Es war im Jahre 1990 und mitten in New York, im Zentrum des Kapitalismus. Eine kleine christliche Gemeinschaft betete dafür, dass Gott die „Mauern das Konsums“ zum Einsturz bringen solle. Die Mitglieder waren sich sicher, dass man die Wirtschaft dringend und entscheidend menschlicher machen müsse. Im Jahr zuvor war die Berliner Mauer, das Symbol des Kommunismus, gefallen. Der Kapitalismus, in den Augen vieler das triumphierende System, konnte sich nun unbeschränkt ausdehnen. Und tat es auch. Die Entwicklung des Kapitalismus mit seiner Globalisierung und einem Finanzkapitalismus, der immer weniger mit der wirklichen Wirtschaft zu tun hat, hat die Menschen in großen Teilen der Welt zu Geiseln eines Systems gemacht, in dem Geld die Hauptrolle, ja teilweise die einzige Rolle spielt.
Die Italienerin Chiara Lubich, Vorsitzende und Gründerin der Stiftung Movimento dos Focolares (Focolar-Bewegung), gab einen ersten, entscheidenden Impuls in Richtung Humanisierung der Wirtschaft, die immer dringender wird. 1991, bei einem Besuch am Sitz der Stiftung in Brasilien, sah sie vor Ort mit eigenen Augen die gravierenden sozialen Missstände in den Favelas (Armutsgebieten) der brasilianischen Gesellschaft im Kontrast zur Ansiedlung der Wolkenkratzer. Sie stellte auch fest, dass die unter den Mitgliedern der Bewegung praktizierte Gütergemeinschaft, die den Bedürftigen helfen sollte, einfach nicht ausreichte, um die extreme Armut der Vielen zu lindern. Es konnte auch niemand Aktivitäten von gemeinsamem, allgemeinem Interesse entwickeln, da jeder nur ums eigene Überleben kämpfte.
So wurde eine Idee geboren: die Stiftung in Brasilien sollte eine Initiative starten, um Firmen zu gründen, die Gütergemeinschaft in einem neuen Sinn betreiben sollten. Chiara Lubich erklärt das so: „Ich dachte, dass einige von uns (aus der Bewegung) Firmen gründen sollten, in denen die Kapazitäten und die Ressourcen von allen vereint würden, um gemeinsam einen Reichtum zu schaffen, der auch den Bedürftigen zugutekommt.“
Die Absicht ist, dass diese Firmen alle ihre Gewinne in einen Topf werfen, daher der Name „Wirtschaft in Gemeinschaft“. Konkret wurde vereinbart, dass die Gewinne in drei gleiche Teile dividiert würden: ein Teil wird in die Firma reinvestiert, ein Teil geht an die Armen und ein Teil unterstützt die Bewegung, die diese neue Kultur erschaffen hat. Diese Idee hat sich schon über viele Länder ausgebreitet, unter anderem auch in Portugal.
Andere christliche Ideen wurden etabliert: die Beziehung dieser Firmen zu ihrem Umfeld gehen weit über das hinaus, was man gemeinhin als „Erfolg um jeden Preis“ bezeichnet. Chiara Lubich hält es für unerlässlich “die Beziehungen zu Kunden, Lieferanten, Behörden, ja sogar zu Konkurrenten loyal und respektvoll zu gestalten, gezeichnet von einem Geist des Dienens und der Zusammenarbeit.“
Auch innerhalb der Firmen soll das Betriebsklima vom Geist der Zusammenarbeit getragen sein, so dass alles, was gemacht wird, ein Ergebnis der guten Arbeitseinstellung innerhalb des Unternehmens ist. Alle Beziehungen innerhalb der Wirtschaft menschlicher machen – das ist das hohe Ziel der „Wirtschaft in Gemeinschaft“. Oder auch: den Menschen wieder in den Mittelpunkt stellen, aus dem das Geld ihn verdrängt hat, und damit das Gemeinwohl auf neue Art fördern.
An der „Wirtschaft in Gemeinschaft“ orientieren sich Hunderte von Firmen, genauer gesagt: 861 Gesellschaften weltweit, hauptsächlich in Brasilien und Europa. Sie inspiriert viele tausend Mitglieder. Einige gruppieren sich in Industriezentren verschiedenster Dimensionen. In Portugal existiert ein erstes Zentrum in Abrigada bei Alenquer im Alentejo, wo vom 18. bis 20. Oktober das Internationale Treffen der Kommissionen der „Wirtschaft in Gemeinschaft“ stattfindet.
www.edc-online.org/de (internationale offizielle Site)
www.anpecom.com.br (offizielle Website Brasilien)
www.focolares.org.pt/edc (Website der Initiative in Portugal)
Lesen Sie in der nächsten Ausgabe von ECO123 das Exklusivinterview mit Professor Dr. Luigino Bruni von der Italienischen Universität Florenz, einem der international Verantwortlichen der Stiftung.