Samstag, der 23. November 2024.
Jeremy Walton ist 47 Jahre alt und gelernter Computertechniker. Er ist in Monchique und Portimão zur Schule geganzen und hat in Faro studiert. Jeremy lebt seit 42 Jahren in Monchique und hat ein sehr spezielles Hobby. Er gärtnert und hat es mit Bäumen und Pflanzen. Ob das daran liegt, daß er ein Verständnis für die Natur entwickelt hat? ECO123 interviewte ihn bei seiner Gartenarbeit im Botanischen Garten und wollte erfahren, was ihn motiviert…
ECO123: Jeremy, Sie leben schon so lange, quasi seit Ihrer Kindheit, in Monchique. Sie sind weder Jäger geworden, noch nehmen Sie an Rallys teil, obwohl Sie einen Allradwagen fahren. Was treibt sie dann an, was motiviert Sie, ein bescheidenes Leben in Monchique, in den Bergen der Algarve zu führen?
Jeremy Walton: Seit ich denken kann, also jetzt 47 Jahre schon, beschäftige ich mich mit dem Biotop, der mich umgibt, dem Wald, die Natur. Dazu gehören die Elemente Erde, Wasser und Luft. Das mit dem Feuer kam dann später. Schon als Kind habe ich festgestellt, daß ich nicht allein lebe in diesem Biotop. Da sind neben den Menschen und den Tieren auch der Wald und die Pflanzen. Und im Wald fühle ich mich zuhause, fühle ich mich wohl. Im Gleichgewicht mit allen Elementen zu leben, das motiviert mich, hier präsent zu sein, statt in einer großen Stadt zu leben, wo die Natur nicht mehr spürbar ist. Wir Menschen sind doch Teil von ihr.
ECO123: Mach Dir die Welt untertan, fordern die Religionen vom Menschen. Gibt es deshalb so viele Kriege auf unserem Planeten Erde, besonders den Krieg gegen die Natur? Das Interesse des Menschen dient ja hauptsächlich der Plünderung seiner Umwelt: Stichwort Ressourcen. Wald ist gleich Holz ist gleich Papier ist gleich Möbel ist gleich Waldbrand. Gibt es noch so etwas wie den Respekt vor der Schöpfung, also die Bewahrung des Naturerbes? Die Ressourcenplünderung lässt sich auf alle Bereiche übertragen: Rohöl, Gas, Kohle aber auch Eisen, Gold, Lithium, Granit und Marmor. Die Liste ist noch viel länger und kennt kaum Grenzen. Ist es nicht ungemein schwer, ein Leben zu führen, das bescheiden ist, im Leben das Ziel zu haben, im Einklag mit der Natur zu leben?
Jeremy Walton: Für die Mehrheit der Menschheit trifft das sicherlich zu. Bescheidenheit ist eine Tugend, wer aber in dieser Welt lebt, strebt immer nur nach Wachstum – äußerem Wachstum. Es geht immer nur um Geld, um Statussymbole wie Auto, Kleidung, eine Villa müssen es sein und bis ins kleinste des täglichen Lebens hinein, um Neid, Mißgunst und Eifersucht. Ich versuche, mich diesem negativen Einfluß zu entziehen und den positiven Einflüsse mehr und mehr Raum zu lassen. Ich musiziere in einer Gruppe und ich gärtnere, aber ich baue auch Sprinkleranlagen, um dem vierten Element, dem Feuer in der Natur die Zerstörungskraft zu nehmen, mit dem Element des Wassers. Ich habe mich auch für die Aufdeckung der Verschmutzung durch Schweinefarmen eingesetzt, die jetzt glücklicherweise viel geringer ist als früher. Die Bäche sind nun sauberer. Jetzt wird die Gülle in Tanks gelagert und nicht mehr in die Bäche eingeleitet.
ECO123: Sie sprachen gerade von Wachstum. Lassen Sie uns noch einmal dahin zurückkehren. Dieser Begriff zieht sich durch unser Leben wie eine unheilbare Krankheit. In der Wirtschaft, in der Wissenschaft, aber auch im privaten Leben. Ist genug denn nie genug?
Workshop (10h)
7 & 8 December
Tel: +351 967 195 930 theobald.tiger8550@gmail.com
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Jeremy Walton: Schauen Sie, ich lebe mein ganzes Leben schon in Monchique. Wir waren früher einmal so etwas wie ein lebendiges Bergdorf, eine Gemeinschaft mit Traditionen. Dann kam die Papierindustrie und legte den Samen des Wachstums in diese unsere Gemeinschaft, daß man viel mehr aus seinem Boden machen könnte. Die Frage zirkulierte im Raum, daß man mit ganz wenig Arbeit so viel wie möglich verdienen könne und warum man sein Land nicht mit Eukalyptus bepflanze statt mit einheimischen Bäumen, die kaum etwas einbringen außer ein paar Früchten wie Eicheln und alle zehn Jahre ein wenig Kork, dann Kastanien und vielleicht noch ein paar Pilze, Kartoffeln und Kirschen? Eukalyptus ist der Wunderbaum, mit dem sich schnell Geld verdienen läßt, er wird nach acht Jahren gefällt, per LKW in die Papierindustrie transportiert und aus den Wurzeln sprießt direkt der nächste Stamm, den man wieder und wieder schneiden kann. Man muss sich kaum noch die Finger schmutzig machen und das Geld wächst von allein. Das hat die Indstrie den Menschen in Monchique so eingetrichtert. Das ist das Narrativ: easy living.
ECO123: Und die ewigen Waldbrände…
Jeremy Walton: Der Industrie aber sind die Menschen, ist die Gemeinschaft in Monchique völlig egal. Sie selbst schaut nur auf ihre eigenen Bilanzen und den eigenen Profit. Es ging und es geht hier nur ums Geld machen. Die Geldmaschine, die Monokultur Eukalyptus wurde mehr und mehr und bald gab es nur noch Nischen von heimischem Wald. Dieser Umgang mit der Natur hatte dramatische Folgen: Waldbrände, die immer stärker wurden und eine australische Baumart, die den Böden das Wasser raubte, die Feuchtigkeit in der Erde nahm rapide ab. Die Biodiversität nahm folglich auch ab, denn in einem autralischen Eukalyptuswald lebt keine Nachtigall, kein Adler niestet dort, Kleintiere und Insekten sind in Monokulturen selten und sterben meist aus oder wechseln den Biotop, wenn sie es können. Die Austrocknung der Böden hat bewirkt, daß Quellen trocken fallen und Bäche über den Sommer kein Wasser mehr führen. Es wurde auch Eukalyptus an Bachläufen angepflanzt, was gar nicht geht. Die Fische in den Bächen starben aus. Hinzu kommen die australischen Baumarten wie Mimose und Akazie. Sie sind eine echte Plage und invadieren den ganzen Landkreis Monchique. Und das Rathaus tut nichts, nicht mal der ICNF.
ECO123: Seit 1991 hat es regelmäßig in Monchique breitflächig gebrannt: 2003, 2004, 2016, 2018 und noch einmal 2023. Welche Lehren ziehen Sie daraus?
Jeremy Walton: Wenn man zu jeder Zeit in den Sommermonaten mit Waldbränden rechnen muss – und die Sommer werden durch die Klimakrise immer länger, sie gehen jetzt von Mai bis Oktober eines Jahres, mit weiter steigenden Temperaturen, dann ist man immer auf der Flucht, zumindest geistig. Die Fähigkeit der Menschen, zum Schutz ihrer eigenen Lebensgrundlage und der einheimischen Tierwelt zu handeln wird leider, seit es den Katastrophenschutz gibt, unterdrückt. Ich hoffe, dass zeitnah ein Zertifikat von der Behörde ausgestellt wird, das uns erlaubt, im Fall eines Waldbrandes in unseren eigenen Häusern bleiben zu können, um sie notfalls gegen Waldbrände verteidigen zu können.
Viele Jugendliche, die alle aus Familien in Monchique stammen, haben das Bergdorf, haben das Land verlassen und sind weggegangen, sind emigriert. Ich schaue mal gerade bei Wikipedia nach, da steht, dass „Emigration der Akt des Verlassens eines Landes ist oder eines Wohnsitzes mit der Absicht, sich anderswo niederzulassen, ein Land dauerhaft zu verlassen“. Das sagt alles. Emigration ist ein sensibles Thema, weltweit, nicht nur in Portugal.
ECO123: Welche Zukunft hat ein Bergdorf wie Monchique?
Jeremy Walton: Schwer zu sagen. Im kommenden Jahr sind ja wieder Kommunalwahlen. Es wird ein neuer Bürgermeister, ein neuer Stadtrat gewählt. Die richtigen Politiker wählen und sie nicht mit billigen Versprechen davonkommen lassen. Wenn wir mal den Begriff des äußeren Wachstums beiseite legen und auf inneres Wachstum umschalten, dann wäre es ratsam, jungen Menschen interessante Arbeitsplätze im Dorf zu schaffen. Weg mit dem Eukalyptus und wieder zurück zum Mischwald, das wäre ein Fundament. Aber das kann nicht alles sein. Ein interessanter Arbeitplatz wäre einer, der einen Menschen begeistert, motiviert und gleichzeitig zufrieden oder glücklich macht. Die lokale Wirtschaft zu stimmulieren, die lokale Landwirtschaft wieder in Gang zu bringen, wäre sehr wichtig. Eigene Lebensmittel, wie sie sonntags auf dem Markt verkauft werden, müßten viel mehr honoriert werden. Aber auch eigene Energie in Monchique, in Marmelete und in Alferce in Energiegemeinschaften herstellen. Das Geld, wenn wir schon über Geld sprechen, muß im Dorf bleiben. Was hindert uns, eine Energiegenossenschaft zu gründen und hier und da, wo der Eukalyptus gerodet wurde, Solaranlagen aufzustellen und diese saubere Energie ins Netz einzuspeisen und Monchique lebt davon. Jeder könnte sich einen Anteil an der Genossenschaft kaufen und seinen Solarstrom vom eigenen sauberen Kraftwerk beziehen. Ist übrigensnicht nur nachhaltig, auch preiswerter.
Es gibt so viele Ideen, die man verwirklichen könnte. Eine Idee war, WetNet zu machen.
Jeremy Walton: WetNet ist eine innovative Idee, die mitten im letzten Waldbrand geboren wurde. Es ist ein nachhaltig betriebenes Sprinklersystem, mit dem ein Waldbesitzer einen Waldbrand löschen, oder besser noch, ein Feuer im Keim ersticken kann. Denn WetNet macht den Wald nass. WetNet kannst du klein installieren mit drei Sprinklern aber auch groß, mit zwei Dutzend Sprinklern und mehr. Jeder Laie kann das für sein Haus organisieren. Im Winter sammelst du das Regenwasser über Dachrinnen deines Hauses in einer oder in mehreren Zisternen. Das ist der erste Schritt. Dafür sollte die Regierung oder die EU übrigens Subventionen geben, für den Zisternenbau. Denn wer Wasser hat, der überlebt – auch macht es das Leben in der Klimakrise leichter. Zweiter Schritt: eine Leitung legen von der Zisterne zu einem Pumpenhaus, das ein Panel mit Wasserhähnen, die man öffnen und wieder schließen kann, beherbergt – und natürlich eine Wasserpumpe mit Wasserfilter. Wir haben hier bei uns in Esgravatadouro, bei Caldas de Monchique, acht potente Sprinkler installiert und einige hundert Meter an flexiblen Wasserleitungen in den Waldboden verlegt, damit sie vor einem eventuellem Feuer geschützt sind. Und unsere Sprinkler spritzen Wasserfontänen in den Wald, die bis zu 30 Meter reichen. Wer Interesse hat, ich gebe einen Workshop an jedem ersten Wochenende im Monat. Am kommenden Wochenende führe ich die Anlage in Aktion vor und erkläre allen Teilnehmerinnen, wie man WetNet sicher und simple installiert. Es geht ganz einfach und die Finanzierung funktioniert über’s Crowdfunding. Wir treffen uns am Samstag um 10 Uhr vor dem Botanischen Garten in Esgravatadouro. Anmeldungen sind erwünscht.
ECO123: Vielen Dank für das Gespräch.