und die Reduzierung der CO2-Emissionen des Verkehrs
2016 war das heißeste Jahr seit Beginn der globalen Temperaturaufzeichnungen im neunzehnten Jahrhundert. Regierungen auf der ganzen Welt beginnen scheinbar endlich die auf uns zukommenden Klimaprobleme ernst zu nehmen. Nach den Vereinbarungen der Weltklimakonferenzen COP21 in Paris und COP22 in Marrakesch werden die beschlossenen Maßnahmen durch die teilnehmenden Länder immer zügiger umgesetzt. José Mendes, der Portugal repräsentierende Umweltstaatssekretär, sprach mit ECO123 darüber, was in Portugal und auf der ganzen Welt dafür getan wird im Versuch, die globale Erwärmung zu reduzieren. Neben der Elektrifizierung des Mobilitätssektors, der Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien und der Verbesserung der Energieeffizienz im Wohnungsbau und der Stadterneuerung, rechnet José Mendes mit zukünftigen technologischen Innovationen als erfolgversprechendste Lösung, um den Menschen auf seinem Planeten zu retten.
Sie sind jemand, der sich für die Umwelt einsetzt und mehr Einflussmöglichkeiten zur Lösung der Probleme unseres Planeten hat als ein einfacher Bürger. Welche Träume hat ein Mann in Ihrer Stellung?
Meine Träume sind die Träume eines ganz normalen Menschen. Ich glaube nicht, dass das, was gerade geschieht, einen Einfluss auf den Rest meines eigenen Lebens haben wird. Aber mein Anliegen ist es, etwas dagegen zu tun, daß meine Kinder in den kommenden Jahrzehnten mit der Bedrohung steigender Meeresspiegel, der Erwärmung des Planeten und Atemschwierigkeiten in den Städten leben müssen. Das macht mir Sorgen. In meiner Position stehe ich im Öffentlichen Dienst, d.h., ich setze mich für die Zukunft der Gesellschaft ein. Ich wünsche mir, dass die Welt in Bezug auf Ökonomie und Umwelt zu einem Gleichgewicht findet und es beibehält, der Rest wäre einfach.
Ist das Umweltministerium das wichtigste Resort in der Regierung?
Für mich ist es das Wichtigste, weil es meine Aufgabe ist. Aber es gibt auch andere wichtige Ministerien, die mit dem Leben der Menschen zu tun haben, wie u.a. Soziales, Bildung oder Gesundheit. Umwelt hebt sich dadurch hervor, dass es mit allen anderen Resorts verknüpft ist. Alles, was wir Menschen tun, hat Auswirkungen auf die Umwelt. Deshalb haben sich in Paris fast 200 Länder zu der Vereinbarung zusammengefunden. Wenn wir uns nicht gemeinsam bemühen, ist es sehr wahrscheinlich, das bis zum Ende des Jahrhunderts die Temperatur im Mittel um bis zu fünf Grad ansteigt, was für den Menschen auf der Erde absolut unerträglich wäre.
Was wurde bisher in dieser Richtung getan?
Wir arbeiten jeden Tag daran, um die Wirtschaft zu dekarbonisieren. Das heißt, dass wir in unserem täglichen Leben die CO2-Emissionen verringern müssen, den Ausstoß von Treibhausgasen reduzieren, also Bedingungen schaffen, um den Klimawandel zu begrenzen für eine nachhaltigere Welt. Es gab Zeiten, da hat man Dinge wie Umwelt und das Umweltministerium wie Kuriositäten betrachtet. Vor 50 Jahren war das alles noch sehr weit weg. Heute ist das eindeutig anders.
Anfang November 2016 traten die bei COP21 getroffenen Entscheidungen in Kraft. Was hat sich dadurch verändert?
Die Pariser Vereinbarung wurde Ende 2015 unterzeichnet, aber sie muss danach noch in jedem der 197 Länder ratifiziert werden. Einige Länder haben dies bereits getan, aber viele andere noch nicht. Portugal war unter den ersten sechs in Europa. Das Abkommen kann nur in Kraft treten, wenn es von einer Gruppe von Ländern ratifiziert worden ist, die zusammen genommen mindestens 55% der weltweiten Emissionen verursachen. Man hoffte, dass es in etwa zwei Jahren soweit sein würde. Aber auf der COP22 in Marrakesch wurde festgestellt, dass dieser Prozentsatz bereits erreicht wurde. Das Abkommen kann also viel früher als gedacht in Kraft treten. Das ist auch ein Zeichen dafür, dass ein großer Teil der Weltgemeinschaft sich sorgt, denn sonst hätte sie es nicht so schnell ratifiziert.
Welche Maßnahmen werden umgesetzt?
Die COP21 war dazu gedacht, eine Einigung zu erzielen. Bei der COP22 geht es um die Durchführung der Vereinbarung durch Lastenteilung, der Aufteilung der Anstrengungen der einzelnen Länder bei der Begrenzung der CO2-Emissionen. Auch Portugal hat seinen Emissionskontrollplan. Im Verkehrssektor wollen wir bis zum Jahr 2020, bezogen auf 2005, die CO2-Emissionen um 14% und bis zum Jahr 2030 um weitere 26% senken.
Um welche konkreten Maßnahmen handelt es sich?
An erster Stelle steht die Elektrifizierung der Mobilität und des Transportsektors. Es geht um die Umstellung von Beförderungsmitteln, die fossile Brennstoffe verwenden auf Transportmittel, die mit Strom betrieben werden.
Nur auf der Ebene der privaten oder auch der öffentlichen Verkehrsmittel?
Privatfahrzeuge wie auch den öffentlichen Personenverkehr. Anfang November eröffneten wir PO SEUR, eines der operationellen Programme im Rahmen von Portugal 2020, für die Erneuerung der Kraftfahrzeugflotte zur Personenbeförderung. Es stehen 60 Millionen Euro zur Unterstützung der Anschaffung von bis zu 500 Bussen bereit. Voraussetzung für den Zuschuss ist, dass es sich um emissionsarme oder emissionsfreie Busse handelt. Die meisten werden Erdgasbusse sein, die weniger CO2 ausstoßen, aber auch Elektrobusse. Dann gibt es noch die Maßnahmen zur Verringerung der Kohlenstoffemissionen und die Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Quellen, wobei Portugal weltweit an fünfter Stelle bei der installierten Kapazität der Ökostrom-Produktion pro Kopf liegt. In der ersten Hälfte 2016 lag der Anteil der elektrischen Energie aus erneuerbaren Quellen in Portugal bei etwa 70%. Des Weiteren geht es bei Neubauten, Stadterneuerung und Renovierungen darum, die Energieeffizienz von Häusern zu verbessern.
In Portugal gibt es 3.544.000 Wohnungen und Gebäude, davon sind mehr als 965.000 einsturzgefährdet.
Nicht gerade einsturzgefährdet, aber sanierungsbedürftig. Wir haben etwa 3,5 Millionen Gebäude. Ungefähr eine Million davon muss saniert werden. Drei- bis vierhunderttausend Bauten müssen dringend erheblichen oder grundlegenden Renovierungsarbeiten unterzogen werden.
Eine echte Herausforderung, nicht wahr?
Es ist eine sehr große Herausforderung, für die wir fünf verschiedene Programme zur Sanierung entworfen haben. Staatliche Hilfen gibt es zur Verbesserung der Energieeffizienz. Mit diesen Programmen decken wir so gut wie alle Aspekte ab. Sie gelten für ganz Portugal und beziehen sich auf komplette Gebäude wie auch auf einzelne Verbesserungen, die eine Familie in ihrer Wohnung oder ihrem Haus durchführen möchte.
Wäre es nicht an der Zeit, dass Flugzeugkersoin besteuert würde?
Das wird bereits getan. Die Kohlendioxidproduktion, die bei Flügen anfällt, wird besteuert. Beim Kauf eines Fahrzeugs werden die Steuern auf der Grundlage der CO2-Werte und des Hubraums berechnet. Anstatt die Steuern immer weiter hinaufzusetzen, gehen wir heute den umgekehrten Weg. Auf ein KFZ, das die Umwelt weniger belastet, erheben wir weniger Steuern. Beim Kauf eines Elektroautos ist der Besitzer von der beim Kauf zu zahlenden Kraftfahrzeugsteuer (ISV) befreit. Man zahlt auch keine jährlichen KFZ-Steuern (IUC) und auch keine Zulassungssteuer. Als Unternehmen erhalten Sie die Umsatzsteuer zurück. Wenn Sie ein Hybridfahrzeug plug in kaufen, fällt ein Teil der ISV weg.
Im Vertrag von Kyoto aus dem Jahr 1999 wurde festgeschrieben, dass jeder EU Bürger nicht mehr als dreitausend Kilogramm CO2 pro Jahr verursachen sollte. Kennen Sie Ihren persönlichen jährlichen Kohlenstoff-Fußabdruck?
Nein.
Planen Sie ein Steuergesetz, das die Abgaben eines jeden Steuerzahlers an seine CO2-Emissionen koppelt?
Zurzeit gibt es das noch nicht. Aber in Europa ist auch das in der Diskussion.
Gibt es Hinweise darauf, dass das der richtige Lösungsweg sein könnte?
Einige Städte haben bereits ein Mautsystem eingeführt. Zum Beispiel gibt es so etwas in London und ist nicht gerade billig, auch in Sydney und anderen Metropolen. Die ersten Systeme funktionieren mit der Entrichtung einer Maut für den Zugang zur Stadt für einen Tag, die für jedermann gleich viel kostet. Weiter entwickelte Systeme werden in Singapur getestet, wo nicht nur Ein- und Austritt aus der Stadt berücksichtigt werden, sondern auch die Dauer und Entfernung von A nach B. Wenn Sie Ihr Anliegen in einer Viertelstunde erledigen können, zahlen Sie nichts. Aber für einen LKW, der vier oder fünf Stunden in der Stadt unterwegs ist, CO2 produziert und Platz verbraucht, wird mehr verlangt.
ECO123 hat ein ONLINE CO2-Bankkonto zur Messung des ökologischen Fußabdrucks eines jeden Bürgers eingerichtet, mit dem es möglich ist, den jährlichen Gesamtverbrauch einer einzelnen Person einzuschätzen. Können Sie sich vorstellen, dass dies eine gute Idee für die Zukunft sein könnte?
Ich glaube schon, aber dann wahrscheinlich eher aus anders gelagerten Gründen. Während der Umwandlung des Mobilitätssystems durch den gezielten Umstieg auf Elektrofahrzeuge und auf öffentliche Transportmittel werden die Regierungen weniger Steuern einnehmen. Dann werden sie einen anderen Weg suchen, weil ihnen die Einnahmen für den Staatshaushalt fehlen. Das Steuersystem mit den Mobilitätsmustern und dem persönlichen Lebensstil zu verknüpfen, erzieht die Menschen zu Verfahren, mit denen sie weniger CO2 emittieren. Wenn wir danach besteuert werden wie viel CO2 wir emittieren, werden wir unser Verhalten dementsprechend anpassen. Zurzeit sind das nur Ideen, aber ich kann mir für die Zukunft solche Steuerkriterien vorstellen.
Heutzutage dominiert die Wirtschaft die Umwelt. Wird es nicht langsam Zeit, dass der Umweltschutz Vorrang vor Wirtschaftsinteressen hat?
Die Pariser Vereinbarung handelt davon. Aber Prävention verursacht auch sehr hohe Kosten. Wir konzentrieren uns daher unter anderem auf den Klimawandel durch die Vereinbarung von Grenzwerten für Treibhausgase, vor allem CO2. Hier geht es um Reduzierung, in die sehr viel Geld investiert wird. Dann unternehmen wir auch Eingriffe wie das Anspülen von Sand zum Schutz der Küstengebiete mit Stränden. Die Probleme sind schon so weit fortgeschritten, dass wir an beiden Fronten, sowohl mit Prävention als auch mit Reparatur, arbeiten müssen. Alle Länder beteiligen sich an dem sogenannten effort sharing, eine Verteilung der Lasten zur Emissionsreduzierung aller Bereiche zusammengenommen: Verkehr, Landwirtschaft, Energieproduktion und so weiter.
Die Staatskasse wird duch Umweltkatastrophen erheblich belastet.
Genau deshalb liegt der Schwerpunkt auf Prävention und Anpassung. Jedes Land hat seinen Teil beizutragen. In Portugal haben wir zwei Probleme bei der Anpassung. Das Meer greift die Küste an, eine Küstenlinie von mehr als 1.000 Kilometern, die dem Klimawandel ausgesetzt ist. Das andere Phänomen ist die Verödung unseres Landesinneren. In den schlimmsten Szenarien wird von 2060, 2070 an und wenn nichts dagegen getan wird – wobei ich ernsthaft glaube, dass etwas getan werden wird – die Wüste, die vom Norden Afrikas aus schon ein gutes Stück nach Spanien vorgedrungen ist, sich praktisch bis zur Hälfte unseres Landes ausbreiten. Lissabon wird dann zu einer Oase in der Wüste. Das ist bereits jetzt absehbar, wenn nichts dagegen getan wird.
Und was muss Ihrer Meinung nach getan werden?
Vieles ist zu tun, und ich denke, es ist mehr als nur eine Änderung im alltäglichen Verhalten nötig beim Versuch, die Temperatur und die Emissionen zu senken. In diesem Jahrhundert muss noch viel mehr getan werden. Und vielleicht wird es schon sehr bald einen Paradigmenwechsel auf technologischer Ebene geben. Wir brauchen bahnbrechende technische Innovationen, um diese Entwicklung umzukehren. Ehrlich gesagt glaube ich, dass wir unsere Ziele sonst nicht erreichen werden.
An welche Innovationen zur Verringerung des Klimawandels, den wir jetzt erleben, denken Sie?
Die globale Erwärmung begann erst nach der industriellen Revolution mit der Einführung von neuen Technologien. Vorher gab es dieses Phänomen nicht. Ich meine zum Beispiel Clean Energy. Vor 20 Jahren gab es noch keine Elektro-Autos. Heute werden Milliarden von Kilometern von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren gemacht. Diese werden durch emissionsfreie Wagen ersetzt werden, sobald sie eine größere Reichweite haben und wir mehr Energie aus erneuerbaren Quellen erzeugen können. Das wird zu einer gewaltigen Reduktion der Emissionen führen. Ein weiteres Beispiel: In den letzten Monaten – nicht Jahren, sondern Monaten! – sanken die Kosten für photovoltaische Stromerzeugung aufgrund der technologischen Entwicklung enorm, d.h., für die Photovoltaik-Module. Es wird sehr bald möglich sein, in unseren Häusern und in großen Anlagen zur Stromerzeugung Photovoltaik-Module zu äußerst wettbewerbsfähigen Preisen einzusetzen. Ich glaube an die Technik, und diese Innovationen werden der game changer werden, der Impulsgeber für die Wende.
Und die ärmeren Länder?
Nach dem Pariser Abkommen werden die reichen Staaten nicht nur den Teil zur Treibhausgas-Reduktion in ihrem eigenen Land übernehmen, sondern sie erklärten sich bereit, einen Fond von 100 Milliarden Dollar für die ärmeren Länder zu schaffen, damit auch dort Schritte zur Abmilderung unternommen werden können. Wie bringt man die Wirtschaft in einem afrikanischen Land zum Wachsen? Durch zunehmende Industrialisierung, mit steigenden Emissionen. Wir wissen zwar, dass es früher noch schlimmer war, aber ein Wachstumsprozess geht immer auch mit steigenden Emissionen einher. Ohne Emissionen kein Wachstum. Im vergangenen Jahr gelang erstmals auf globaler Ebene, was in der EU schon seit einiger Zeit der Fall ist: die Entkopplung des Wirtschaftswachstums von der Zunahme der Treibhausgas-Emissionen. Bald wird es daher möglich werden, das Gesamt-BIP der Länder der Welt zu steigern bei gleichzeitiger Senkung der Emissionen.
Sie sind ein optimistischer Mensch…
Es gibt eine Sache, die mich mit Hoffnung erfüllt: Wann immer die Menschheit mit einem großen Problem konfrontiert wurde, fand sie eine technologische Lösung. Die Entwicklungen in der Welt seit 1880, seit der vorindustriellen Zeit bis heute, führte zu vielen positiven Errungenschaften. Gleichzeitig haben wir uns jedoch nicht genügend um die Zukunft des ökologischen Gleichgewichts des Planeten gekümmert. Das haben wir schlecht gemacht. Jetzt müssen wir es besser machen. Aber ich glaube an die Menschen und an die Menschheit. Wir müssen optimistisch bleiben, denn wenn wir unseren Optimismus verlören, was für eine Welt würden wir dann unseren Kindern hinterlassen?