Schule gleich Freiheit?

Lissabon. Eltern sind häufig unzufrieden mit der Rolle, die die schulische Erziehung im Leben ihrer Kinder spielt. Manche Erziehungsberechtigte resignieren angesichts der Beschränkungen des Schulsystems, andere schließen sich zusammen und protestieren. Doch nur wenige schaffen gemeinsam ein Projekt für ein alternatives Schulmodell. Genauso entstand die Schule Casa Verdes Anos, gegründet 2004 von einigen Familien, die mehr wollten als die typische, postmoderne Schule.

Ihre Schule, die im Garten des Palastes Marques da Fronteira in Monsanto liegt, ist alles andere als typisch. Kaum haben wir das Tor des weiträumigen und dicht begrünten Gartens durchschritten, überkommt uns der Eindruck, dass die Kinder genau hier hingehören.

Das ist offensichtlich die Absicht des Projektes. Es nennt sich “Casa”, Haus, denn es soll den Kindern die gleiche Bequemlichkeit und Sicherheit bieten wie ihr Zuhause, und darüber hinaus jedem einzelnen von ihnen die individuelle Aufmerksamkeit, die es benötigt. Deshalb haben die Klassen der Grundstufe nicht mehr als 18 Schüler, in der Vorschule sind es sogar nur zehn.

Auch die Aktivitäten sollen den Kindern helfen, ihre Individualität auszudrücken. Sie bauen selber Gemüse an, das dann in der Küche verarbeitet wird. Die Ernährung in der Schule ist ovo-lacto-vegetarisch aus biologischen Quellen. Im Kunstunterricht basteln sich die Kinder Spielsachen aus Wolle oder Holz. Sie haben Nähkurse, in denen sie ihre eigene Kleidung herstellen. Alle tragen regelmäßig zu der liebevoll “Jahreszeitentisch” genannten Sammlung bei: ein Baumstamm, auf dem Objekte gesammelt werden, die zur jeweiligen Jahreszeit gehören. Man versucht, die Kinder in die Natur zu integrieren, sei es durch eine Danksagung an Mutter Erde vor den Mahlzeiten, sei es durch die Förderung von Naturverbundenheit allgemein. Das Konzept beruht einerseits auf der Waldorfpädagogik, einer holistischen Erziehungsphilosophie, die die Dreieinigkeit von Körper, Geist und Verstand postuliert, und auf der Bewegung Moderne Schule, die Beteiligung an der Demokratie und persönliche Verantwortung zu fördern sucht. Natürlich ist es verfrüht zu behaupten, dass diese Methode zu besser ausgebildeten Erwachsenen führt, doch ein Besuch während der Pausenzeiten zeigt, dass Spiele spontan entstehen und den Raum des Gartens voll einbeziehen.

Es mag scheinen, dass das Projekt der Escola Verdes Anos das Gegenteil einer herkömmlichen Schule ist, doch Sofia Machado, Kindererzieherin der Schule, sagt, dass man in der Tat versuche, die Kinder “ausgeglichen und fit für die Gesellschaft zu machen.” Die Lehrer wie die Eltern sind der Ansicht, dass genau das erreicht wird.

About the author

Hugo Filipe Lopes:Soziologe, Abschluss in Klinischer Ernährung der Fakultät Ega-Moniz der Uni Lissabon. Mitarbeiter in verschiedenen Online-Publikationen, Ausbilder und Ernährungstherapeut. Auszeichnungen in Wettbewerben des “Casa da Imprensa” und “Lisboa à Letra”.