Samstag, der 11. Juli. 2020
Bemparece heißt der Ort da oben, was so viel wie gute Aussicht meint. Wir steigen hoch zu einem Plateau, auf dem Ana Mira (67)und Carlos Abafa (75) jedes Jahr im feuchten Winter einen Korb Pfifferlinge suchen gingen. Korkeichen begleiten uns, zum großen Teil verbrannt. Durch sie hindurch kann einer den blauen Himmel über sich sehen und auf der gegenüberliegenden Seite den Berg. Noch vor Jahren war das anders. Früher standen hier große, jahrhundertealte Kastanien und Korkeichen, eng aneinander und sie bildeten ein geschlossenes Dach, das durchgehend Schatten spendete. Einige von diesen Giganten, die schon das Erdbeben von Lissabon am 1. November 1755 erlebt und ihm standgehalten haben, hat das Feuer der Waldbrände in den letzten 30 Jahren vernichtet: 1991, 2003 und 2018 wüteten hier die schwersten ihrer Art vor Ort, in Monchique, im südlichen Portugal gelegen. 28.000 Hektar Wald, zumeist industrielle Monokulturen von Eukalyptus für die Papierindustrie, gingen in Flammen auf. Mit dem Meterband messe ich am Stumpf den Umfang von zwei gefällten Kastanien und komme auf mehr als sechseinhalb Meter, älter als 1.000 Jahre.
Jetzt schwingt der Bagger die große Schaufel durch die Luft und sticht in den Boden hinein, nimmt ein Schippe Erde von jenem Stück freier Fläche zwischen den spärlichen Bäumen, die hier oben noch stehen, dreht sich und lässt die Erde wieder zu Boden. In der Krise aller Krisen angekommen, sind wir jetzt gezwungen, zweierlei zu unternehmen, sagt Ana, pensionierte Kunstlehrerin und Bildhauerin im Gespräch während unseres Spaziergangs: „Einerseits müssen wir unsere Klimabilanz und den dazugehörenden CO2 Fußabdruck drastisch verringern, in dem wir keine fossilen Brennstoffe mehr verwenden. Anderseits müssen wir mit den steigenden Temperaturen und mit den chaotischen Wettern fertig werden und uns viel besser auf sie vorbereiten.“ Die Zukunft des Klimas auf unserer Erde ist ungewiss, besonders hier im Süden Portugals. Es wird immer heißer und trockener. Was sich da in den vergangenen 30 Jahren langsam angekündigte, sind Wetterextreme und eine Natur im Ungleichgewicht. Es wird in Zukunft immer weniger regnen und falls, dann unregelmäßiger. Die Erde und die Luft in den südlichen Breitengraden Europas werden trockener, sehr viel trockener. Der Regen wird eher sintflutartiger fallen und die Gewitter eher Überschwemmungen auslösen und Boden abtragen, wenn die Wurzeln der Bäume sie nicht halten. Wir Menschen müssen unsere Natur, die Wälder dieser Erde jetzt mehr denn je und besser denn je schützen, auch um damit die Artenvielfalt unserer Biotope besser zu erhalten. Wenn eine Art ausstirbt und verschwindet, hat das Auswirkungen auf andere Arten und kann für die Biodiversität eines Waldes und für die Menschheit katastrophal werden.
Ana und Carlos haben schon vor Wochen einen kahlen Platz auf dem Plateau zwischen den Kastanien gefunden, an dem der Bagger ein rechteckiges Loch von sechs mal acht Metern und drei Meter tief in die Erde schaufelt, ohne dabei auf Wurzeln der verbliebenen Kastanien zu stoßen. Ricardo, der Baggerfahrer, geht geübt und vorsichtig mit seiner Schaufel um und nach ein paar Stunden ist das Loch für das Pilotprojekt des Vereins „Monchique Alerta – Serra Livre De Incêndios“ (übersetzt mit Monchique in Alarmbereitschaft, Gebirge frei von Waldbränden e.V.) fertig. Hier soll ein Wasserreservoir für die Wiederaufforstung mit heimischen Baumarten entstehen, mit Kastanien, Korkeichen, Medronheiro und vielen anderen Gewächsen. Carlos, emeritierter Universitätsprofessor für Designkunde, erzählt: Wir haben diese sieben Hektar Mischwald von unseren Vorfahren geerbt, was heißt, auf Lebenszeit geliehen bekommen und geben ihn nun, davon sind fünf Hektar verbrannt, an die nächste Generation in diesem Zustand weiter? Nein. Die Zisterne ist eine Investition in die Zukunft und mit ihr verbinden wir Hoffnung.
An einem Freitag, Ende Mai 2020 erhalten beide vom Verein den Schlüssel ihrer neuen Zisterne übergeben. Sie kann 50.000 Lieter Wasser speichern und wird durch ein unterirdisch verlegtes Rohrsystem den Berg hinab den verbliebenen Wald mit Sprenglern vor weiteren Waldbränden schützen und die während heißer Sommer neugepflanzten jungen Bäume bewässern. Das gesamte System basiert auf Schwerkraft und der Druck der Leitungen ist auf zehn bar ausgelegt. Auf diese Weise wird beabsichtigt, den Schaden, der durch die Waldbrände entstand, vorsichtig zu minimieren, denn jeder zusätzliche Wasserspeicher erweitert die Lebensgrundlagen. Ein intakter Wald bindet das Wasser in den Wurzeln und Kapillaren der Bäume und auch untereinander kommunizieren die vielfältigen Baum-, Moos- und Pilzarten im Boden miteinander, so dass ein gesunder Wald im Gleichgewicht mit seiner Fauna steht und allen Tieren (Insekten, Vögel u.v.a.) und auch den Menschen eine verbesserte Lebensgrundlage bietet.
Die neue Zisterne hat eine Grundfläche von vier mal sechs Metern und eine Höhe von 2,20 Meter. Während die drei Maurer Diego, Steve und Carlos die vierwöchigen Arbeiten innerhalb des veranschlagten Zeitraums abschließen, macht Ricardo bereits seinen Bagger bereit, um die ausgebaggerte, überschüssige Erde langsam und vorsichtig wieder um die Zisterne herum zu verteilen und um sie zu kompaktieren. Am Ende wird die Zisterne auf dem Plateau des Waldes in der Erde verschwinden und nur noch der Einstieg mit seiner Luke ein Zeugnis davon geben, dass hier 50 m3 Wasser unter der Erde gebunkert darauf warten, bei einem kommenden Waldbrand als Rettungspotential zur Verfügung zu stehen, den Wald auf Knopfdruck zu schützen. Wenn Carlos und Ana den Wasserhahn aufdrehen, beginnen Sekunden später die vielen kleinen Sprengler Wasser zu sprühen und im Wald zu verteilen. Denn der Slogan „Mit Wasser löschen wir Feuer“ war der Titel der Crowdfunding-Kamapgne “http://www.ppl.pt/monchique/com/futuro”, der Plattform, auf der Spender aus halb Europa im Herbst 2019 genau 22.390 Euro überwiesen, damit der Verein vier Zisternen in Monchique bauen kann. Die erste Zisterne ist nun fertig, ein erster Schritt, um dem Klimakrise aktiv zu begegnen. Die drei Maurer wechseln jetzt zum nächsten Waldbesitzer, auf der anderen Seite des Berges, am 776 hohen Picota-Gipfel, dem der Verein die zweite Zisterne baut. Und danach kommen noch zwei Zisternen dazu und vielleicht geht das immer so weiter, bis die Geschichte ein wirkliches Happy End bekommt.