Samstag, der 19. Oktober 2024.
Jeder Botanische Garten hat etwas Zauberhaftes an sich. Wenn ich einen Botanischen Garten besuche, habe ich die Vorstellung, das ich in eine Magie aus Bäumen, Pflanzen und versteckten kleinen Tieren eintauche. Furnas auf der Insel São Miguel, die sich auf den Azoren befindet, hat mich von Anfang an verzaubert. Durch Zufall hatte ich meine Badehose und ein Handtuch dabei und traf auf ein riesiges rundes Schwimmbecken mit warmen Wasser aus vulkanischen Geisiren, und das mitten im Wald. Das Wasser war nicht etwa klar und sauber, nein, es war braun, wie die Erde und roch ein wenig nach Schwefel. Da ließ ich mich vorsichtig hineingleiten. Und es hatte eine Temperatur von knapp 30 Grad Celsius. Wunderbar! Im Winter war das natürlich eine Wohlfühloase – im Sommer konnte man keine 15 Minuten darin verbringen. Und so habe ich eine Vostellung davon, wenn ich heute einen Botanischen Garten besuche, egal wo, dass sich dieser Zauber fortsetzt. Ob in Lissabon oder in Göteborg (Schweden), wo es alte Botanische Gärten gibt, war ich angetan von der Ruhe und der Stille, die mir diese natürlichen Refugien bieten, bei all dem Lärm dieser großen Städte. Man löst ein Bilhet und wird sogleich verschluckt, man will dem Sog der Natur kaum entkommen. So habe ich es mir angewöhnt, alle meine Interviews in Lissabon im Botanischen Garten auf einer Parkbank zu führen. Der Hektik entkommen, zur Ruhe zu finden, die innere Ballance wiederzugewinnen, im Gleichgewicht zu schweben und miteinander kommunizieren.
Als ich in der vergangenen Woche nach Moncarapacho (Ostalgarve) reiste und den „Pomar dos Sabores“ suchte und ihn nicht sogleich fand, weil er versteckt liegt, entwickelte ich in mir die Vorstellung, daß ich einen verborgenen Schatz suche und diesen dann auch schon finden werde. Nach genau hundert Kilometern (von Monchique aus) war ich angekommen und betrat vorsichtig diesen Park der eßbaren Pflanzen und Bäume. Irgendwo war eine Besuchergruppe unterwegs mit einer Führung und da wollte ich mich anschließen. Ich trat in die Gruppe ein, als sie bei den eßbaren Sukkulenten angekommen waren und wurde von Miguel Cotton, dem belgischen Vater des Projektes begrüßt und integriert. Im Laufe der Führung vereinbarten wir ein Interview am folgendem Tag per ZOOM. Denn zuerst besuchten wir den kleinen Miyawaki-Wald aus Fruchtbäumen: Moringa Bäume durften nicht fehlen, auch Papaya wächst gut an der Ostalgarve und noch vieles mehr, zum Beispiel der Kaffeebaum.
Akira Miyawaki, das wußte ich, weil ich mich mit diesem japanischen Botaniker bereits intensiv beschäftigt habe, war vor drei Jahren im hohen Alter von 93 Jahren im Juli 2021 gestorben. Er hat uns den sogenannten Miyawaki-Wald hinterlassen und das Modell interessierte mich, weil diese kleinen Wälder in nicht einmal 20 Jahren heranwuchsen…
Bei der Miyawaki-Methode handelt es sich um eine Aufforstungstechnik, bei der schnell wachsende Haine aus einheimischen Baumkulturen gepflanzt werden, wobei die dichte, gemischte Bepflanzung die Schichten eines natürlichen Waldes simulieren soll. Akira Miyawaki gwann in 2006 den Blue Planet Prize. Mit dem Blue Planet Prize werden herausragende Leistungen in der wissenschaftlichen Forschung oder in der Anwendung der Wissenschaft gewürdigt, die zur Lösung globaler Umweltprobleme beitragen.
Die Anfang der 1970er Jahre von dem Waldökologen Akira Miyawaki entwickelte Methode für beispielsweise durch Waldbrände oder Monokulturen degenerierte Forste, umfasst folgende Schritte: Bestimmung der in einem bestimmten Gebiet heimischen Pflanzenarten; Verbesserung des Bodens durch Beimischung von organischem Material; Anpflanzung von Setzlingen einheimischer Bäume und Unterwuchspflanzen in dichter, gemischter Form (etwa drei Setzlinge pro Quadratmeter), um einen natürlichen Wald zu simulieren; Entfernung von Unkraut auf dem Gelände bis zu drei Jahre nach der Anpflanzung, falls erforderlich. Danach wird der Hain sich selbst überlassen. Aufgrund der dichten Bepflanzung wachsen die Setzlinge schnell, da sie um das Sonnenlicht konkurrieren.
Miguel Cotton, (57) stammt aus Belgien und arbeitete in der Wirtschaft als Rechtsanwalt und in der Wissenschaft an der Universtät von Brüssel. Viele Jahre suchte er einen geeigneten Platz für die Idee seines Botanischen Fruchtgartens. Er fand ihn an der Ostalgarve zwischen Tavira und Moncarapacho. Dort besuchte ihn ECO123.
Fortsetzung des Interviews:
ECO123: Wenn Sie in der EU mit Bäumen aus der ganzen Welt arbeiten, was tun Sie, um genau zu wissen, dass es sich nicht um invasive Bäume handelt? Wir haben an der Algarve und in Portugal sehr große Probleme mit invasiven Baumarten wie Akazien und Mimosen aus Australien, die Pionierpflanzen sind und nach einem Waldbrand wie Unkraut aus der rde schießen. Sind Sie sich dieser Problematik bewusst?
Miguel Cotton: Das hängt vom jeweiligen Kontext ab. Eine Baumart, die in einem Land invasiv ist, muss in einem anderen Land aufgrund des Klimas nicht invasiv sein. Um auf Ihre Frage einzugehen, gibt es noch einen weiteren Punkt in Bezug auf Obstbäume. Obstbäume sind fast nie einheimisch. Obstbäume werden seit Jahrhunderten aus anderen Gebieten eingeführt. Andernfalls hätten wir keine Vielfalt im Obst, keine beim Gemüse. Sie hätten keine Kartoffeln, keine Tomaten, keine Äpfel, Birnen, Mandeln… Sie hätten keinen Granatapfel, weil er ursprünglich aus dem Irak stammt. Johannisbrot in Portugal ist nicht einheimisch. Johannisbrot kommt aus Libyen und aus dem Libanon. Wenn wir über einheimische Obstbäume sprechen, ist das fast schon Unsinn. Natürlich achten wir sehr auf invasive Arten, wir prüfen Bäume, ob sie in ihrem Land invasiv sind oder ob sie hier invasiv sein könnten. Das ist alles sehr gut dokumentiert. Wir sind ja nicht völlig blind. Wenn es um Bäume geht, gibt es heutzutage eine Menge Unterlagen. Ich habe nie einen Baum von außerhalb der EU importiert.
ECO123: Können wir zu den wirtschaftlichen Fragen Ihres Botanischen Gartens kommen? Wer finanziert ihn, wie wird er finanziert?
Miguel Cotton: Es ist eine große Investition, die ich selbst finanziert habe. Wir sind jetzt eine gemeinnützige Organisation in Portugal, ein Verein. Wir haben also Mitglieder und wir haben auch Spenden von Besuchern, und wir haben viele Besucher und geben Workshops. Ich denke, dass es nachhaltig sein wird – sogar in diesem Jahr – wir können sicherstellen, dass alle Kosten und vielleicht sogar die Entwicklungen vollständig durch unsere Einnahmen gedeckt werden: durch Mitglieder und Besucher.
ECO123: Sie brauchen Leute, die mit Ihnen und den Bäumen arbeiten. Sind diese Leute Wwoofer und wie wählen Sie diese aus?
Miguel Cotton: Ich habe hier immer und nur Mitarbeiter mit einem wissenschaftlichen Hintergrund. Andernfalls verliere ich meine Zeit.
ECO123: Haben Sie Familie? Kinder?
Miguel Cotton: Keine Familie, keine Kinder. Ich habe Bäume. Das ist mir genug. Unser Motto lautet: Menschen inspirieren, Bildung und Freude. Das sind die drei Dinge, an denen wir am meisten arbeiten. Die Menschen zu ermutigen, sie zum Lernen, Lernen und Lernen zu bringen, aber auch die Tatsache, dass Kinder hier durch ihren Aufenthalt sehr glücklich sein können. Der Garten soll nicht langweilig sein, er soll inspirieren, Bildung vermitteln und Spaß machen.
ECO123: Ich danke Ihnen sehr.