Warum viel Fleisch essen die CO2 Bilanz versaut:
Warum wir unseren ökologischen Fußabdruck verringern müssen.
Was wäre, wenn wir Menschen keine Zweibeiner sondern Vierbeiner wären? Und was wäre, wenn der Sinn meines kurzen Menschenlebens nur darin bestünde, eines Tages von einem zweibeinigen Schwein geschlachtet und zu Wurst verarbeitet zu werden? Ich würde mit einem Cocktail aus brasilianischem Soja und künstlichen Hormonen gemästet und auf engem Raum gehalten, fett und kugelrund nach einem Jahr den Weg zum Schlachthof antreten, dort mit Gas betäubt und die Kehle aufgeschnitten bekommen. Während ich über meinen Traum nachdenke, versetze ich mich in dieses kurze Leben eines Vierbeiners, der von einem Zweibeiner abschätzend gefüttert und betrachtet wird und der sich immer wieder fragt, wie viel Geld mein wachsendes Fleisch denn wohl wert sei, wenn man mich auf der „Feira dos Enchidos“ verkaufen würde; als Blutwurst, Schinken und Chouriço? Wie mein Fleisch wohl schmecken möge zwischen den beiden Hälften eines Brötchens; verkauft als Bifana mit Senf oder Piri-Piri? Man sagt ja, dass in den Sekunden des Todes das ganze Leben im Zeitraffer an einem vorbeiliefe. So stelle ich mir bildlich vor, wie verzweifelt eines meiner Kinder quiekt, wenn es als Ferkel geschlachtet am Spieß eines Gasthauses zur Spezialität des Tages avancierte. Wenn ich nicht auf zwei Beinen laufen würde, sondern auf allen Vieren, hätte ich in der Welt der Zweibeiner ein kurzes menschenunwürdiges Leben.
Ist Schweinefleisch lecker? Darüber gehen die Meinungen auseinander? Etwas infrage zu stellen, etwas zu hinterfragen ist eine ganz besondere Technik, die nicht in jeder Region unseres Landes wirklich beliebt ist, besonders wenn man weiß, dass in einem Landkreis sieben Mal mehr Schweine als Menschen leben. Ich musste so alt werden wie ich bin und jedes Jahr so viel Fleisch essen, bis ich meine Ernährungsgewohnheiten infrage stellte, auch weil ich immer wieder krank wurde. Schon lange trage ich mich mit dem Gedanken, der Sache mit dem Fleisch einmal richtig auf den Grund zu gehen. Jahre schwankte ich zwischen Fleisch und Vegetarismus und das einzige fleischlose Gericht, das man sich in einem der Restaurants hier bestellen kann, hieß Omelette, von Hühnern aus Industrieställen, gedeckt von der ASAE, gefördert von der EU, gefressen von einer schweigenden, sogenannten unschuldigen Mehrheit.
Es ist diese Kultur des Versteckens und Trennens zwischen dem Tier, dem Töten und dem Fleisch. Die Tiere werden in Ställen versteckt, das Töten und Verbluten geschieht im Verborgenen des Schlachthauses, und jedes getötete und zu Fleisch und Wurst verarbeitete Tier hinterlässt eine Lücke, die sogleich mit einem neuen Jungtier gefüllt wird. Jedes Jahr werden in Portugal pro Mensch 105,3 kg Fleisch gegessen. Portugal steht damit an dritter Stelle in seiner Fleischbilanz unter 27 europäischen Staaten in der EU. 84 Prozent der Europäer essen zwei bis vier Mal Fleisch pro Woche. Dabei wäre die Tierhaltung und die Tierquälerei ein ganz besonders heißes Thema beim Einkauf im Supermarkt.
Denn rund ein Viertel unseres ökologischen Fußabdruckes wird für die Ernährung benötigt. Etwa 80 Prozent davon entfallen auf den Konsum tierischer Produkte wie Fleisch, Wurst, Schinken, Eier und Milchprodukte. Wer also seine CO2 Bilanz verbessern möchte, wird irgendwann vor die Entscheidung gestellt, sich vegetarisch zu ernähren, oder noch besser, vegan zu leben und baut seine Nahrungsmittel am besten im eigenen Garten an: von den Kartoffeln, Erbsen, Möhren über Salate, Broccoli und Blumenkohl bis hin zu Bohnen und Kichererbsen – und vieles mehr.
Neulich las ich in einer Statistik der Europäischen Umweltagentur, die ihren Sitz in Kopenhagen (Dänemark) hat, dass die Art und Weise wie wir Zweibeiner Lebensmittel produzieren und konsumieren, erhebliche Auswirkungen auf unser Klima und unsere Gesundheit hat. Es wird mit einem einfachen Beispiel veranschaulicht. Der Kauf eines Kilogramms Kartoffeln als Pommes Frites aus der Tiefkühltheke eines Supermarktes ist verantwortlich für die Emission von 4,9 kg CO2, während der eigene Anbau eines Kilogramms Kartoffeln im eigenen Garten noch keine 200 Gramm CO2 freisetzt. Klarer kann man es nicht umschreiben. Ein Kilogramm Butter setzt sechs Kilo CO2 frei, der Verzehr eines Kilogramms Rindfleisch aus Massentierhaltung setzt 36 kg CO2 frei und verbraucht 15 m3 Wasser. Das Beispiel Kartoffel als Grundnahrungsmittel überträgt sich auf sämtliches Gemüse ebenso wie auf alle Früchte. Aufwendig hergestellte, weit transportierte und lang gelagerte Tiefkühlkost, Fertiggerichte und alle prozessierten Lebensmittel, die Kühlung brauchen, also Energie verschlingen, sind CO2-intensive Produkte und somit schwer umweltschädlich. Die grundlegende Frage ist demnach, ob die Menschheit willens und in der Lage sein wird, sich von einer intensiven, wasserverschwendenden, durch Monokulturen und durch chemische Dünger und Unkraut- und Insektenvernichtungsmittel gekennzeichneten Landwirtschaft zu verabschieden und ob sie gleichzeitig zu einer vielfältigen und individuell natürlichen und durch Permakultur geprägten Produktion von Nahrungsmitteln und zu einer spärlichen Ressourcennutzung zurückkehren kann? Falls das der Fall sein wird, würde das bedeuten, dass jeder von uns einen eigenen Garten anlegen müsste. Wie machbar, wenn die Tendenz immer weiter dahingeht, dass Landflucht die Städte flutet und das Hinterland langsam ausstirbt? 55% der Menschheit lebt inzwischen in Städten.
Die EU hat dafür (noch) keine Lösung anzubieten. Sie setzt sowohl auf die Nutzung riesiger Landflächen zur Herstellung von Futtermitteln für eine sogenannte Fleischproduktion. Denn Massentierhaltung von Schweinen, Rindern und Hühnern ist nicht nur anfällig für Epidemien wie die Schweinepest und die Hühnergrippe, sondern hinterlässt viele ungelöste Probleme mit Fäkalien und hohen CO2-Emissionen. Und mit diesen hohen Emissionen soll nun nach Meinung der EU-Kommission Schluss sein, denn die globale Erwärmung und Verschmutzung unserer Atmosphäre, der Meere und der Böden hat eine Grenze, die von der Pariser Klimakonferenz 2015 mit dem Plus-Zwei-Grad-Ziel für die Atmosphäre definiert wurde: zwei Grad mehr im Vergleich zu Durchschnittstemperaturen der vorindustriellen Zeit, im Vergleich zum Jahr 1850.
Wenn Europa, wenn Portugal, wenn Lissabon und wenn auch Monchique bis 2030 seine CO2-Emissionen nicht mindestens um 40% herunterfährt, werden wir immer mehr ins Schwitzen kommen und immer mehr Hitzewellen erleben, die unser Leben in den Sommern zusehends ungemütlicher machen, Waldbrände und sintflutartige Regenfälle inklusive. Die meisten Einwohner Europas haben das bis dato noch nicht verstanden und leben weiter so wie bisher. Es ist die scheinbar unbekümmerte und unbeschwerte Lebensart, in der sich Menschen ernähren, fortbewegen, in den Urlaub fliegen und keine Grenzen des eigenen Konsums kennen. Die Erdung dieses Verhaltens in 2030 wird ungefähr dem entsprechen, was man beim Fliegen eine harte Landung nennt. Mancher von uns wird auch einfach abstürzen, es sei denn, wir würden uns in den kommenden zehn Jahren etappenweise auf ein anderes Energie- und ressourcensparendes Leben vorbereiten.
ECO123 hat dazu über vier Jahre lang das Testspiel KYOTO® konzipiert und bietet es seinen LeserInnen innerhalb eines Abonnements ein Jahr lang zum eigenen Test des Fußabdrucks an. Während in Portugal die Durchschnittsemissionen pro Kopf und Jahr bei 5,3 Tonnen CO2 liegen, peilt das Testspiel KYOTO® ein Emissionsziel von drei Tonnen CO2 pro Kopf und Jahr an. Macht mit, bis zu 40% CO2 während eines Jahres einzusparen. Wie das möglich ist, verraten wir euch auf www.kyoto.eco123.info …
Aber auch die EU beginnt mit eigenen Projekten für die Kommunen. Denn genau hier entscheidet sich, ob das 2 Grad Ziel erreicht wird, oder nicht. ECO123 besuchte eine europäische Seminarreihe, an der Städte teilnehmen und die vor kurzem in Sétubal stattfand. Wir berichten exklusiv vom Projekt BEACON. Fünf portugiesische Städte, fünf griechische, fünf deutsche und andere europäische Kommunen wollen schon vor 2030 ihre CO2-Emissionen um 40% verringern. Wie sie das machen wollen? Über die Vielfalt an Möglichkeiten berichtet ECO123 auf den folgenden 100 Seiten dieser sehr speziellen Ausgabe.