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Das kranke Gesundheitssystem Portugals

„Operation gelungen – Patient tot…“
Das kranke Gesundheitssystem Portugals

Samstag, der 6. Juli 2024.

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Der Vorstellungskraft sind keine Grenzen gesetzt, nicht wahr? Ich stelle mir also gerade vor, dass noch in diesem Jahr der erste große europäische Touristik-Konzern alle seine Reisen nach Portugal storniert und damit der Regierung zeigt, dass die Tourismusbranche verantwortungsvoll handelt und sich um ihre Kunden kümmert – besonders im Krankheitsfall.

Nach Portugal zu reisen, besonders an die Algarve, mag ich nicht mehr empfehlen. Denn die Regierung – egal ob Sozialisten oder Konservative – haben das Gesundheitswesen Portugals  dermaßen gegen die Wand gefahren, das man sich gar nicht mehr traut, krank zu werden. Denn wer eine Portugalreise unternimmt, darf auf gar keinen Fall in Portugal krank werden. Das kann nämlich böse enden.

Wer also Probleme mit Bluthochdruck hat, oder einen Herzschrittmacher oder einfach nur die Gicht – abgesehen davon, dass man sich auch an altem Fisch schon mal den Magen verderben könnte und sich in Portugal selbst eine Lebensmittelvergiftung zuziehen kann, der sollte auf keinen Fall den schönen Prospekten in den Reisebüros vertrauen, denn die Krankenhäuser von Portimão und Faro arbeiten am Limit. Das Elend, daß ich – der hier seit 34 Jahren als Journalist arbeitet – in den letzten Monaten dieses Jahres erfahre, läßt sich kaum in Worten beschreiben.

Eine Nacbarin kippt in der Hitze des Tages um und hat danach Gleichgewichtsprobleme und Bluthochdruck. Sie wird von INEM und einem Notfall-Sanitäter nach  einer Stunde zuhause abgeholt, in die Notaufnahme des Krankenhauses nach Portimao gebracht, bekommt ein gelbes Armband ans Handgelenk gebunden und wird in den Korridor gesetzt – zusammen mit 30 anderen Notfallpatienten. Nach vier Stunden kippt der erste von seinem Stuhl und liegt ihr zu Füßen. Es dauert seine Zeit, bis ein Krankenpfleger die Zeit hat, dem offenschtlich sehr kranken Mann aufzuhelfen und auf eine Bahre zu legen… Ein anderer Nachbar hat eine Augenentzündung und wird mit einem grünen Armband am Handgelenk und einer Schachtel Ibuprofen 400 mg und Antibiotika abgespeist. Es sei im Moment kein Augenarzt präsent…

Ich erinnere mich noch an eine Mitarbeiterin aus Vila do Bispo, die über Brustscherzen klagte, als sie in die Notaufnahme des Krankenhauses von Portimão fuhr. Sie hatte einen Herzinfarkt erlitten und wurde mit einer Hand voll Tabletten abgespeist. In der Nacht darauf starb sie friedlich im eigenen Bett, zuhause. Ein Freund aus Monchique wurde an einem Leistenbruch in Portimão operiert und verstarb ebenfalls. Ein anderer guter Bekannter erleidet einen Schlaganfall. Bei der Einlieferung ins Krankenhaus wird er in einen Rollstuhl gesetzt und darf Stunden warten…

Man könnte meinen, in den Krankenhäusern der Algarve spukt ein Geist, als ginge es dort nicht mit rechten Dingen zu. Tatsache ist ein spektakulärer Mangel an Personal und fehlende Finanzierung durch die Politik. Und es ist das marode System, nach dem gearbeitet wird. Viele Krankenpfleger arbeiten nicht nur unter Zeitdruck, sie arbeiten auch mit der Angst im Nacken.

Apropos Nacken. Die Neurochirurgie des Krankenhauses in Faro steht unter besonderer Beobachtung: wer an der Wirbelsäule operiert wird, sollte sich vor der OP immer unbedingt die zweite Meinung eines unabhängigen Mediziners einholen. Es kann durchaus passieren, sich noch mit den eigenen Füßen ins Krankenhaus zu schleppen, tags darauf operiert zu werden und fortan einen Rollstuhl zur Fortbewegung benutzen zu müssen, weil man gelähmt ist.

Was in dem einen Krankenhaus verpfuscht wird, darf in der Rehabilitation in São Bras de Alportel dann wieder repariert werden. Was den Staat eine solche verpfuschte OP an Folgekosten beschert, paßt auf keinen Gabentisch zu Weihnachten. Neun Monate Krankenhäuser, teure Physiotherapien, ambulante Krankentransporte, Invalidenrenten usw. Und der Chirurg darf im staatlichen Gesundheitswesen weiterhin sein Unwesen treiben. Namen sollen hier nicht genannt werden.

Herzlichen Glückwunsch Demokratie in Portugal. Du wurdest in diesem Jahr 50 Jahre alt. In der Medizin allerdings arbeitest du noch immer wie im Mittelalter oder besser, wie bei Professor Ega Moniz, der die Lobotomie erfand: die Trennung  der Nervenbahnen zwischen Thalamus und Frontallappen ohne Sinn und Verstand.

Das Portugiesische Gesundheitswesen ist weit davon entfernt, den Menschen, die krank werden oder krank sind, adäquat zu dienen, Ausnahmen bestätigen die Regel. Deshalb kann ich nur jeden Portugalbesucher davor warnen, hier in Portugal krank zu werden. Sie bleiben besser in Deutschland, in England und Frankreich und verbringen am Besten dort auch ihren Urlaub, bis die Regierungen in Portugal das Problem irgendwann mal in den Griff bekommen. „Erst dann wird Sie geholfen“ …

Theobald Tiger

Traduções: Dina Adão, John Elliot, Patrícia Lara Photos:Theobald Tiger

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