, dass die Aufnahmekapazität des Hafens ausgebaut wird, sodass größere, aber auch umweltfreundlichere Schiffe einlaufen können. Wie Sie wissen, werden von diesem Hafen aus unter anderem die Produktionen von Autoeuropa (VW) verschifft und schon jetzt haben wir einen erheblichen Umschlag zu verzeichnen.
Wenn wir über den Klimawandel und die Region Setúbal sprechen, müssen wir auch über die Industrie sprechen. Die Papierfabrik Navigator gilt als der zweitgrößte Luft – und der größte Wasserverschmutzer im ganzen Land. Sind Sie nicht beunruhigt wegen der von dieser Industrie ausgehenden Verschmutzung und der Tatsache, dass Eukalyptus-Monokulturen und Papierherstellung eng miteinander verknüpft sind?
Die Firma Navigator ist schon lange bei uns ansässig. Sie hat eine Reihe von Arbeitsplätzen geschaffen und zur Entwicklung unseres Bezirks beigetragen. Vor kurzem wurde eine Umweltkommission geschaffen, an der sowohl das Rathaus, die Gemeindeverwaltungen und andere örtliche Behörden, als auch Naturschutzverbände wie Zero und Quercus beteiligt sind. Alle Bedenken werden in dieser Kommission besprochen. Nicht mit erhobenem Zeigefinger, sondern um mehr Informationen über das Unternehmen zu erhalten. Dabei geht es um Fragen der Luftqualität und des Wasserverbrauchs, da für die Papierherstellung viel Wasser benötigt wird. Für Mai ist ein neues Treffen geplant, bei dem Navigator die Möglichkeit hat, all diese Daten zur Verfügung zu stellen. Die Firma versicherte uns, sich als zertifiziertes Unternehmen, im Vergleich zu früheren Jahren, auf allen Gebieten stark verbessert zu haben. Es ist aber auch richtig, dass es in der Bevölkerung diesbezüglich viele Fragen gibt. Wer in Setúbal lebt pflegt, wenn der Wind aus der entsprechenden Richtung kommt zu sagen „es stinkt nach Socel“ – so hieß die erste Zellstofffabrik. Die Menschen sind gewohnt, damit zu leben, machen sich aber auch immer mehr Gedanken und wir sind verpflichtet, ihre Sorgen zu berücksichtigen.
Mittlerweile hat sich das Rathaus aber auch dazu verpflichtet, die Emissionen zu reduzieren …
Und diese ganzen Anstrengungen werden auch dazu beitragen. Wir haben zudem andere Industriezweige, SECIL, SAPEC, Lisnave … darunter eine Industrie, die Bodenschätze ausbeutet, deren große Herausforderung heute darin besteht, eine Möglichkeit zu finden, unter Berücksichtigung der Umweltanforderungen weiterarbeiten zu können. Es ist unsere Verpflichtung, diese Prozesse transparent zu machen. Ein vielversprechender Anfang ist schon gemacht.
Worin bestehen die größten Hürden, bei der Umsetzung Ihres Vorhabens?
Eines der größten Hindernisse liegt im System, in dem wir leben. Wir tauschen uns aus und versuchen, persönliche Verantwortung zu übernehmen – das ist auch wichtig. In unserer kapitalistischen Gesellschaft jedoch, in der es vorrangig um Gewinn geht, ist es schwierig, alle Aspekte zu integrieren. Wir sagen den Leuten “ihr müsst euer Verhalten ändern”, aber wir wissen, dass dies nur ein Tropfen auf den heißen Stein ist, weil unter anderem nicht regulierte Industrien riesige Mengen an Kohlendioxyd freisetzten.
Am wichtigsten ist es, die Menschen aufzuklären und zu sensibilisieren. Wir haben beantragt, eine Reihe von Maßnahmen zum Thema Risiken des Klimawandels in Schulen und für bestimmte andere Zielgruppen durchführen zu dürfen. Wir sind auch Teil des Ballungsraums Lissabon, für den eine umfangreiche Studie zur Untersuchung der Auswirkungen des Klimawandels im Gange ist.
Im Landkreis Setúbal ist der neue Flughafen Lissabon geplant. Der Plan der Regierung und des multinationalen Unternehmens Vinci sieht eine Verdoppelung der Luftbewegungen pro Stunde vor …! Macht Ihnen dieses Projekt keine Sorgen? Ist es überhaupt mit der Verpflichtung zur Emissionsminderung vereinbar?
Wir denken, dass es sich hier um eine Investition handelt, die das Problem in der Zukunft möglicherweise nicht lösen wird. Es geht um eine Erweiterung des bestehenden Flughafens, nicht den Bau eines Neuen, der vor allem kleinere Billiganbieter anziehen würde, was eine enorme Belastung der Umwelt mit sich bringen könnte. Auch würde das Problem damit nicht gelöst werden, da schon jetzt davon ausgegangen wird, dass der neue Flughafen voraussichtlich 2050 an die Grenzen seiner Kapazität stoßen würde…
Sie gehen also davon aus, dass eine weitere Steigerung des Luftverkehrs unumgänglich ist…
Alles sieht danach aus… Wenn wir keinen ganz neuen Flughafen bauen wollen, sondern Portela erweitern und Montijo zu einem Zivilflughafen umbauen, könnte dies zu einem wesentlich höheren Verkehrsaufkommen führen. Gäbe es nur einen Flughafen, wäre das wahrscheinlich anders. Wir haben einen Flughafen mitten in der Stadt Lissabon, der natürlich auch Probleme verursacht. Und für Montijo warten wir noch auf das Ergebnis der Umweltverträglichkeitsprüfung. Wir glauben, dass die vorliegenden Pläne nicht zielführend sind und das, was eigentlich unternommen werden müsste, nicht getan wird. In zehn Jahren werden wir dann fragen “wo bauen wir einen neuen Flughafen?”
Aber ist ein ganz neuer, leistungsfähigerer Flughafen ein geeignetes Mittel, wenn wir hier in einem Workshop nach
Lösungen für die durch den Klimawandel verursachten Veränderungen suchen?
Die Menschen sind immer mehr unterwegs. Bei zunehmendem Verkehr von Personen und Gütern brauchen wir einen leistungsfähigen Flughafen. Beim Flughafen von Portela sind die notwendigen Voraussetzungen nicht mehr gegeben. Aber wenn Sie mich fragen:” Ist es gerechtfertigt für Strecken wie von Lissabon nach Porto, oder Faro das Flugzeug zu nehmen? Wahrscheinlich nicht, denn mit dem Zug zu fahren belastet die Umwelt wesentlich weniger. Über diese Fragen müssen wir nachdenken.
Gibt es auch Gründe zum Optimismus? Beispiele für inspirierende ökologische Projekte im kommunalen Bereich?
Ja. Es besteht Grund zu der Annahme, dass es trotz Schwierigkeiten immer noch möglich ist, vieles umzukehren. Ich gebe Ihnen ein Beispiel aus unserem Landkreis bezüglich der Austernzucht, von der in Setúbal viele Menschen lebten. Mit der Ansiedlung der Schwerindustrie in den 1970er Jahren verschwanden die Austern oder waren kontaminiert. Jetzt im Jahr 2019 haben wir mehrere Austernzüchter, die sogar exportieren können. Eine von der ICNS durchgeführte Studie lieferte sehr interessante Ergebnisse. Wir haben gesunde Austern, die sich wie in der freien Natur vermehren. Daraus dürfen wir schließen, dass der Sado mit Sicherheit sauberer geworden ist. In den neunziger Jahren hätte dies niemand für möglich gehalten. Es war also möglich, ein Problem unter die Lupe zu nehmen, zu analysieren und zielführende Maßnahmen zu ergreifen. Daraus sollten wir lernen verantwortungsbewusst zu handeln. Noch ist Zeit umzukehren – aber nicht mehr lange. Wenn wir so weiter machen wie bisher, wird eine Umkehr mit Sicherheit unmöglich werden.
Auch unsere Delphine stimmen uns zuversichtlich: In unserem Fluss Sado lebt eine Gruppe von Delphinen, die es uns erlaubt, mit Hoffnung in die Zukunft zu blicken.
Das sind wichtige Signale…
Viele unserer Projekte machen mich optimistisch. Schulen, Organisationen, Genossenschaften haben diese eigenständig entwickelt. Die Initiative kam nicht von der Kommune, diese hat jedoch die Aufgabe der unterstützenden Begleitung.
Können Sie ein Beispiel nennen?
Ocean Alive, eine Kooperative, die in der Flussmündung des Sado arbeitet, hat sich vor allem bei den Fischern dafür eingesetzt, dass keine Artikel aus Kunststoff in den Fluss geworfen werden, viele Aktionen mit ehrenamtlichen Helfern organisiert und Tonnen von Plastik eingesammelt. Raquel Gaspar, der die Flussmündung sehr am Herzen liegt, gründete die Kooperative mit dem Ziel, Fischern zu helfen, insbesondere den Fischerinnen und Muschelsammlerinnen.
Dann unsere Schulen und unsere Schüler, die sich unentwegt mit dem Thema Umwelt beschäftigen. Wir mögen denken, dass sich nur wenige Menschen dafür interessieren, aber Kinder sind für Fragen des Umweltschutzes bereits sehr sensibilisiert. Ich bin neulich in einer Schule gewesen – eine der Hauptsorgen der Neuntklässler war das Baggern. Das bedeutet, dass sie über die Umweltprobleme der Stadt sehr gut informiert sind – ein sehr gutes Zeichen!
Danke.