“Die Städte sind unterschiedlich, aber im Grunde verfolgen wir alle die gleichen Ziele. Die Wege dorthin unterscheiden sich jedoch. Vielleicht gehen ja einige voraus, während andere folgen.“ Fabíola Oliveira vom Forstamt und Maria Elisabete Mato, Beraterin des Bürgermeisters, berichten über Herausforderungen und Lösungen aus dem nördlichsten Landkreis Portugals am BEACON Projekt, aus Viana do Castelo.
Sie informieren andere Gemeinden über das inspirierende Beispiel einer Biogasanlage. Was sind die Vorteile dieses Prozesses?
Maria Elisabete Mato: Wir haben eine öffentliche, interkommunale Firma, Resulima, die sechs Gemeinden mit rund 321.000 Einwohnern umfasst. Sie arbeitet autonom, befasst sich mit der Sammlung, Sortierung und Verarbeitung von Abfällen und betreibt die Deponie, mit der Biogas erzeugt wird. Der Vorteil wird schon durch die Bezeichnung, die wir dem Projekt geben ersichtlich: Nutzung von Biogas. In allen Deponien gibt es organisches Material, mit Kohlenhydraten und Enzymen, durch deren Abbau eine anaerobe Gärung entsteht und Gase freigesetzt werden. Zwei sehr wichtige davon, CO2 und Methan, beeinflussen den Treibhauseffekt maßgeblich. Diese Gase werden eingefangen und in Energie umgewandelt, die dann an die EDP (Electricidade de Portugal) verkauft wird. Der Vorteil besteht zum einen in der Reduktion des Treibhauseffektes, da diese Gase nicht freigesetzt werden, zum anderen in der Verringerung der Energieabhängigkeit Portugals. Die mit unserer Biogasanlage erzeugte Energie entspricht etwa 9000 Barrel Öl pro Jahr, das Portugal nicht mehr im Ausland kaufen muss.
Ein Erfolgsbeispiel das Nachahmer finden könnte?
Maria Elisabete Mato: Ja, durchaus. Die 2011 von Resulima begonnene Produktion von Biogasenergie, war mehr oder weniger konstant. Die Energiemenge entspricht dem jährlichen Verbrauch von 14.000 Einwohnern oder fünftausend Familien. Was für mich ziemlich gut klingt. Die Deponie ist 20 Jahre alt und erreicht jetzt die Grenze ihrer Lebensdauer, da bereits eine größere Menge an Altabfall vorhanden ist. Der Prozess ist nur innerhalb eines bestimmten Zeitrahmens effektiv, denn der Hauptproduzent der Gase sind neu anfallende Abfälle. Während die Fermentation vonstatten geht, reduziert sich natürlich die Menge der freigesetzten Gase. Unsere Station ist zwar halb geschlossen, wird aber mit neuem Müll gefüttert, so dass die Gärung weiter geht.
Wird der organische Abfall zur Erzeugung von Biomasse getrennt?
Maria Elisabete Mato: Wir haben gelbe, grüne und blaue Wertstoffcontainer und einen weiteren für den Hausmüll, darin werden organische Stoffe zusammen mit anderen Abfällen in Plastiktüten entsorgt. Bei Resulima erfolgt die Sortierung dieser Bestandteile. Erst danach gelangt organisches Material in die Biogasproduktion. Zurzeit läuft eine Ausschreibung mit dem Ziel, die Trennung organischer Stoffe zu optimieren. Dabei soll ein eigens dafür entwickelter und mit Zugangschip versehener Container zum Einsatz kommen, in den jeder Einwohner sein in einer Kiste gesammeltes organisches Material ohne weitere Verpackung direkt entsorgt.
Gibt es einen konkreten Termin zur Umsetzung?
Maria Elisabete Mato: Voraussichtlich Ende 2019.
Und sie haben auch ein Projekt zur Kompostierung organischer Abfälle direkt in den Haushalten. Wie wurde das von der Bevölkerung aufgenommen?
Fabíola Oliveira: Die städtischen Dienste haben den Haushalten Komposter zur Verfügung gestellt, mit denen die Bürger die im Haushalt anfallenden Bioabfälle selbst kompostieren können. Das läuft sehr gut. Es gab dafür große Offenheit und Akzeptanz. Besonders bei Menschen, die über einen Garten oder einen anderen geeigneten Platz verfügen, egal ob sie in der Stadt oder außerhalb leben. Zudem waren die auf dem Dorf lebenden Menschen zum Großteil schon kulturell mit dieser Praxis vertraut.
Das heißt etwas Verlorengegangenes wurde wiederentdeckt?
Fabíola Oliveira: Ja, in gewisser Weise. Früher lebten die Menschen im oberen Teil des Hauses und die Tiere darunter. Das Schwein übernahm das Recycling des Hausmülls. Diese Erinnerung ist vielen Menschen noch präsent.
Welche Befürchtungen gibt es in Bezug auf den Klimawandel?
Maria Elisabete Mato: Die Gemeinde ist sehr besorgt, deshalb haben wir uns auch der Vereinigung der Bürgermeister angeschlossen und im Rahmen von Klima-ADAPT-Local unsere eigenen Strategien ausgearbeitet. Das umschließt alle Aspekte der Energieeffizienz.
Wir sind Pioniere in Sachen elektrische Ladestationen. Es war ein Pilotprojekt und um zur Nutzung der Ladestationen zu motivieren, waren diese kostenlos.
In der Gemeindeverwaltung gibt es fünf Elektroautos, fünf Fahrräder für Angestellte und zwei städtische Elektrobusse, die einen Rundkurs um die Altstadt herum, zum Krankenhaus und zum Markt zu sehr attraktiven Tarifen ermöglichen. Dieses Angebot wird von Menschen ab einem gewissen Alter rege in Anspruch genommen.
Wir haben auch ein Netz von Radrouten, das jedoch nicht vollständig verbunden ist. Wenn es fertiggestellt ist, könnte es eine gute Alternative sein. Es gibt Städte wie Aveiro, die dies bereits sehr gut umgesetzt haben.
Zurzeit betreiben wir ein Projekt zur Pflanzung von 100.000 Bäumen in Zusammenarbeit mit der Umweltschutzorganisation Quercus. Wir haben ein Team, das ausschließlich auf der Ebene der Umweltbildung arbeitet. Außerdem gibt es ein Umweltbildungszentrum für Sensibilisierung, Information und Schulung.
Fabíola Oliveira: Wir haben eine sehr große Grünfläche, wunderschön angelegte Gärten, viele Blumenbeete, sie sind Teil der Kultur und des Images der Gemeinde. Wir ziehen die Pflanzen für die Stadt und die Gemeinden selbst. Wir haben dabei versucht, für die Küstenregion typische Pflanzen mit geringem Wasserbedarf zu bevorzugen, um den Wasserverbrauch zu reduzieren. Sie wachsen in unseren Gärten, dienen aber auch der Regeneration der Küstenzone, die unter den Auswirkungen der klimabedingten Erosion leidet.
Was passiert mit der Biomasse aus den Gärten?
Fabíola Oliveira: Das Meiste geht an Resulima oder wird leider noch verbrannt. Das wollen wir ändern und anfangen, Kompost zu machen. Große Holzstücke werden an Schulen verteilt, in denen noch mit Holz geheizt wird. Kleinere Holzstücke werden geschreddert und der dabei entstehende Mulch in den Gärten verwendet.
Konnten die Gemeinde und ihre Dienststellen eine Verringerung des Verbrauchs erreichen?
Maria Elisabete Mato: Ja und nein. Bei der ersten Bewertung des Energieverbrauchs im Rahmen der Bürgermeistervereinigung hatten wir einen geringeren Konsum zu verzeichnen, da wir nicht über Geräte zum Heizen und Kühlen verfügten. Jetzt haben wir diese Geräte installiert, auch um einige Regeln einzuhalten, die uns die Gesetzgebung vorschreibt, zum Beispiel bezüglich der Beheizung von Schwimmbädern. Wir verbrauchen jetzt im Vergleich zu vorher natürlich mehr. Das hat aber mit dem Ausgangspunkt zu tun. Bei der Beurteilung wurden die verfügbaren Daten der Situation zugrunde gelegt, in der sich Portugal zuvor befand. Vor zehn Jahren hatte fast niemand in den Wohnungen eine Zentralheizung. Heute sind fast alle Neubauten damit ausgestattet. Es ist offensichtlich, dass die Menschen heute viel mehr Energie verbrauchen. Aber das kann nicht mit Dänemark verglichen werden, das große Mengen Energie zum Heizen verbraucht. Der Lebenskomfort in Dänemark und Portugal war zu Beginn des Projekts nicht derselbe. Ein Mehrverbrauch von 20% erhöht die Lebensqualität in Dänemark nicht im selben Masse wie dies für Portugal gilt.
Gibt es denn keine Möglichkeiten diesen Lebensstandard zu gewährleisten, ohne das Klima zu belasten?
Maria Elisabete Mato: Zurzeit nicht, denn die EDP lässt das nicht zu. Es gäbe auch andere Möglichkeiten, wie beispielsweise Photovoltaik-Module, doch die EDP ist da leider unflexibel. Der Energieertrag bei Solarmodulen ist im Sommer am größten – in dieser Zeit ist der Energieverbrauch jedoch am geringsten. Da die Bürger den Überschuss nicht an die EDP verkaufen können, sind die Module unterdimensioniert. Mit der Übertragung von Kompetenzen an die Kommunen gibt es Gemeinden, die diese nutzen werden, um neue Versorgungsverträge abzuschließen. Ich denke, diese Gemeinden werden dann in der Lage sein, die große Lücke zu schließen, die wir in Portugal haben. Zudem ist auf politischer Ebene die damit verbundene Senkung der Energiepreise für jeden Bewerber um ein Mandat äußerst attraktiv.
Beschäftigen sie sich mit der Waldbrandgefahr?
Maria Elisabete Mato: Im Bereich Brandschutz des Waldes entwickeln wir schon den dritten Plan. Im vergangenen Jahr konnten dank entsprechender finanzieller Mittel Investitionen in Höhe von fast einer Million Euro für die Einrichtung von Brandschneisen getätigt werden.
Dabei wurden auch 28 Wanderwege angelegt, die interessanterweise durch eine Verbindung von Sport, Entdeckung und Abenteuer, viele Menschen in die Gemeinde gelockt haben.
Im ganzen Land werden Fälle von übermäßiger Abholzung und Übereifer bei der Waldpflege gemeldet…
Fabiola Oliveira: Nach meinem technischen Verständnis ist die Gesetzgebung diesbezüglich übertrieben ausgefallen. Die vorgeschriebenen Abstände sind viel zu groß, und so haben viele Leute einfach alles abgeholzt, ohne dass dazu überhaupt eine Notwendigkeit bestanden hätte.
Es gibt aber auch Fälle, wo die vorgeschriebenen Abstände zwischen den Bäumen nicht vollständig eingehalten wurden, und bei Kontrollen seitens der GNR oder des Rathauses ließ man dies durchgehen – besonders wenn es um Eichen geht, werden wir niemanden zu deren Abholzung verpflichten, es sei denn, uns liegen diesbezüglich Beschwerden eines Nachbarn vor – dann müssen wir die gesetzlichen Bestimmungen natürlich anwenden. Wir versuchen an den gesunden Menschenverstand zu appellieren, aber das ist nicht einfach.
Die Gemeinde hat 19.000 Hektar Waldfläche, teils in Privat-, teils in Gemeindebesitz. Das Ziel in diesem Jahr ist die Aufforstung mit einheimischen Arten zu fördern. In Bereichen, die wir als Naturdenkmäler einstufen, versuchen wir Akazien und andere nichtheimische Baumarten allmählich mit der Erlaubnis der Eigentümer durch autochthone Arten zu ersetzen. Das Problem dabei ist, dass wir manchmal nicht wissen, wer die Eigentümer der Waldflächen sind.
Welche Bedeutung hat das Gemeindeland?
Fabíola Oliveira: Es wird von Vorständen oder Gemeinderäten, manchmal auch in Zusammenarbeit mit dem Staat verwaltet. Wir haben ein ernstes Problem mit nichtheimischen Pflanzen. Es gibt immer weniger Pinien, dafür aber eine Menge Eukalyptuspflanzungen, die schlecht gemanagt oder sich selbst überlassen werden. Viele davon befinden sich in Gebieten, in denen sie gar nicht sein dürften. Erstmalig werden die neuen Regionalpläne für die Waldbewirtschaftung mit den Flächennutzungsplänen verknüpft, was sehr zu begrüßen ist. Wir haben durchgehende Wälder aus Kiefern, Eukalyptus und Akazien, die mit weniger brennbaren Arten, Buschland, Blumenwiesen und Landwirtschaft ergänzt werden müssen. Dieses Mosaik ist sehr wichtig, denn dadurch wird die Bekämpfung von Bränden und Seuchen wesentlich einfacher.
Verdient eine Monokultur die Bezeichnung Wald?
Fabíola Oliveira: (Gelächter.) Es ist ein Wald, weil es sich um eine Gruppe von Bäumen handelt… Nur wenn Akazien und Eukalyptus sehr dicht stehen, wird bemerkt, dass die Artenvielfalt dort nicht mehr gegeben ist. Wir haben folgendes Problem: Nach einem Brand keimt das ganze Saatgut aus. Unter normalen Umständen jedoch haben wir das Glück, eine sehr abwechslungsreiche Vegetation zu haben. Im südlichen Bereich unseres Bezirks kommen viele Korkeichen zum Vorschein. Samen, die dort im Boden bleiben sollten, sind aufgrund der Brände nach oben gekommen.
Es gibt viel zu tun, aber gleichzeitig auch vieles zu beachten. Neben der Produktivität sind auch andere Faktoren von großer Bedeutung, wie zum Beispiel ein ausreichender Abstand zwischen den Bäumen. Das Problem ist, dass wir nur ans Geld denken und je mehr Bäume pro Quadratmeter stehen, desto höher der Gewinn, von dem die Anwohner jedoch nichts haben. Diese Diskussion habe ich mit den Produzenten schon oft geführt. Es ist die Mentalität, die sich hier ändern muss, wobei wir mit gutem Beispiel vorangehen sollten.
Danke.