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Kampf gegen Hunger und Verschwendung.

Nach Angaben der Organisation für Ernährung und Landwirtschaft der Vereinten Nationen landete im Jahr 2013, wie auch schon in vorhergehenden Jahren, ein Drittel der weltweit zur Verfügung stehenden Nahrungsmittel im Müll (1).

Für Hunter Halder, Nordamerikaner und seit mehreren Jahren in Portugal ansässig, ist dies nicht nur eine traurige Tatsache, sondern ein Irrtum, den er durch sein Projekt „Refood“ zu korrigieren sich vorgenommen hat. Diese Initiative, in Zusammenarbeit mit anderen wie “Fruta Feia” (2) (Hässliche Frucht) und “Movimento Zero Desperdício” (3) (Bewegung Null Verschwendung), war so erfolgreich, dass die auf diesem Gebiet tätige Organisation der Vereinten Nationen Portugal als Modell im Kampf gegen Lebensmittelverschwendung feiert.

Hunter Halder
Hunter Halder

Wir trafen Hunter zwischen Kuchen, Joghurt, frischem Gemüse, einigen Kühlschränken und mehreren Bergen von gewaschenem Geschirr. Gekleidet wie ein echter Ami, mit Strohhut und Hosenträgern, ist Hunter eigentlich nur ein gewöhnlicher Mann, der in der Lebensmitte mit dem Verlust seines Arbeitsplatzes konfrontiert, anders als die meisten von uns, dieses als Gelegenheit begriff, eine Gewissensprüfung durchzuführen. Dabei erkannte er, dass er, trotz aller Berufe, die er in seinem Leben ausgeübt hatte, bisher noch nicht wirklich etwas für seinen Nächsten getan hatte. Und da wir uns in Portugal befinden, wo es bekanntlich kein Ziel, wohl aber Fado (Fügung) gibt, war es die seine, Vater eines Sohnes zu sein, der als Angestellter eines Lissaboner Hotels hilflos und frustriert mit ansehen musste, wie dort tagtäglich Lebensmittel in großem Stil in den Müll geworfen wurden.

So wurde der Samen für ReFood gelegt und Hunter, Schöpfer der Erfindung, machte den nächsten Schritt: er suchte in der Gemeinde Nossa Senhora de Fátima, wo er lebt, nach Restaurants, die möglicherweise daran interessiert waren, ihm ihre Reste abzutreten. Parallel dazu erkundigte er sich nach möglichen rechtlichen Hindernissen.

Dabei erfuhr Hunter eine besondere Unterstützung durch den Piloten António Costa Pereira, der – wenn auch nicht direkt mit dem Projekt verbunden – eine große Kampagne für die Verwendung von Speiseresten durchführte und damit unweigerlich zu einer Bewusstseinsveränderung beitrug.

Wahrscheinlich führte vor allem dieses dazu, dass von den 45 in der Gemeinde angesprochenen Restaurants und Konditoreien gleich 30 zu einer Zusammenarbeit mit „ReFood“bereit waren. Mit einem nächsten Schritt gewann er die Unterstützung der lokalen Kirche, die ihm einen Raum zur Verfügung stellte. Diesen gibt es auch heute noch, wenn auch mit einer viel größeren Fläche und Ausstattung.

Mittendrin erschien das Fahrrad, ein wenig durch Zufall und ein wenig durch die Kombination von Ereignissen, wie alles andere auch in dieser Geschichte. Hunters Sohn hatte einen Freund, der sein Fahrrad im Hause der Familie Halder zurücklies und sich nicht mehr darum kümmerte. Also begann Hunter, damit seine Sammelrunde abzufahren und stellte fest, dass dies der beste Weg war.

Zu diesem Zeitpunkt erledigte Hunter noch alles ganz allein, was bedeutete, dass er jeden Nachmittag ein gutes Dutzend Konditoreien in Nossa Senhora de Fátima abfuhr und all die Speisereste zum Kirchenraum brachte. In der Nacht steuerte er auf diese Art mehr als ein Dutzend Restaurants an. Anschließend wurden die Lebensmittel sortiert und schließlich verteilt. Eine Aufgabe, die ihn täglich mehr als in den anderen Berufen üblichen acht Arbeitsstunden beschäftigte.

Aber Hunter war nicht lange allein mit “ReFood” – eigentlich nur einen Monat, da er, erst einmal regelmäßig mit Fahrrad und etlichen Lebensmittelkartons unterwegs, schon bald die Aufmerksamkeit der Passanten erweckte. Und wenn er auch die ersten paar Male fälschlicherweise für einen Verkäufer gehalten wurde – einmal erklärt, was “ReFood” bedeutet, war es nur eine Frage von Wochen bis neue Freiwillige dem Projekt zu Hilfe eilten. Und schon die ersten sechs Monate des (letztendlichen) Unternehmens waren dann so effektiv, dass 6.000 Mahlzeiten aus der Tasche aller Beteiligten kommend mit einem Wert von 600€ gerettet wurden, d.h., jede Mahlzeit gab es letztendlich zu einem Preis von 10 Cent. „Bei all diesem großen Erfolg – “, erklärt Hunter gegenüber ECO123, „noch wichtiger als die Nahrungsmittel zu nutzen ist das Wohlwollen der Mitmenschen, eine noch ungenutzte Ressource, nutzbar zu machen.”

refood fahrradWenn auch Hunter in dieser Phase bereits auf die Unterstützung von mehreren Organisationen und Einzelpersonen zählen konnte, als “ReFood” den “Prémio Voluntariado Jovem“ (Jungen Freiwilligen Award) der Montepio Geral Bank im Jahr 2011 (4) erhielt, wurde die Bewegung wirklich viral. Aktuell existieren neben der ‘Refood Nossa Senhora de Fátima’ weitere Ableger in Telheiras, in Estrela und in Lumiar und weitere Initiativen in Alfragide, Cascais, Carnide, Bethlehem, Benfica, Park der Nationen, Alcantara oder Campolide sind in der Entwicklungsphase. Und das nur in der Region um Lissabon, wo sich die Idee schneller als eine Grippe verbreitete. Im Rest des Landes finden wir Gruppen an so unterschiedlichen Orten wie Almancil, Geißel, Fundão, Covilha, Porto oder Braga, die, wenn auch noch nicht voll funktionsfähig, zumindest schon auf gutem Wege sind. Aber Hunter will noch weiter hinaus und plant, bis zum Ende des Jahres weitere 15-20 Delegationen außerhalb Portugals zu gründen. Das macht Sinn, da allein mit den bisherigen zur Verfügung stehenden Mitteln bis heute mehr als 300.000 Mahlzeiten verteilt worden sind. Umgerechnet bedeutet dies, dass jede der vier Gruppen in Lissabon durchschnittlich 15.000 Mahlzeiten pro Monat an etwa 845 Begünstigten verteilt. Und da diese Verschwendung nicht an den portugiesischen Grenzen endet, träumt Hunter bereits von internationaler Expansion, in den Städten Madrid und Amsterdam als unmittelbaren Spitzenkandidaten.

Am Anfang wurde Hunter nur angesehen als der “verrückte Ausländer, der mit dem Fahrrad Speisereste einsammelte”. Aktuell und mit einer wachsenden Zahl von Freiwilligen, über die er längst den Ãœberblick verloren hat, gibt es nur wenige Marken, die nicht ihren Namen im Zusammenhang mit dem Projekt sehen wollen. Es reicht schon, einfach einmal das ersten Büro von “ReFood” an der Rückseite der Kirche zu betreten und die große Zahl der im Leben dieses Vereins repräsentierten Unternehmen zu sehen, beginnend mit den Tüten des Versicherers Mafre bis zu Partnerschaften mit verschiedenen Sommerfestivals.

Für Hunter ist das nur einen Beitrag zur Mission der “ReFood”, der auch zur „Umerziehung mit dem Ziel der Wertschätzung unserer Nahrung wie zu Zeiten unserer Großeltern” beitragen soll. Hauptanliegen sei es, zu erkennen, dass Essen ein kostbares Gut ist, betont Hunter.

Unermüdlich lebt uns der etwas bessere Ami vor: “Wir alle haben die Macht zu ändern, was in der Welt falsch läuft, und wir brauchen es einfach nur zu tun, anstatt auf die Regierung zu warten.“

Refood:
Igreja de Nossa Senhora do Rosário de Fátima
Avenida de Berna – Lisbon,Portugal
Facebook: www.facebook.com/refoodportugal
Twitter: www.twitter.com/re_food
Website: www.re-food.org/blog

About the author

Hugo Filipe Lopes:Soziologe, Abschluss in Klinischer Ernährung der Fakultät Ega-Moniz der Uni Lissabon. Mitarbeiter in verschiedenen Online-Publikationen, Ausbilder und Ernährungstherapeut. Auszeichnungen in Wettbewerben des “Casa da Imprensa” und “Lisboa à Letra”.

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