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biomasse eucaliptos

Der Wald ist voller Energie

Worte können auf unterschiedliche Art und Weise interpretiert werden. Zahlen nicht. Zahlen sind eine feste Größe. Laut Statistik von 2012 werden 80% der in Portugal verbrauchten Energie importiert. Sie stammt vorwiegend aus fossilen Brennstoffen wie Öl, Kohle und Erdgas. Dieser Tatsache sollten wir durch umweltfreundlichere Lösungen etwas entgegensetzen!

biomasse in spanien

Es gibt europäische Länder, die bereits große Schritte in ökologischer Richtung unternommen haben, allen voran Deutschland, wo bereits 8% der Energieerzeugung aus Biomasse-Anlagen stammt. Warum nicht das Gleiche in Portugal tun? Warum zum Beispiel nicht an der Algarve beginnen, einer Gegend, in der die Waldbrandgefahr besonders hoch ist. Welche vorbeugenden Maßnahmen wurden bisher dagegen unternommen? Genau an diesem Punkt beginnt unsere Reportage: Kontrolliertes Waldmanagement mit Blick auf den Reichtum an Biomasse. Also – was genau ist unter dem Begriff Biomasse zu verstehen? (Lesen Sie dazu auch unser Interview.)

Nicht weit von Monchique, genauer gesagt 82,9Km entfernt, treffen wir uns in Loulé mit dem Team der Forschungsstelle für Umweltwissenschaften und Umweltmanagement, im Folgenden CICAE genannt. Die Einrichtungen INUAF (die Private Hochschule für den Öffentlichen Dienst) beteiligt sich zusammen mit ALGAR (Rückgewinnung und Behandlung fester Abfälle) und dem ICNF (öffentlich rechtliches Institut für Naturschutz und Forstwirtschaft) an PROFORBIOMED, einem MED-Projekt (Zusammenarbeit der Mittelmeer-Anrainerstaaten und von der Europäischen Union co-finanziert) zur Förderung der Nutzung erneuerbarer Energien durch die Verwendung von Forstbiomasse. Hier möchten wir Antworten auf unsere Fragen finden.

Im Instituto Superior Dom Afonso III (INUAF) unterhalten wir uns dazu über das vierjährige Projekt (von 2010 bis 2014) und die Studien, die dazu stattfanden. Mit einem Volumen von 5,5 Mio. Euro wurden 18 lokale Partner aus sechs Ländern unterstützt: Frankreich, Griechenland, Italien, Slowenien, Spanien und Portugal. Die entsprechende Investition für die Algarve betrug circa 300.000 Euro, verteilt an die drei Organisationen CICAE-INUAF, ALGAR und ICNF, wobei letztere die Mittel nicht ausschöpfte. Das Vorhaben wurde zu 75% durch das MED-Programm finanziert.

produktion von BiomasseWir erfuhren, dass zunächst einmal die Bewirtschaftung der Forstbiomasse genau untersucht werden musste, als Voraussetzung für die erfolgreiche Durchführung eines wie auch immer gearteten Projektes auf diesem Gebiet. Nach der Bewertung des Potentials der Biomasse folgte eine Logistik-Analyse: Berechnungen zu Transportwegen, -zeiten und -kosten sind von entscheidender Bedeutung für eine effektive Strukturierung. Dabei wurde geschaut, wo der ideale Ort für die Errichtung einer Anlage zur Sammlung, Lagerung und Abfuhr läge: in Monchique. Ein ähnlich geartetes Logistiknetzwerk gibt es bereits auf dem Gelände von ALGAR in Porto de Lagos auf dem Weg zwischen Portimão und Monchique. Aktuell wird an einer Vereinigung mit anderen Akteuren dieser Branche gearbeitet, die bereits Vereinbarungen mit allen Gemeinden der Algarve getroffen haben. Ziel ist es, ein Netzwerk von Kontakten für An- und Verkauf der in der Region produzierten Biomasse zu bilden.

Im Laufe des Gespräches wandten wir uns den verschiedenen, von den Institutionen durchgeführten Studien zu. Dabei handelt es sich vorrangig um Untersuchungen zur Rentabilität überschüssiger Forstbiomasse. Neben Analysen zur potentiellen Verwendung der verschiedenen an der Algarve existierenden Pflanzen- und Baumarten wurde auch ein Investitionsleitfaden entwickelt. Man klärte darüber auf, dass der Wald nicht geschädigt werden dürfe, sondern nur durch eine selektive Nutzung der Reststoffe ein Gewinn entstünde, ohne dabei die Umwelt zu belasten.

Nach Angaben der Nationalen Waldinventur aus dem Jahre 2010 und dem Pflanzenbestandsplan der Algarve von 1995 wird die überwiegende Fläche durch Eukalyptus und Korkeichen genutzt. An dritter Stelle stehen Schirmpinien, gefolgt von Medronho (“Erdbeerbaum”) und schließlich der Kiefer. Weniger bedeutend sind die Vorkommen von Johannisbrotbäumen und Steineichen. Betrachten wir nun der Lage in Monchique zu. Aktuell beobachten wir dort eine zunehmende Verbreitung der gebietsfremden invasiven Akazie. Im Jahr 2013 entnahm das ICNF dem Bericht der 6. Landesforstinventur die Tatsache, dass diese Spezies bereits mehr als 100 Hektar der Algarve bedeckt. Aus Sicht der Biogaserzeugung könnte sie durch Ausdünnung und Abholzung an ihrer ungehinderten Ausbreitung gehindert werden. In zwei von der Forstwirtschaftlichen Vereinigung der „Serra do Caldeirão“ durchgeführten Studien zur Biomasse-Nutzung der Akazie geht man von einem geschätzten Gesamtertrag in der Region zwischen 7.675 und 13.292 Tonnen pro Jahr aus. Interessanterweise wurden bei der Untersuchung dieser Spezies Sterole und Zucker entdeckt. Die Zweige der “Mimosen” enthalten eine Menge an Palmitinsäure, die in Cremes und Kosmetika verwendet wird. Auch wurde Inosit gefunden, ein Alkohol mit Einfluss auf mentale Krankheiten. Wer hätte das gedacht, dass diese Sträucher, die uns im Frühling mit ihren gelben Blüten verzaubern, Alkohole enthalten, die in der Medizin und Pharmazie verwendet werden, um Krankheiten wie Parkinson zu verhindern.
Wissenschaft und Medizin beiseite – wenden wir uns wieder dem Energieaspekt der Akazie zu. Ihre Biomasse birgt ein bedeutendes Potenzial als Quelle erneuerbarer Energien. Die Mittelwerte liegen bei 3500 bis 4650 Kcal/kg. Zu Pellets verarbeitet ließe sie sich leicht transportieren und lagern. Aber was sind nun wieder Pellets? Diese werden aus Restbiomasse gewonnen. Als Restbiomasse bezeichnen wir den Abfall bei der Holzgewinnung wie Rinde, Zweige und Blätter, aber auch Stämme und Stämmchen, die nicht zum Einschnitt geeignet sind. Diese “Reste” werden getrocknet, gemahlen und zu zylindrischen Pellets mit einem Durchmesser von 6-8mm und 10-40mm Länge geformt. Die Qualität wird über den Gehalt an Feuchtigkeit, Rohasche, Dichte, mechanische Haltbarkeit und die Menge an Feinteilchen definiert. Im Rahmen des Projekts von „Proforbiomed“ wurde eine Studie zur Rentabilität unter Berücksichtigung des Verlustes von Ausgangsstoffen in der Größenordnung von 30% durchgeführt. Nach Marktanalysen kam man zu einem Preis von vier Euro pro 15 kg-Pelletsack bzw. zu einem Kilopreis von 27 cent.

Biomasse-Anlagen könnten sich als mögliche treibende Kraft für die Entwicklung des ländlichen Raums erweisen. Sie könnten als Strategie gleichermaßen gegen Landflucht wie auch zur Verringerung der Brandgefahr dienen. Diese neue, noch dazu nachhaltige und umweltschonende Einkommensquelle brächte den Gemeinden im Hinterland eine neue Unabhängigkeit, die schon in naher Zukunft zu einer großen Umkehr der aktuellen Entwicklung führen könnte.

Biomasse eucaliptosBeachtung verdient die Tatsache, dass es an der Algarve bereits eine Gemeinde gibt, die die Beheizung des städtischen Schwimmbads umgestellt hat: S. Brás de Alportel. Das Investitionsvolumen von 91.000 Euro amortisierte sich in weniger als 20 Monaten. Die ehemaligen Aufwendungen für Diesel von ca. 93.000 Euro konnten durch den Einsatz von Pellets auf 35.000 Euro gesenkt werden. Bei aktuellen Betriebskosten von 58.000 Euro im Jahr bedeutet das eine Kostenreduzierung in Höhe von 60%. Das ursprüngliche Heizsystem bestand aus zwei dieselbeheizten 280kW-Kesseln, ergänzt durch 126 Sonnenkollektoren, von denen letztere übernommen wurden. Dies ist ein hervorragendes Beispiel zur Reduzierung des „Ökologischen Fußabdrucks“, dem alle übrigen Algarve-Gemeinden folgen sollten. Niedrige Pellet-Preise und effiziente Heizkessel bieten die kostengünstigste Art der Beheizung von Schwimmbädern. Denken wir gleich noch einen Schritt weiter: an öffentliche Einrichtungen wie Krankenhäuser, Gesundheitszentren, Altenheime etc.

Der Umstand, dass die Verwendung von Pellets im Vergleich zu Erdgas die Heizkosten um 50% reduziert, demonstriert deutlich die Effizienz dieser Methode.

Betrachten wir nun, was zur Einrichtung einer Pellet-Anlage zur Energiegewinnung, mit der im Vergleich zu fossilen Energieträgern die CO2-Emissionen um mehr als 95% reduziert werden können:

  1. Lokalisieren: Wo kommt das Rohmaterial her? Wo wird das Endprodukt verbraucht? Die Entscheidung über den Produktionsort ist sehr wichtig. Ein detaillierter Lageplan ist dabei von großem Nutzen. Es ist auf eine günstige Anfahrt und Nähe zur Stromversorgung zu achten.
  2. Die Größe der Anlage richtet sich nach der Verfügbarkeit des Rohmaterials und dem möglichen Investitionsvolumen.
  3. Die Pelletieranlage besteht aus mehreren Komponenten: Hammermühle, Trockner, Kontrolleinheiten und Steuerungsraum für die Software.
  4. Das Technikerteam, zusammengesetzt aus Forstingenieur, Elektro-mechaniker und Elektrotechniker.
  5. Die Zertifizierung ist erhältlich bei: www.anpeb.pt

 

Aus Rücksicht auf die Umgebung sind Geräuschbelastung und Emissionen zu bedenken. Ein weiteres wichtiges Detail ist die Berechnung der von der Jahreszeit abhängigen Trocknungskosten. Zu guter Letzt sollten die Maschinen von einem regionalen Hersteller stammen, der die nötige Kallibrierung und Wartung gewährleisten kann.

Für eine Anlage mit 50.000 t Jahresdurchsatz und benötigt man 2000 kW Strom und eine Fläche von 25.000 m² sowie pro Schicht eine Mannschaft von 3-4 Personen. Ab der Planung über den Bau bis hin zum Betriebsbeginn vergehen im Durchschnitt 18 Monate. Eine solche Fabrik verarbeitet 50.000 Tonnen Rohmaterial zu 25.000 Tonnen Pellets, was damit zusammenhängt, dass die angelieferten Stämme eine Restfeuchte von 45% besitzen, die beim Trocknen auf 10% gesenkt wird. Abfallendes Restmaterial wird geschreddert und zur Heißlufterzeugung für die Trocknung benutzt.

pellets erzeugt aus biomasseAber Biomasse-Anlagen können nicht nur Pellets zur Wärmeenergieerzeugung produzieren. Es gibt Blockheizkraftwerke, die kombiniert Wärme UND Strom erzeugen, unabhängig von klimatischen Bedingungen wie Wind und Sonne. In diesen Anlagen wird Wasserdampf erzeugt, der zum Antrieb einer Turbine zur elektrischen Energiegewinnung dient. Und es gibt weitere Einsatzgebiete für Wald-Biomasse wie z.B. die Produktion von Brennholz und die Wertschöpfung durch Extraktion von Ölen und Essenzen für die Herstellung von Kosmetik, Medikamenten und Lebensmitteln.

Wie hoch ist die Investition, um eine Anlage zur Herstellung von Pellets zu errichten, fragte ECO123? Nach den Erfahrungen mit dem neuesten, von QREN co-finanzierten Projekt zur Installation eines Pelletwerkes in der Gemeinde Póvoa do Varzim im Norden Portugals in einer Größenordnung von 100.000 Tonnen Biomasse im Jahr betrug das förderfähige Investitionsvolumen 10.088.525 €, von denen 5.553.489 € von der EU übernommen wurden. Natürlich gibt es auch erheblich kleiner dimensionierte Projekte zur unabhängigen Strom- und Wärmeversorgung, z.B. eines Privathauses. Alles ist abhängig von der Menge an Rohmaterial und dem verfügbaren Investitionsbetrag. Zahlen sind Zahlen. Punktum!

About the author

Alexandra Monteiro Ihr Vorname bedeutet “Beschützerin” oder “Verteidigerin”. Sie liebt die Klarheit. Vom Temperament her Gestalterin ist es die journalistische Arbeit, in der sie Balance und Lebenssinn findet. Abschluss in Medienwissenschaften. Alexandra ist verheiratet und Mutter zweier fantastischer Kinder.

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