João Camargo (35 Jahre) lebt in Lissabon und hat zwei Töchter, ein und vier Jahre alt. Er hat einen Universitätsabschluss im Fachbereich Nutztierhaltung, entdeckte seine Vorliebe für den Journalismus, fand dann aber doch im Studium der Umwelttechnik seine intellektuelle Herausforderung. João Camargo arbeitete einige Jahre auf diesem Gebiet und ging dann nach Mozambique, wo er zunächst an der Fakultät für Agrarwissenschaften in Lichinga und dann später an der Fakultät für Biologie in Pemba unterrichtete. Nach Ablauf von zwei Jahren kehrte er nach Portugal zurück.
Sein Interesse an gesellschaftspolitischer Betätigung führte ihn zur Naturschutzorganisation Liga para a Proteção da Natureza (LPN), für die er vier Jahre tätig war. Danach erfolgte die Promotion im Fachbereich Klimawandel und Nachhaltige Entwicklung. Umweltthemen mit sozialem Aspekt spielen immer eine Rolle, weil es niemals einen Weg gibt, ein Problem zu lösen, ohne das Gesamtbild im Blick zu behalten.
Wie entstand Ihr Buch Portugal in Flammen?
Das Thema hat mich immer umgetrieben, besonders in Portugal. Angesichts des riesigen Bestandes gab es in den 80er Jahren und einem Teil der 90er Jahre wenig Diskussion. Der Protest nahm in gleichem Maße ab, wie die Ausdehnung des Eukalyptusanbaugebiets zunahm und das Landesinnere und die ländlichen Gebiete mehr und mehr von der Bevölkerung verlassen wurden. In Mosambik habe ich das auch oft gesehen: riesige Gebiete, in denen heimische Wälder zur Einführung von Eukalyptuspflanzungen abgeholzt wurden.
Damals waren es schwedische Unternehmen. Inzwischen weiß ich, dass auch Portucel Moçambique – das zur Navigator-Gruppe gehört – dort tätig ist. Als ich wieder bei LPN arbeitete, begann ich darüber zu schreiben. Im Jahr 2012 wurde dann das Gesetz von Assunção Cristas verabschiedet. Ich war einer derjenigen, die mitgeholfen haben, die Kampagne zur Aufhebung des Gesetzes zur Genehmigung von Eukalyptusplantagen in Gebieten mit weniger als zwei Hektar ins Leben zu rufen. Als ich anfing, öffentlich darüber zu schreiben, wurde ich – wesentlich härter als erwartet – angegriffen.
Von wem?
Von mehreren Personen, von denen viele mit dem Sektor in Verbindung standen … anonyme Angriffe. Mir wurde klar, dass diese Reaktion viel stärker war als ich zunächst erwartet hatte, als ich feststellte, wie strukturiert und planvoll sie erfolgte. Rückblickend war es sehr naiv von mir anzunehmen, dass das Land nur aus lauter Trägheit über das weltweit größte Eukalyptusgebiet verfügt. Als ich 2012 in einem Artikel darüber schrieb, fiel mir auf, dass noch nie zuvor darüber berichtet worden war.
Eine Million Hektar, 12 Prozent des Staatsgebiets.
Anschließend beschäftigte ich mich mit den bestehenden Problemen, insbesondere mit der sehr ernst zu nehmenden Landflucht und dem Verlust von Walderträgen und Forsterzeugnissen. Ich habe mehrere Leute getroffen, die diese Meinung mit mir teilten. Mit einem von ihnen, Paulo Pimenta de Castro, habe ich das Buch Portugal in Flammen geschrieben. Er steht politisch wesentlich weiter rechts, aber für diese Analyse haben wir uns zusammengefunden, weil die gigantischen Ausmaße des Problems eine Herausforderung für die Zukunft darstellen.
Was bedeutet das Element Feuer für Sie?
Feuer ist im Mittelmeerraum ein natürliches Element, es besteht offensichtlich keine Möglichkeit, das Entstehen von Bränden permanent zu vermeiden.
Das Feuer oder die Brände? Ich spreche vom Element.
Dieses Element existiert seit es die Erde gibt, und innerhalb bestimmter Dimensionen hat es seine Berechtigung und spielt sogar eine regenerierende Rolle in den Ökosystemen. Es kann aber auch Biomasse und Biodiversität zerstören. Wir alle haben jedoch einen sehr großen Einfluss auf die Dimension, die das Feuer in einem Ökosystem, einem Gebiet und der dort lebenden Bevölkerung einnimmt. Kleine Brände mit begrenzten Folgen sind eine Sache, immer häufiger auftretende Katastrophen, bei denen Tausende Hektar ununterbrochen brennen, sind jedoch etwas ganz anderes. Ab einem bestimmten Ausmaß kann dem Brand nichts mehr entgegengesetzt werden, Feuerwehren und sonstige Einheiten der Brandbekämpfung können nichts mehr ausrichten. Großflächige Monokulturen leicht brennbarer Spezies begünstigen die Brandhäufigkeit. Wenn wir diese Bedingungen selbst schaffen, verstärken wir globale brandbegünstigende Faktoren wie erhöhte Temperaturen und verringerte Luftfeuchtigkeit. Wir erschaffen die Hölle!
Welche Alternativen gibt es?
Was wir als Alternative zu entwickeln versuchen, besteht erst einmal darin, auf diesem Gebiet mit Vernunft vorzugehen, was bis heute kaum gemacht wurde. Die bestehende Situation der Eukalyptus-Expansion wurde hauptsächlich durch Pflanzungen geschaffen. Wir sprechen hier nicht von einer normal vorkommenden invasiven Expansion, die Entwicklung ist vorwiegend menschengemacht – aufgrund von Interessen der Zellstoffindustrie. Die gesamte ländliche Wirtschaft wurde für dieses Produkt erstickt. Was bedeutet Vernunft? Wir haben sehr abwechslungsreiche Landschaften. Alle 100 Kilometer ändern sich die klimatischen Bedingungen, die vorherrschenden Arten und die Topographie.
Von der Algarve bis in den Minho scheint es, als würden wir von Marokko nach Norddeutschland reisen. Wir stützen uns bei unserer Beurteilung auf Karten zur bioklimatischen Anpassung des Territoriums.
Manuela Raposo Guimarães leistete an der Hochschule für Agronomie (Abteilung für Landschaftsarchitektur) unschätzbare Arbeit, die uns wertvolle Informationen gibt, welche land- und forstwirtschaftlichen Arten in einem bestimmten Gebiet sinnvoll sind – und dies sehr präzise in sehr kleinem Maßstab. Ich würde nicht sagen quadratmetergenau, aber nahezu. Sie sagt uns, welche Arten am Hang sinnvoll sind, und beschreibt die Eigenschaften der Art in Bezug auf Bodenbeschaffenheit, Sonneneinstrahlung, allgemeiner Luftfeuchtigkeit und Temperatur. Soweit ist das ganz einfach. Wir müssen jedoch auch die Auswirkungen des Klimawandels mitberücksichtigen.
Unter den heutigen Bedingungen sind bestimmte Artengemische sinnvoll. Wir müssen uns von der Idee der Monokulturen verabschieden, denn es ist völlig absurd in einem derart abwechslungsreichen Territorium überall die gleiche Art anzupflanzen und zu glauben, dass diese überall gedeiht.
Aber welche Arten werden in Zukunft sinnvoll sein? Welche sind heute geeignet, welche bei einem Temperaturanstieg von 1 oder 2 Grad und weniger Niederschlag? Das Land muss im Hinblick auf den Klimawandel für die Zukunft gerüstet sein, wobei indigenen, weniger feuergefährdeten und eher trockenheitsresistenten Arten Vorrang eingeräumt werden sollte. Wenn es keine entsprechenden autochthonen Arten gibt, müssen wir kontinentale und mediterrane Arten wählen, die denen unseres Bioms möglichst ähnlich sind, da die Ausbreitung der Sahara das Wüstenklima weiter in den Norden verschiebt.
Wir können schon jetzt über Arten nachdenken, die es in Marokko – aber nicht in Portugal – gibt, wie zum Beispiel Arganbäume, Atlaszedern, Kalabrische Kiefern und Aleppo-Kiefern. Diese können – und müssen – natürlich in einem kleinen experimentellen Rahmen getestet werden. Wir müssen die Artenvielfalt, die wir in den letzten Jahrzehnten durch massive Expansion von Pinien und Eukalyptus zerstört haben, wiederherstellen. Um dies umzusetzen, müssen Menschen im Landesinneren und in ländlichen Gebieten leben. Die Restrukturierung des ländlichen Raumes dient nicht dem schnellen finanziellen Ertrag, sondern der Wertschöpfung für die Zukunft, um sicher zu stellen, dass Portugal auch bei einem Temperaturanstieg von 2 oder 3 Grad ein lebensfähiges und lebenswertes Land bleibt. Das meine ich nicht in finanzieller oder wirtschaftlicher Hinsicht – dies sind subjektive menschliche Maßstäbe – sondern in Bezug auf die Ressourcen wie Wasser und Nahrungsmittelproduktion.
Leider wird sich durch die vom Klimawandel bedingten Einschränkungen auch unsere enorme wirtschaftliche Komplexität vereinfachen müssen. Entweder bereiten wir uns vor (von diesem Prozess kann die Gesellschaft und das Gemeinwohl sogar profitieren) oder wir werden einen enormen Schock erleben, der die Sparmaßnahmen der letzten Jahre wie einen Witz erscheinen lässt. Wir müssen uns entscheiden: Entweder Anpassung oder unausweichlicher Zusammenbruch.
Haben wir in unserem täglichen Leben denn die Zeit, über diese beiden Optionen nachzudenken?
Die müssen wir uns nehmen.
Wie sollen Menschen, die vierzig oder mehr Stunden pro Woche arbeiten müssen, es schaffen zusammenzukommen, um sich eine Meinung zu bilden und für Naturschutz und Biodiversität des Waldes einzutreten?
Ich glaube, dass es mehrere Handlungsebenen gibt, die sich alle gegenseitig ergänzen. Es gibt bereits Menschen, die einen wichtigen Teil dieser Arbeit leisten. Jeder von uns hat seinen persönlichen Lebensstil, ist aber auch in kollektive Prozesse eingebunden, dadurch können Veränderungen entstehen. Andererseits erzeugt schon allein die Auseinandersetzung mit einem Thema glücklicherweise immer einen gewissen Veränderungsdruck. Ständig hören wir, dass ein Mensch allein kaum eine Veränderung bewirken könne, aber diese obrigkeitsorientierte Denkweise ist eine Falle. Tatsächlich finden wir sie jedoch in allen Bereichen unserer Kultur; in Institutionen, in Schulen, in der Presse, in Justizsystemen, in den Gesetzen. Wir brauchen sozusagen einen antiautoritären Impuls gegen diese Obrigkeitsdenkweise, die uns in unseren Möglichkeiten einschränkt. Es entsteht das Gefühl, dass es uns gar nicht möglich ist, Dinge zu ändern. Es ist leichter, sich das Ende der Welt vorzustellen als das Ende des Wirtschaftssystems, in dem wir leben. Wir wurden tatsächlich in eine Falle gelockt, die bereits den Weg in unsere Köpfe gefunden hat.
Durch jeden Brand werden die Einwohner ärmer. Welche Konsequenzen hat die Landflucht? Wie können wir diesen Exodus stoppen? Wie können junge Menschen motiviert werden, aufs Land zurückzukehren, um dort nach Kriterien der Biodiversität zu arbeiten?
Es gibt bereits eine kleine Bewegung zurück zur Natur, die sich dringend vergrößern muss, aber dazu braucht man einen Plan. Das Buch versucht diesen Plan zu umreißen, zum Beispiel bezüglich der Eignung der Ländereien und einer vernünftigen Vorgehensweise. Wir müssen viel von dem, was in den letzten Jahren zerstört wurde wiederaufbauen, denn das Phänomen der Landflucht ist kein Thema das ausschließlich Portugal betrifft, sondern überall auf der Welt stattfindet. Es ist zum einen auf die Attraktivität der Städte und zum anderen auf fehlende Investitionen in ländlichen Regionen zurückzuführen. In Portugal erfolgte ein Abbau im Bereich des Netzes öffentlicher Dienste – Krankenhäuser, Justiz, Schulen … Dies sind Faktoren, die die Menschen entmutigen. Die Landflucht ist ohne große Investitionen nicht umkehrbar, es bedarf eines Masterplans, um die Bevölkerung zur Rückkehr in die ländlichen Regionen zu motivieren.
Von diesem Plan würden auch die Küstenregionen und die Großstädte profitieren, denn sie sind auf das Wasser angewiesen, das aus dem Landesinneren kommt. Die Nahrungsmittelproduktion wird zunehmend auf nationaler oder sogar lokaler Ebene stattfinden, weil die großen Verteilungssysteme und der internationale Lebensmittelhandel enormen Spannungen unterliegen und auf immer größere Schwierigkeiten stoßen werden. Portugal hat jedoch seine Nahrungsmittelproduktion aufgrund einer Reihe von externen Anreizen bis auf einen unbedeutenden Rest heruntergefahren. Es ist noch autark bei drei oder vier Produkten, wie Olivenöl und anderen Ölen, aber nicht bei Nahrungsmitteln des direkten Verbrauchs… Die Lebensmittelproduktion hängt also vom Landesinnern und natürlich vom Wasser ab.
Was erwartet uns, wenn wir nichts tun?
Ich würde sagen, wenn die Temperatur in diesem Tempo weiter ansteigt, wird die Versteppung Auswirkungen bis zum Tejo haben.
Wird Portugal also unbewohnbar werden?
Nein, das nicht.
Aber mit wesentlich mehr Stress.
Ja und mit weit weniger Leuten. Es leben auch Menschen in der Sahara. Aber dort ist die Bevölkerungsdichte sehr niedrig und der Lebensstil vergleichsweise sehr hart. Selbst in den schlimmsten Szenarien gibt es große bewohnbare Streifen. In nationalen und vor allem internationalen Territorien ist der Druck aufgrund der Bevölkerungsdichte viel höher – dort leben wesentlich mehr Menschen auf viel weniger Raum und mit viel größerem Ressourcenverbrauch. Dies sind die perfekten Bedingungen für alle Arten von Barbarei. Die Natur treibt uns vor sich her, erdrückt uns und dann erdrücken wir uns gegenseitig.
Und so kommt es zur Völkerwanderung nach Norden?
So ist es. Das heißt wir wandern ins Zentrum und in den Norden Europas, während dann die Völker Nordafrikas zu uns kommen – das führt zu immensen Belastungen. Aber die Einbeziehung der Menschen in diesen Anpassungsplan kann auch dazu beitragen, das Land wiederzubeleben.
Wie können wir in unserem Alltag dazu beitragen, den Klimawandel zu reduzieren?
Ich versuche immer, außer zum Beispiel bei der Nutzung des Flugzeugs, die Hauptverantwortung nicht im individuellen Handeln zu sehen, obwohl auch diese offensichtlich wichtig ist. Wir brauchen eine Bewegung, die politischen Druck auf internationalem Niveau erzeugt, um auf zwei Ebenen zu handeln…
Zuckerbrot oder Peitsche? Wie erreicht man die nötige Motivation?
Der aktuelle Bericht des Zwischenstaatlichen Programms für Klimaveränderungen (IPCC) wurde jetzt veröffentlicht. Er trifft eine grundlegende Feststellung, die schon lange überfällig war: Um den Temperaturanstieg unter eineinhalb Grad zu halten, müssen wir bis 2030 fünfzig Prozent der Treibhausgasemissionen reduzieren. Das sind noch 12 Jahre. Das heißt nicht nur, dass es keine neuen Erschließungen von Gas, Öl und Kohle geben darf – sondern auch die heute bestehende Produktion muss zurückgefahren werden. Dies bedeutet eine sehr radikale Energiewende. Und leider ist ein Bericht, der Veränderungen einer solch radikalen Dimension fordert in der Zivilgesellschaft unattraktiv. Die Zivilgesellschaft muss die Energiewirtschaft und das Transportwesen ändern, aber auch Land- und Forstwirtschaft und die Gestaltung des ländlichen Raumes müssen verändert werden. Daher ist dieser Druck sehr wichtig. Auf der Ebene des individuellen Verhaltens wissen wir alle, was wir tun sollen….
… oder anders machen können…
Genau. Zum Beispiel in den Bereichen Verkehr, öffentliche Richtlinien … Öffentliche Richtlinien werden für die Menschen gemacht. So muss der Staat interpretiert werden, nicht nur als ein weit entferntes bürokratisches Monster, sondern als etwas, das wir gestalten können.
Weniger Brände.
Natürlich auch weniger Brände.
Keine fossilen Energiequellen.
Richtig.
Diese drei Punkte.
Die Waldbrände müssen so gut wie möglich verhindert werden, nehmen tendenziell aber zu. Als Konsequenz aus den Ereignissen im Oktober 2017 brauchen wir einen Wald mit viel weniger leicht brennbarem Material, der sich natürlich entwickeln kann, dann sind auch großflächige Brände viel leichter zu kontrollieren. Die großen Flächen des Eukalyptus- und Pinienwaldes sind unkontrolliert verbrannt, aber es gibt andere Waldgebiete mit viel größerer Artenvielfalt, wie beispielsweise den Margarida-Wald in der Nähe von Arganil, der nur in den Randbezirken gebrannt hat. Die Artenvielfalt und die enorme Vielschichtigkeit unterschiedlicher Wechselwirkungen verlangsamen das Feuer, senken die Höhe der Flammen und retten so das Waldesinnere.
Es gibt viele Indizien, die zeigen, dass die Artenvielfalt bei der Brandbekämpfung immense Vorteile bringt. Doch bietet uns ein biologisch vielfältiger Wald erheblich mehr, als eine „Waldfabrik“. Nicht nur in Bezug auf unser Wohlbefinden – auch die Wasserwirtschaft wird begünstigt und es gibt mehr forstwirtschaftliche Produkte wie Früchte, Pilze, Beeren, Wurzeln und Holz. Die Natur gibt uns sehr viel, aber sie ist keine Wurstfabrik.
Danke.