Samstag, der 28. Oktober 2023.
Im europäischen Winter fliegen sie dann nach Chile, dann ist dort Sommer und löschen dort Waldbrände. „Chile sei hart“, meint Carlos Arroyo Munõz, „dort gäbe es Brandstifter ohne Ende“. Die politische Unzufriedenheit sei in Südamerika weitaus größer als in Europa. Der Klimawandel und der El Nino Effekt seien stärker ausgeprägt.
Nachts wird geschlafen.
Eigentlich sind es immer drei Piloten und zwei Flugzeuge, der Marke Airtracker Fireboss AT 802 mit einer Aufnahmekapazität von 3,8 Tonnen Flüssigkeit. Kann ja einer mal krank werden. Sie arbeiten 22 bis 23 Tage am Stück, immer während des Tages, dann haben sie acht Tage frei. Nachts dürfen sie nicht fliegen, weil sie sich dann in den Hochspannungsleitungen verfangen – und abstürzen könnten. Die Gefahren sind also genau kalkuliert und das Risiko dementsprechend minimiert. Bei Sonnenuntergang müssen sie von jedem Einsatz zurück auf dem Flugplatz in Alvor sein. Sobald die Sonne dann am nächsten Morgen wieder zurück ist und ein Waldbrand noch nicht gelöscht, steigen sie wieder in die Kanzel, starten durch und suchen nach der nächstbesten Mögklichkeit, ihre Wassertanks in Seen oder Flüssen der Algarve wiederaufzufüllen. Während einer Waldbrandschicht, die jahreszeitlich bedingt im Juli länger sei als im September, nehmen sie bis zu zwölf, 13 Mal Wasser auf, das sie dann in Absprache mit den Kollegen am Boden gezielt über den Waldbränden abwerfen – und dann wieder durchstarten. Raus aus der Hitze, raus dem Feuer. Alle drei Stunden, dann müssen sie wieder Kerosin tanken… Ihre Maschinen hätten keine Motoren, sondern würden von Spezialturbinen angetrieben.
Es gibt immer einen Plan B
Ich fragte die beiden, wie sie mit ihrer Angst umgingen, denn Feuer sei ja etwas Archaisches, ein Grundelement unseres Lebens auf dem Planeten, das einen Menschen durchaus in Todesangst versetzen kann. Rui Ramos betont, sie würden kontinuierlich an Fortbildungen und Schulungen teilnehmen und eben gutes Training absolvieren. Bevor sie den ersten Einsatz im Juni hatten, flogen die beiden Piloten die Westalgarve genau ab, suchten da bereits nach Wasserplätzen, tankten ihre Maschinen testweise auf, und liessen das Wasser wieder ab. „Angst,“ sagt Carlos Munõz, “sei immer ein schlechter Begleiter. Nennen wir es Respekt vor der Natur”, ergänzt er. “Es kann schon mal vorkommen, daß wir ein Feuer anfliegen und dann klemmt eine Klappe und das Wasser fließt nicht raus. Was machen wir dann?” Ein Plan B gehöre immer zum Handwerk des Piloten. Man dürfe halt nicht abstürzen. “Dann muß ich die Klappe per Hand, den Bautenzug manuell öffnen, und das Feuer so anfliegen, daß ich an ihm vorbeifliegen kann und wieder Höhe gewinne…” Und wir beiden gehen zu seinem Flugzeug und er zeigt mir, wie genau das funktioniert und wie gut er sein Flugzeug kennt.
Ein Gemeinsinn?
Wieder zurück im Kantinen-Container frage ich die beiden, ob sie sich bewußt sind, wie wichtig ihre Arbeit für das Land sei und ob sie eine Zukunft für sich darin sehen, immer wieder und wieder Feuer zu löschen? “Na klar”, meint Rui Ramos, “die Zeiten werden heißer, die Wälder trockener, der Regen bleibt aus, logischerweise wird es immer öfter brennen – es sei denn – já,” sagt er, “die Mentalität der Leute in Portugal würde sich weiterentwickeln.” Ob er daran glaube, frage ich ihn? Er grinst. Erstens müßten die Leute rund um ihre Häuser alles Gestrüpp wegschneiden, dann das Unterholz saubermachen, die richtigen Bäume pflanzen und dann müssten sie ihre Streichhölzer abgeben und keine Grillparties mehr im Wald veranstalten. Und die beiden Flugzeuge müßten so schnell es ginge, über einem Brandherd sein, noch bevor sich ein Waldbrand ausbreiten könne und vom Wind über Land weitergeblasen würde – und eben Löschwasser abwerfen. Und sie sollten eine Versicherung für ihre Häuser abschließen müssen, ergänze ich.
Es ist Freitag, der 13. Oktober. Am Sonntag soll es endlich regnen! Am Montagmorgen um zehn Uhr fliegen die Tollkühnen ihre zwei gelben Kisten zurück nach Sevilla. Dort werden sie bis zum nächsten Jahr technisch gecheckt und bekommen einen neuen TÜV. Hoffentlich bis zum nächsten Jahr dann, die Herren Rui e Carlos…
* Die Gelben Kisten, von denen es im Einsatz in Portugal und Spanien noch mehrere gibt, gehören der Firma Marinez-Ridao mit Sitz in Sevilla.