Samstag, der 15. Juni 2024.
Portugal hat 308 Kommunen. Torres Vedras ist eine davon. Sie erstreckt sich auf 407 km² Fläche, liegt 54 km nordwestlich von Lissabon und ist eine Stadt mittlerer Größe. Im Landkreis leben laut Zensus aus dem Jahr 2021 genau 83.072 Menschen und sind auf 13 Gemeinden verteilt. Die Stadt wird von der Sozialistischen Partei und ihrer Bürgermeisterin Laura Maria Jesus Rodrigues, 63, regiert. Anfang des Jahres wurde hier der erste kommunale Klimaschutz -Aktionsplan Portugals im Auditorium des Umweltbildungszentrums während einer gut besuchten Veranstaltung der Öffentlichkeit vorgestellt und diskutiert. Vom 2. bis zum 15. Februar gab es für die Bürger der Kommune Torres Vedras die Möglichkeit, dazu im Rathaus Stellung zu beziehen. ECO123 hat den 428-seitigen Plan eingehend studiert. Danach sprachen wir mit der Bürgermeisterin.
Eco123: Welche Bedeutung hat für Sie der kormmunale Klimaschutz-Aktionsplan (kurz PMACTV), der in Torres Vedras auf der Tagesordnung steht?
Laura Rodrigues (LR): Das ist tatsächlich eine der vorrangigen Maßnahmen. Im Grunde alles, was mit der Energiewende und Klimaschutz zu tun hat. In Torres Vedras ist alles, was mit der Umwelt und ihrem Schutz zu tun hat, seit vielen Jahren eine Priorität. Und wir sind eine Kommune, die für genau das bekannt ist. Im Laufe der Jahre haben wir viel Pionierarbeit geleistet und Auszeichnungen erhalten, die uns in diesem Bereich bekannt gemacht haben. Schon im Jahr 2010 sind wir dem Konvent der Bürgermeister beigetreten. Letzten Freitag war ich in Brüssel bei der Vollversammlung der Bürgermeister, zusammen mit zweihundert und ein paar Kollegen aus ganz Europa, die eine stärkere Verbindung zwischen der Europäischen Union, dem Europarat und den Bürgermeistern der einzelnen Länder forderten. Denn all diese Arbeit zum Klimawandel und zur Eindämmung des Klimawandels kann nur vor Ort geleistet werden. Wir wollen diese Arbeit wirklich machen, und wir machen sie auch. Aber es muss eine einfachere Möglichkeit geben, den Städten zu zeigen, wo sie zum Beispiel Fördermittel beantragen können.
Eco123: Portugal hat 308 Landkreise … Haben Sie bei dem EU-Meeting Portugal fast ganz allein vertreten? Vielleicht waren noch Loulé aus dem Süden und Guimarães aus dem Norden dabei…
LR: Es waren vier, vielleicht fünf Kommunen präsent: Guimarães, Torres Vedras, Almada und nicht viel mehr. Aber auch wenn es heute eine Gruppe gibt – eine Sektion des Nationalen Komunalverbands, der auch Torres Vedras angehört -, die sich dem Klimawandel widmet, den Bedarf ermittelt und plant, was in den Landkreisen selbst getan werden kann, gibt es andere, die bei dieser Arbeit, die absolut notwendig ist, ziemlich weit zurückliegen.
Eco123: Welche Strategien wenden Sie an, um die Bürger zu motivieren, die PMACTV-Maßnahmen nicht abzulehnen oder zu boykottieren?
LR: (lacht) Wir haben viel Zeit in Brüssel damit verbracht, genau darüber zu sprechen. Und das alles nur deshalb, weil wir es nur mit der Beteiligung aller schaffen können, weil die größten Emissions-Probleme mit der Industrie und dem Verkehr zu tun haben.
Eco123: Was ist mit der Landwirtschaft…?
LR: Wir haben diese Umfrage gemacht. Die Landwirtschaft gehört nicht zu unseren Hauptproblemen. Wir haben keine extensive Landwirtschaft wie die Ukraine, Frankreich oder Deutschland und auch keine Massentierhaltung. Wir in Torres Vedras haben also Vorteile. Aber die Industrie im Allgemeinen und der Verkehr im Besonderen sind die beiden Hauptverursacher von Emissionen, bei denen ganz erhebliche Veränderungen erforderlich sind. Zum einen sind sie die beiden größten Energieverbraucher, zum anderen setzen sie sehr viel Kohlendioxid frei.
Torres Vedras arbeitet seit über 20 Jahren in der Umwelterziehung mit jungen Menschen. Aber das ist noch nicht alles. Es wird auch mit Familien gearbeitet. Es wurde ein Umweltbildungszentrum gebaut, das theoretisch schon Netto-Null-Emission ist.
Eco123: Wir leben im Jahr 2024 in Portugal in einer Demokratie, seit genau fünfzig Jahren. Wir können wählen und abstimmen. Stellen Sie sich vor, dass morgen Hunderte von Autofahrern vor Ihrem Rathaus auftauchen, dessen Bürgermeisterin Sie sind, und sich weigern, den Klimaplan in die Praxis umzusetzen. Sie demonstrieren vor Ihrem Büro und wollen einfach weiter mit ihren Verbrennern fahren, weil sie sich keine Elektroautos leisten können, und weigern sich, mit Bus und Bahn zu fahren. Haben Sie dieses Szenario im Auge? Sind Sie darauf vorbereitet?
LR: Dieses Szenario könnte leider in vielen europäischen Städten eintreten. Die Europäische Gemeinschaft muss die Beziehungen zu den Kommunen und lokalen Behörden in jedem Land anders gestalten, damit jede Kommune das Paradigma, das sie für ihre Stadt hat, ändern kann. Es gibt viele Dinge, die tatsächlich übergreifend sind, aber wir sind alle unterschiedlich. Es gibt Städte, die einen viel größeren Bedarf haben, in den Verkehr zu investieren, um eine Politik der kostenlosen öffentlichen Verkehrsmittel zu betreiben, mit Fahrplänen, die den Bürgern dienen. Und das wollen wir wirklich, was die Verkehrsmittel betrifft, die wir innerhalb d
unserer Stadt Torres Vedras haben, die TUTs, mit mehreren Linien. Sie sind bereits für Personen unter 23 Jahren kostenlos, und das ist eine sehr große Hilfe, auf die wir uns immer berufen können.
Eco123: Wie viele Linien kann man gratis benutzen? Alle Linien in Torres Vedras?
LR: Vier Linien. Es muss eine nationale Politik geben, die den Menschen hilft, ihre Autos effektiver gegen Fahrzeuge einzutauschen, die andere Energiearten benutzen, zum Beispiel Elektroautos. Wir haben das als Stadtverwaltung vor einigen Jahren vorgemacht. Abgesehen von den Fahrzeugen der Müllabfuhr und den Lastkraftwagen besteht unser Fuhrpark aus Elektrofahrzeugen. Die Fahrzeuge, mit denen die Ratsmitglieder und die meisten Techniker unterwegs sind, sind elektrisch. Und das kostet Geld.
Eco123: Und für die Umrüstung der Müllfahrzeuge oder der Busse…
LR: … kommt noch.
Eco123: Lassen Sie uns nun über einige politische Risiken sprechen. Sie haben bei den letzten Kommunalwahlen 2021 genau 15.253 Stimmen erhalten. Mit anderen Worten: Knapp 40 Prozent der Wähler haben sie gewählt. Nehmen wir theoretisch an, dass sie 2025 nicht wiedergewählt werden und die neofaschistische Partei des Herrn Ventura die Mehrheit der Macht in Torres Vedras gewinnt. Ich hoffe es nicht, aber… wir leben in einer Demokratie.
LR: (Geräusch des Unmuts, Gelächter) Hoffen wir, dass das nicht passiert.
Eco123: Ich habe mir die Ergebnisse der letzten Wahlen vom 10. März angesehen. Wie bereiten Sie sich auf die Möglichkeit vor, dass eine andere Partei Ihren ehrgeizigen Klimaplan in die Tonne wirft und nicht weiter verfolgt?
LR: Ich denke, dass es für eine Partei fast unmöglich ist, eine Arbeit wegzuwerfen, die nicht ein kommunales, sondern ein globales Ziel hat! In Wirklichkeit mag es viele Neinsager in Sachen Klima und Energie geben, aber es ist wirklich ein globales Thema. Die Europäische Union hat einen sehr großen Einfluss auf die Politik und die Finanzierung, die sie in den einzelnen Ländern durchführt. Leugnen führt auch zu einer Konfrontation mit europäischen und nationalen Richtlinien, die meiner Meinung nach gar nicht so sehr in Frage gestellt werden können, wie es manchmal den Anschein hat. Ich war… ein wenig traurig darüber, dass die Chega (Neofaschistischen, Anm.d.Red.) bei den Parlamentswahlen rund 20 Prozent der Wählerstimmen in unserer Gemeinde erhalten hat; das liegt sogar ein wenig über dem nationalen Durchschnitt. Uns ist klar, dass dies nichts mit unserer Umweltpolitik zu tun hat, denn im Allgemeinen begrüßen die Menschen von Torres Vedras sie. Im Laufe der Jahre haben wir festgestellt, dass die Bürger sogar stolz darauf sind, dass wir eine Kommune sind, die sich kümmert. Sie haben sich sogar dafür eingesetzt. Es gibt Dinge, die sie gerne von uns hätten, die wir aber noch nicht erreicht haben, weil sie nicht von uns abhängig sind. Sogar die Müllabfuhr, zum Beispiel, die Sauberkeit, die absolut notwendig ist… Unsere Küste (lächelt) muss die sauberste des Landes sein. Das wage ich zu behaupten.
Es gibt viele Menschen, die sich einsetzen, um die Verwendung von Pestiziden und umweltschädlichen Stoffen im öffentlichen Raum zu stoppen, insbesondere die Verwendung von Glyphosat. Wir haben versucht, die Dinge in diese Richtung zu bewegen, wenn auch mit einigen Einschränkungen.