The Farmer and His Prince
Bodenfruchtbarkeit? Biodynamische Vielfalt? Korrekte Tierhaltung? Was geht mich das an? Anfangs hege ich die Befürchtung, dass das Märchen über diesen Bauernhof die 80 Minuten nicht durchhält. Denn der Stoff, aus dem der Traum ist, kann auch manchmal ganz schön trocken daherkommen. Die Befürchtung ist unbegründet. Von der ersten Einstellung an wird mir eine Geschichte spannend erzählt, die in wertvolle Bilder und sensible Musik verpackt wurde. Das Film „Der Bauer und sein Prinz“ darf in England nicht gezeigt werden. Die Queen habe etwas dagegen, weil ihr Sohn, der Prinz von Wales und Britische Thronfolger Charles, darin eine sehr politische Hauptrolle spiele, als Ökologe und Umweltschützer. Deswegen erzähle ich Ihnen die Geschichte nun hier schon einmal vorab in Portugal.
„Der Bauer und sein Prinz“ spielt 80 Minuten lang in der Kleinstadt Tetbury in der Grafschaft Gloucestershire in Mittelengland. Dort gibt es den nachhaltig betriebenen Bauernhof Duchy Home Farm, der 1986 etwa 360 Hektar Land umfasste und jenem Charles Mountbatten-Windsor gehört. In den Jahren bis heute vergrößerte sich das Anwesen auf mehr das Doppelte, auf rund 760 Hektar. Dieser Bauernhof ist sicherlich auch eine ökonomische Erfolgsgeschichte geworden, weil er wider Erwarten und nahezu ohne jegliche Subvention auch in den meisten Jahren bis heute Gewinne schrieb. Das hat Charles dem David und seinem Team zu verdanken und dem Konzept, auf dem es basiert. Etwa 120 Hektar des Hofes sind dauerhaftes Weideland. Dort wachsen bis zu 80 verschiedene Pflanzen. „Das Heu der besten Wiesen bringen wir dann auf andere Felder“, erzählt eine Stimme im Off, „um die Samen zu verteilen. Und dann haben wir noch die wechselnden Kleefelder, die ständig rotieren. Alle drei Jahre werden sie versetzt und dem folgt jedes Jahr eine andere Bepflanzung“, sagt David Wilson. Er ist der Bauer in dieser Geschichte. Aus Sicht der Getreide- und Tiergesundheit sei das auf jeden Fall von Vorteil. Man könne auf diese Weise Parasiten-, Krankheits- und Unkrautzyklen brechen und brauche keine Chemie. Es ginge darum, die Bodenfruchtbarkeit auf eine natürliche Weise zu sichern. Mir als Betrachter leuchtet das ein.
Charles hatte und hat seine Vision. Er will den Hof auf biologische Landwirtschaft umstellen und als David Wilson vor 26 Jahren sich auf die Stelle des Farmmangers der Duchy Home Farm bewirbt, fragt ihn der Prinz, ob er biologisch nachhaltige Landwirtschaft versuchen wolle. Dieser wusste damals nicht wirklich, welche Bedeutung das hat, sagte aber mal JA. Es sei schließlich ein Vorstellungsgespräch gewesen und da würde man immer JA sagen. Für den Bauern war das der Beginn einer interessanten Reise, auf der ihm die Augen einer alternativen Lebensmittelproduktion geöffnet wurden, ohne Chemie und an der Seite von Charles Mountbatten-Windsor.
Dass das und wie gut so was funktionieren kann, davon erzählt der deutsche Regisseur und Filmemacher Betram Verhaag in diesem Dokumentarfilm „Der Bauer und sein Prinz“. Die impressionanten, oft stillen und wunderschönen Bilder seiner vier Kameramänner Gerald Fritzen, Waldemar Hauschild, Pauli Hien und Hans Albrecht Lusznat, die über fünf Jahre eine sehr eindrucksvolle Arbeit zusammentrugen, geben der Geschichte jene Beine, die sie bewegen, um von einem Spannungsbögen zum anderen zu gelangen. Die Fähigkeit, mit schönen Bildern zu spielen, ist einer der größten Trümpfe des Genres Film. Aus einem Puzzle setzt man eine Geschichte zusammen und macht daraus einen Film.
Wie erzähle ich sie und auf welche Weise bringe ich sie in die Seele des Betrachters? Wie schneidet beispielsweise (die Cutterin) Melania Singer die Szenen mit- und gegeneinander so, dass sie nicht nur einen tieferen Sinn ergeben, sondern auch beleben, erfrischen und letztendlich innerlich bewegen?
Gelungen. Einfach sehenswert. Der Film hat ein Thema genial eingefangen, das man auch generell in Schulen und Universitäten zeigen könnte, denn das Leben im Einklang mit der Natur ist eine Basis und ein Ziel, das uns dem inneren Glück eine gute Ecke näherbringen könnte. Genau da wollen wir doch hin. Wir begeben uns auf eine Reise und suchen ein ehrliches und ethisches Konzept, arbeiten gewissenhaft daran und gewinnen über die Jahre tiefen Einblick, wie die Natur tickt. Wir begleiten und herrschen nicht, sondern werden Teil des Ganzen. Ich gehe aus dem Film mit einem guten Gefühl. Das beweist mir, dass es noch einige Geschichten des Gelingens auf diesem Planeten zu erzählen gibt.
Wer diesen Film sieht, gewinnt auch den Eindruck, dass die konventionelle Landwirtschaft den roten Faden, das Konzept mit der Natur zu leben und zu arbeiten, verloren hat. Ein Bauer, dessen Kartoffeln – mit denen er Geld verdienen will – auf dem Feld epidemisch verfaulen, greift zur chemischen Keule und spritzt Bayer, Monsanto oder Syngenta und riskiert sein und das gesunde Leben anderer, in der Hoffnung, dass er die Fäulnis damit stoppen kann. Der Film erzählt nun konkret von der Möglichkeit, wie diese Kartoffelfäulnis von vornherein vermieden werden könnte. Dazu aber muss man nährstoffreiche, gesunde Erde haben, sie erhalten, ihr etwas geben und nicht nur nehmen. Das Gleiche gilt für Weizen, für die Baum- und Fruchtwirtschaft, für den fairen Umgang mit Tieren wie Kühen und Schafen, Schweinen und Hühnern usw. Sie müssen artgerecht gehalten werden, frei laufen können und gut ernährt werden. Dann erst wird die Schafswolle auch wieder einen Wert besitzen, fair gehandelt werden, auch Milch und Eier und viele andere landwirtschaftliche Produkte, verbrauchernah.
Der Film zeigt auch das arbeitsintensive Leben auf der Basis von positivem Wissen und Wollen für die organische kleinteilige Landwirtschaft ohne Monokulturen. Sie braucht keine teure Chemie und auch keine Gentechnik, die Böden, Äcker und Pflanzen zerstören, sondern sie nutzt Mist und Gülle als natürliches Stickstoff-Investment plus altes Wissen: auch, dass ein Boden einfach mal Ruhe braucht. Denn sind die Böden erst einmal zerstört, hat eine konventionelle Landwirtschaft auf Dauer immer weniger zu ernten, für eine Weltbevölkerung, die immer noch wächst.
Dem Film schafft es, einen Charles Mountbatten-Windsor zu projizieren, wie ihn kaum einer kennt: einen ruhigen wissenden und bisweilen nachdenklichen Menschen, der selbst mit Hand anlegt bei der Anlage von traditionellen und lebenden Hecken und der besorgt ist um seine und unsere Mutter Erde. Er bezieht klar Stellung und zeigt Haltung, nimmt sein bisschen Macht und macht was draus. Dem Filmemacher Bertram Verhaag muss man zugutehalten, dies exzellent in Szene gesetzt zu haben. Die 80 Minuten Zeit sind eine wichtige Investition mit nachhaltigem Return.