Ohne ihn geht nichts. Und das schon seit 1976. Es ist ein Multimillionen-Geschäft. Nur Insider wissen wirklich, was drinnen abgeht. Es ist eines der letzten großen legalen und lukrativen Geschäfte, immer vom Staat und seinen wechselnden Regierungen abgesegnet, auch deshalb, weil er selbst bis vor wenigen Jahren daran die Hand aufhielt – um die Gewinne einzustecken. Es ist eine Art von Rauschgift der legalen Art und nennt sich Strom. Es ist das Geschäft mit der Elektrizität, das sich in Portugal viel zu lange Zeit in nur einer Hand befand. Allein Strom verkaufen zu dürfen, macht reich und macht arrogant, so reich, wie man es sich kaum vorstellen kann. Denn Strom braucht jeder. Strom produzieren, ihn in jedes Haus transportieren, ihn verkaufen. Wenn man nur einen hat, der es einem ins Haus bringt, nennt man das Ganze ein Monopol. Es ist ein sehr lukratives Geschäft, das dem Monopolisten EDP Distribuição nun seit geraumer Zeit ganz langsam entgleitet, weil immer neue Gesetze der EU aus Brüssel die Vielfalt der Produktion und des Vertriebs gesetzlich modifizieren. Das Codewort zum Tresor lautet „Liberalisierung des Marktes“. Laßt auch andere teilhaben. Die Spanier von Oppidum kamen, die Amerikaner von Capital und Black Rock ebenso die Chinesen von Three Gorges Cooperation. Alle wollen mitzocken, alle ihren Teil abbekommen. Nun kommen auch noch die Genossenschaften und die Gemeinden selbst, die sich erhoffen, dass ihnen die Demokratie wenigstens ein kleines Stückchen vom Kuchen abgibt. Irgendwann in naher Zukunft soll dann endgültig Schluss sein mit dem Monopol. Es gibt eine Übergangszeit, eine Frist bis Ende 2021. Noch zwei Jahre hängen wir also an der Nadel der EDP.
Wer bei der EDP einen Job hat, und das sind mehr als 12.000 Menschen, so hieß es Jahrzehnte lang, habe ausgesorgt. Ob das so bleiben wird, hängt ganz davon ab, ob eine andere, eine nachhaltigere Philosophie vom Wirtschaften in Portugal und in der EDP selbst Einzug hält, ob die demokratische Kontrolle sich bereits so weit entwickelt hat, dass sie in der Praxis funktioniert. Denn genauso wie Wasser ist Strom inzwischen ein Allgemeingut. Und auch beim Wasser wollen multinationale Konzerne gerne mit an der Quelle sitzen und den Daumen draufhalten, bei den Lizenzen, der Abfüllung, der Verteilung, dem Transport und dem Verkauf und nun auch beim Abwasser. Und fast überall sitzen die Chinesen in Portugal im wahrsten Sinne des Wortes mit an der Quelle. Die heute als Be Water, SA. firmierende Aktiengesellschaft und seit 2013 Tochter der Beijing Enterprises Water Group hat es sowohl an der Algarve als auch u.a. in Mafra bereits geschafft, sowohl im Wasser- als auch im Abwassergeschäft mitzumischen. Und auch bei der Elektrizität sind die Chinesen – seit der Erfindung der Glühbirne im Jahre 1879 – bei den Ãœberlandleitungen, die den Strom in jeden Winkel des Landes transportieren, nicht mehr wegzudenken. Alles fest in ausländischer Hand, die EDP Distribuição SA.
Und um sie geht es. 45 lange Jahre sind seit der Nelkenrevolution vergangen. Was hat sich in diesen 45 Jahren Positives in der Wirtschaft unseres Landes getan? Ist der Monopolist wirklich aufgeteilt worden? Was hat sich beim Strommarkt zum Besseren verändert? Sind unsere Lebensbedingungen gut geworden? Und wie komme ich auf die EDP Distribuição SA in diesem Zusammenhang?
We love Energy?
Man kann es beim Lesen der verschiedenen Rechenschaftsberichte der EDP Gesellschaften herausfinden. Die Ressource Umwelt hat nicht den richtigen Preis. Deshalb wird mit der Natur nicht vernünftig umgegangen. Monopolartige Aktiengesellschaften wirtschaften nach dem Shareholdervalue und denken von morgens bis abends nur an Geld und Gewinn – und an Wachstum. Das jedoch ist der völlig falsche Ansatz. Mit Ressourcen muss verantwortungsvoller umgegangen werden, sowohl in der Produktion als auch beim Transport. Nachhaltigkeit darf nicht zum Modewort werden, sondern muss mit konkretem Leben erfüllt werden, denn auch morgen sollen Menschen in einer intakten Flora und Fauna diesen Planeten bewohnen dürfen. Wir wissen seit geraumer Zeit, dass zwei von drei Waldbränden in Portugal durch Funkenflug von Überlandleitungen des Monopolisten EDP Distribuição SA entstehen (Visão, Interview mit Professor Dr. Domingos Xavier Viegas, 2.6.2019, Autor Hugo Séneca), der es seit vielen Jahren nicht fertigbringt, seinen gesetzlich verordneten Pflichten nachzukommen. Und die Regierung schaut sowohl tatenlos zu als auch weg. Warum eigentlich? Sie und ihre Staatsorgane wie die GNR und PJ hätten es in der Hand, Klarheit zu schaffen. Warum tun sie es nicht? Weil die Regierung Portugals über ihre Staatsfirma PARPUBLICA lange Zeit selbst am Monopolisten EDP mit eigenen Aktien beteiligt war und immer noch in Interessenskonflikten steht? Sie hielt bis 2013 Aktien an der Muttergesellschaft, der EDP Universal SA. und es gibt heute noch enge Seilschaften zwischen Politik und Energiewirtschaft.
Eucalypse Now
Die Tochter, die EDP Distribuição, um die es hier geht, hat die gesetzliche Pflicht, 83.000 km ihrer Hochspannungsleitungen und 68.000 km ihrer Mittelspannungsleitungen gewissenhaft instandzuhalten. (Jahresbericht RC EDP D 2018, Seite 76 u.f.) Von diesen Ãœberlandleitungen verlaufen 28.600 km durch Wälder, zumeist industrielle Forste mit Monokulturen von Eukalyptus, wovon in Portugal drei Mal so viele existieren als im flächenmäßig fünf Mal größeren Spanien. 10,5 Millionen Menschen sitzen auf einem Pulverfass von 1,5 Mio. Hektar Eukalyptus und das seit Jahren. Bei Hochspannungsleitungen müssen vertikal sowohl links als auch rechts 12,5 Meter Wald freigeschnitten sein, bei Mittelspannungsleitungen genau 7,5 Meter. Bäume – speziell Eukalyptus – dürfen bei Wind nicht in der Lage sein, die Oberlandleitungen zu berühren oder womöglich gegen sie zu schlagen, damit es nicht zum Funkenflug kommt, der in den letzten Jahren immer wieder Waldbrände auslöste. Fast alle der apokalyptischen großen Waldbrände der letzten Jahre in Portugal, so der renommierte Professor Dr. Domingos Xavier Viegas von der Universität Coimbra im Interview mit VISÃO, wurden durch Funkenflug – Kontakt mit Stromleitungen – ausgelöst, sowohl in Pedrogão Grande und auch aller Voraussicht nach jener in Monchique.
Die Aufarbeitung dessen, was zu den desaströsen Waldbränden führte, was sie auslöste und genau zu rekonstruieren, wie sowohl das jeweilige Rathaus – als auch die Regierung Portugals auf die Waldbrände reagierten, wie sie den Katastrophenschutz, die Brandbekämpfung der Feuerwehren organisierten, ihre genaue Vorbereitung auf die Katastrophen, bedarf einer dezidierten Recherche, bedarf eingehender Klärung: im Parlament ebenso wie in den Gerichten. Denn von selbst passiert nichts. Was lief aus dem Ruder bei der Brandbekämpfung und warum kam es überhaupt zu den Katastrophen? Nur wenn wir immer wieder den Finger in die Wunde legen, erreichen wir, dass sich Mega-Waldbrände nicht ewig wiederholen werden. Nur wenn eine Regierung und ihr Zivilschutz sich besser vorbereiten, wenn wir wissen, was wir in Portugal falsch machen, wenn wir wissen, wie wir es in Zukunft besser machen und richtig anfassen können, auch in der Brandbekämpfung, wie auch in der Wiederaufforstung des abgebrannten Landes mit einheimischen Bäumen, auch wenn wir wissen, wie viel wirtschaftlichen Schaden so ein Waldbrand im Land anrichtet, nur dann werden wir aufmerksamer und achtsamer handeln.
Leben in der Stadt der Blinden
Es ist ein Spiel auf Zeit wie im Fußball. Die Regierung Costa versucht, über die Runden zu kommen. Sie führt, der Gegner, die Opposition ist schwach, spielt katastrophal, schießt ein Eigentor nach dem anderen, verliert immer wieder den Ball und ist mit sich selbst beschäftigt. Sie verharrt bei 25 bis 30% der Wählerstimmen und wird auf absehbare Zeit keine Rolle mehr spielen: ein letztes Aufgebot alter Männer. Am 6. Oktober wird ein neues Parlament und eine neue alte Regierung gewählt. Und falls die Opposition irgendwann Ball und Spiel übernehmen würde, wäre ihre Politik eine wirklich andere, zukunftsfähige? Portugal braucht viel mehr Gewinner. Dazu gehört auch, die Verursacher der Waldbrände gesetzlich und juristisch in die Verantwortung zu nehmen. Stichwort Entschädigungen. Warum wird der Monopolist EDP Distribuição SA, der seiner gesetzlichen Pflicht seine Oberlandleitungen frei zu halten, noch immer nicht nachkommt und damit jedes Jahr Millionengewinne erwirtschaftet, nicht gezwungen, die Opfer der Waldbrände wirtschaftlich zu entschädigen? Eine Politik, die Natur und Menschen ausbeutet und schädigt, darf nicht zum Leitmotiv einer Energiewirtschaft werden, sonst wird es immer wieder und immer weiter brennen. Wir werden die verheerenden Waldbrände nur dann hinter uns lassen und in den Griff bekommen, wenn wir alle zu Gewinnern werden, wenn wir die Philosophie der Nachhaltigkeit endlich in uns selbst leben. Die Klimakrise, die wir durchleben, ist besonders auch eine soziale, wirtschaftliche und seelische Krise aller Beteiligten.
Wirklichen und dauerhaften Frieden mit dem Leben kann Portugal nur finden, wenn es so viele Gewinner wie möglich gibt und so wenig wie möglich Verlierer. Die Waldbrände aber haben die Bevölkerung im Hinterland zu Verlierern gemacht. Und es kann nicht gut gehen, wenn Katastrophen verdrängt werden und die Politik in Lissabon zur Tagesordnung zurückkehrt, so als sei nichts geschehen. Ob Menschen nun einen Angehörigen verloren haben – was traumatisch ist – oder ein Haus – oder ein Tier, spielt eine große Rolle. Die Regionen und Kommunen aber als solche haben alles verloren: Pedrogão Grande, Lousã, Oliveira do Hospital, Figueiró dos Vinhos, Castanheira de Péra und Monchique und wie die vielen anderen Gemeinden alle heißen, in denen es in den letzten Jahren lichterloh brannte, haben ihre ökologische und damit ökonomische Basis, die Natur, ihren Wald verloren. Was kosten uns die Waldbrände jedes Jahr? Es geht nicht nur um das Heute, sondern auch um das Morgen: im Hinterland fehlt die Zukunftsvision, die Perspektive. Und es geht nicht nur um die ökonomische Basis, sondern auch auch darum, dass sich Waldbrände zu jeder Zeit wiederholen können…
… wenn die EDP Distribuição nicht gezwungen wird, ihrer Verantwortung gerecht zu werden. Kommunen und Bürger am Rande des Bankrotts sind für jede Regierung eine Armutserklärung. Die fehlende Perspektive jedoch wird den meisten Menschen zum Verhängnis. Viele wollen nur noch weg aus Portugal, wenn sie denn können oder sie flüchten vom Land in die Stadt, weil sie sich da sicherer wähnen. Die meisten aber wollen nur vergessen, was geschehen ist. Viele wollen zur sogenannten Normalität zurückkehren, ihren Alltag leben – doch wie soll das funktionieren – ohne das Trauma bewältigt zu haben? Der Umgang mit der Vergangenheit, mit den Ereignissen der Waldbrände, besonders aber der Umgang mit den seelischen Verletzungen, fördert Verdrängtes und Belastendes zu Tage, was sowohl enorme individuelle als auch kollektive Bedeutung hat und Erleichterung schafft. Jede Verletzung bedarf intensiver Heilung, dazu gehören insbesondere das offene Gespräch – einer, der auch zuhören kann und darüber hinaus eine großzügige, unbürokratische finanzielle Entschädigung. Ist es das, was die Opfer bekommen?