ECO123 nahm am internationalen Kongress der Wirtschaft in Gemeinschaft teil, der im Herbst dieses Jahres in Abrigada im Landkreis Alenquer stattfand. Während der kurzen Pausen hatte António Veiga die Möglichkeit, mit zwei der wichtigsten Teilnehmer zu sprechen und die Bedeutung und die Beweggründe dieser Initiative besser kennenzulernen. ECO123 sprach mit Professor Luigino Bruni, dem internationalen Vertreter der Zivilökonomie, der eine Professur an der Universität in Florenz innehat, sowie mit António Faria, dem leitenden Geschäftsführer von Faria & Irmão, Lda. (eine der Firmen Portugals, die seit langem in diesem Projekt mitwirkt.)
ECO123: Was bedeutet der Begriff “Wirtschaft in Gemeinschaft”?
Luigino Bruno: Für mich bezeichnet er ein Projekt, das 1991 von Chiara Lubich ins Leben gerufen wurde. Es schlägt den Firmen einen anderen Lebens- und Arbeitsstil und eine andere Gewinnverteilung als heute üblich vor. Zweiundzwanzig Jahre danach verbindet es einige auf der ganzen Welt ansässigen Firmen. In eigentlichem Sinne bedeutet der Begriff, dass die Wirtschaft in einen Gemeinschaftsraum, einen Raum des Teilens und der Solidarität verwandelt werden kann. Dieses Projekt von damals vereinigt heute verschiedenste Firmen der Welt.
Wie unterscheidet sich die Wirtschaft in Gemeinschaft von anderen solidarischen Wirtschaftsformen?
LB:Sie unterscheidet sich hauptsächlich dadurch, dass sie sich für alle Arten von Firmen eignet und nicht nur für diejenigen, die sich um die Armut und soziale Integration kümmern. Sie erreicht eine weltweite und nicht nur lokale Dimension. Das hängt mit den Integrationsformen, die mit der produktiven Arbeit und nicht nur mit der Hilfeleistung verbunden sind, zusammen. Konkretisiert wird sie durch Unternehmenszentren überall auf der Welt aber auch durch Projekte unternehmerischen Charakters, die durch die verschiedenen Formen der Zivilökonomie inspiriert werden. Im Grunde hat die solidarische Wirtschaft tausend verschiedene Gesichter, während die Wirtschaft in Gemeinschaft eine von vielen Möglichkeiten darstellt, die solidarische Wirtschaft in der Welt von heute zu erfassen.
Ich weiß, dass Sie die Marktwirtschaft wertschätzen, aber auf andere Art und Weise wie das aktuelle Modell des Kapitalismus. Können Sie uns Ihre Gedanken erläutern?
LB:Der Markt ist eine sehr interessante und positive Erfindung der Menschen, weil sie eine Form der Kontakte unter Personen darstellt, eine friedliche Interaktion, die ein Treffen von Menschen, die sich bislang nicht gekannt haben, ermöglicht. Der Markt schafft Reichtum, Fortschritt und Chancen für jedermann. Eine Welt ohne Märkte wäre eine ärmere Welt – nein, sicherlich eine bessere als die heutige. Der Markt hat im letzten Jahrhundert einen sehr wichtigen Status erlangt, sowie den sogenannten Kapitalismus. In den letzten Jahrzehnten entwickelte er sich hauptsächlich zu einem finanziellen Markt, bei dem die anonymen Gesellschaften quasi alles dominieren. Deshalb ist die Definition des Marktes, über den wir sprechen, wichtig: Handelt es sich um einen Finanz-, Kapital- oder ein Wirtschaftsmarkt in Gemeinschaft, in dem wir ein freies und friedliches Treffen von Menschen inklusive ein Treffen der gegenseitigen Beziehungen und Reziproziät vorfinden? Seit Jahren arbeite ich an diesem Thema, speziell in kultureller und theoretischer Hinsicht, in der der Markt als eine gegenseitige Hilfe von gegenseitigen Vorteilen und nicht als eine egoistische Manifestation oder Form verschiedener persönlicher Interessen angesehen wird.
Die Form, den Markt als ein Treffen von Notwendigkeiten und Gegenseitigkeit zu charakterisieren, ist sehr alt. Dieser Gedankengang kommt der Wirtschaft in Gemeinschaft, bei dem der Markt im Kern positiv ist, weil es sich um ein Treffen von Menschen handelt, sehr nahe. Dennoch sind nicht alle Märkte gleich. Einige rufen soziale Umweltprobleme hervor, weil sie die Wirtschaftsinteressen zu Lasten des Gemeinschaftsgutes aufwerten und die Wertgabe, die Uneigennützlichkeit und Gegenseitigkeit, die der Markt fördern müsste, zur Seite schieben.
Was hat sie zusätzlich beeindruckt, als sie von der Idee der Zivilökonomie erfuhren
António Faria: Als Chiara Lubich 1991 die Wirtschaft in Gemeinschaft ins Leben rief, dachte ich, dass es das ist, was ich möchte. Ihre Gedankengänge sprachen mich an und ich habe mich um die Umsetzung bemüht. Die Tatsache, meine Dinge zu teilen, den anderen Menschen zuzuhören, diese gegenseitige Liebe zu allem zu leben, führte mich dazu, mich zu fragen: Warum setze ich diese Idee nicht auch in meiner Firma um?es was in der Familie, in der Schule, im Umgang mit Freunden wichtig ist, durfte nicht draußen vor der Türe meines Geschäftes bleiben. Klar müssen einige Anpassungen vorgenommen werden, da eine Firma eine spezifische Realität darstellt und keine reine und einfache Form von Tausch zulässt. Die Idee war: es wagen und durchspielen. Es gab auch weniger gelungene Dinge, manchmal ein misslungenes Volontariat. Doch im Laufe der Zeit wurde alles ausgefeilt. Meiner Meinung nach handelt es sich auch um eine interessante Erfahrung, die ich mit meinem Bruder (ebenfalls Firmenteilhaber) und anderen Geschäftsleuten teile. Noch ist unsere Gruppe klein. Wir können das Positive und weniger Positive teilen. Genau dieser Erfahrungsaustausch hilft aber. In einer Firma, egal ob mit oder ohne Wirtschaft in Gemeinschaft, kommen immer Zweifel auf, und wir durchlaufen viele schmerzende Momente. Besitzt man jedoch diese Hintertür sowie Vertrauen und befinden wir uns auf dem von Gott vorbestimmten Weg, verleiht es uns Ruhe und die Möglichkeit, viele Male ein Risiko einzugehen, die wir unter anderen Umständen nicht wagen würden.
Können Sie uns anhand eines einfachen Beispieles aufzeichnen, wie Wirtschaft und Ökologie in Harmonie funktionieren können?
AF:Wir arbeiten mit Plastikformen für die Schuhindustrie. Als wir im Jahre 1987 das Geschäft unserer Eltern übernahmen, war Recyclingmaterial quasi irrelevant. Später und mit dazugewonnener Sensibilisierung dachten wir daran, die gebrauchten Formen, wiederzuverwenden. Bis dahin wurden diese vergraben und dienten als Fundament von Häusern oder landeten auf dem Müll. Das Material ist biologisch nicht abbaubar, da es Polyäthylen enthält. Wir wollten das Material recyceln und wiederverwenden. Wir waren Pioniere in Portugal. Wir kauften die Ausstttung in Italien und haben mit der Wiederaufarbeitung begonnen. Erst vor zehn Jahren, als es zunehmend schwieriger wurde, neue Materialien zu beschaffen und mit dem Ansporn zum Recycling begann sich diese Methode dann durchzusetzen. Das verlieh unserer Firma eine große Kapazität und Erfahrung beim Aufbereiten der Formen, sodass wir heute vier Tonnen pro Tag recyceln. Eine Sache, die am Anfang verrückt schien, zeigte sich hinterher als lohnenswert, auch in finanzieller Hinsicht.
Kann die Wirtschaft in Gemeinschaft in Portugal mehr Arbeitsplätze schaffen und gleichzeitig nachhaltiges Reichtum schaffen?
AF:Zusammen mit der Erfahrung der Zivilökonomie richteten wir den Fokus auf die Menschen. Arbeitsplätze schaffen kann in der heutigen Zeit auch bedeuten, diese nicht zu zerstören. Es kommt vor, dass einige unserer Mitarbeiter davon betroffen werden, eine schwierige Lebensphase durchlaufen zu müssen und dass ihre Bemühungen nicht belohnt werden. Wir riskieren weiter und geben diesen Menschen Raum, sich zu erholen. Wir haben viele Angestellte, die aufgrund verschiedenster Umstände, eine schwierige Zeit durchlebten. Wir untersuchen immer den konkreten Einzelfall. Es gab einen Mitarbeiter, den wir aufgrund weniger korrekten Verhaltens entlassen mussten. Wir warteten aber, bis er einen anderen Job fand. Wir haben ihn sogar an eine andere Firma vermittelt.