Samstag, der 23. Dezember 2023.
Viele sehen im bequemen Autofahren eine Befreiung vom mühseligen zu Fuß gehen. Ich hingegen kämpfe seit Jahren mit dem Lärmpegel des Autodroms der Algarve, wo zu dieser Zeit des Tages gerade wieder Testfahrten zu irgendeinem Autorennen stattfinden. Es ist der Verbrennermotor, der Benzin in stinkige Abgase verwandelt, ohrenbetäubend obendrein, wenn der Wind aus Südwest vom Atlantik herüberbläst und mit ihm der nicht enden wollende Lärm. Dabei gäbe es bereits leise, saubere und umweltfreundliche Alternativen im Bereich der Motoren. Man muss das nur wollen, nicht wahr?
Das Interview.
ECO123: Können Sie unseren Lesern ein wenig über sich erzählen, wie Sie auf die Idee kamen, Bussen und LKWs ein zweites Leben zu geben?
Andreas Hager: Ich habe mir anfangs die Frage gestellt, was machen die mit all den alten Dieselbussen? Werden die als Dieselbusse weiter die Luft verpesten oder werden die irgendwann mal verschrottet? Dann habe ich mich auf den Weg gemacht und bin einmal einem Busleben hinterhergereist. Das habe ich mir genau angeschaut. Nehmen wir als Beispiel einen Mercedes-Bus.
Der ist in Mannheim (Deutschland) geboren und findet den Weg nach München. Dort fährt er dann seine ersten zehn Jahre. Und nach den zehn Jahren sagen die Münchner, jetzt wollen wir einen neuen Bus anschaffen, weil ein zehn Jahrer alter Bus anfängt, wartungsintensiv zu werden. Und die Wartung kostet in Deutschland bei den Stundenlöhnen viel Geld. Das heißt, sie stoßen diesen Bus ab und kaufen sich wieder einen neuen. Dann geht dieser zehn Jahre alte Bus 1.000 km nach Südosten, nehmen wir die Stadt Budapest.
Dort habe ich die gebrauchten Dieselbusse dann gesehen. Nach zehn Jahren ist der Dieselmotor, das Getriebe, die Abgas-Nachbehandlungsanlage ziemlich hinüber und werden ausgetauscht. Es kommt ein neuer Dieselmotor rein, ein neues Getriebe und eine neue Abgas-Nachbehandlungsanlage. Dann wird der Bus wieder ein wenig hübsch gemacht, die Korrosionsschäden werden beseitigt, vielleicht auch die Sitze neu gepolstert – und dann fährt der in Ungarn weitere zehn Jahre – bis die Ungarn dann sagen, da kaufen wir uns wieder einen gebrauchten Bus aus erster Hand aus München. Und ihren alten Bus geben sie wieder 1.000 km weiter nach Süden. Da sind wir dann in Griechenland. Dort machen die ganz verblüffende Dinge. Dort wiederholt sich das Spiel aus Ungarn: neuer Motor, neues Getriebe etc. und die setzen den Bus wieder instand und dann fährt der noch einmal zehn Jahre in Griechenland und dann wiederholt sich das ganze Szenario noch einmal in Nordafrika. Über dieses Leben läßt sich streiten. In Ägypten bin ich dann mal selbst mitgefahren. Die Busse sind dann in keinem guten Zustand mehr und dann reden wir über Busse in einem Alter jenseits der 30 Jahre.
Das bedeutet für mich im Umkehrschluss, jeder Bus, wie er heute in Europa als Dieselbus auf die Strasse kommt, und das sind immer noch über 80 Prozent aller gebauten Busse, die in Europa gebaut werden, die würden nach der alten Kaskade, die nächsten 30 Jahre noch als Dieselbusse in Europa fahren. Wenn wir jetzt eine Rechnung machen, wir leben im Jahr 2023 und nehmen 30 Jahre dazu, dann sind wir weit in den 2050er Jahren. Das ist unvorstellbar, daß ein solcher Bus dann noch mit Dieselmotor in der EU fährt. Und deshalb sage ich, das erste Leben als Dieselbus, das konnten wir nicht verhindern, das hatte seine Gründe, aber das zweite Leben, das können wir verhindern und auch das dritte. Und dann haben wir uns daran gemacht und haben einen ersten Prototypen in Windeseile, in sieben Monaten umgebaut und vorgestellt.
ECO123: Wann war das?
Andreas Hager: In 2018. Ende 2016 wurde die Idee geboren. Dann machten wir ein halbes Jahr Marktrecherche und Marktanalyse. Ich wollte wissen, wie das mit den Bussen funktioniert. Ich komme ja aus dem Automotiv-Bereich. Ein Auto ist kein Bus. Welche Busse und welche Typen gibt es überhaupt? Wo fahren die, welche Anforderungen werden gestellt? Im März 2017 haben wir einen Projektleiter bekommen, der Ingenieur war und promoviert hat in Batterietechnologie und mit dem bin ich dann mehere Monate durch Deutschland gereist. Wir haben mit allen großen Städten gesprochen und auch die Busunternehmen gefragt, was für die wichtig ist und was so ein Bus alles können muss. Und dann haben wir uns im Frühjahr 2017 auf den Weg gemacht, einen alten Bus zu elektrifizieren. Den haben wir dann im Oktober 2017 auf der „IMO 360 Grad“ Messe in München öffentlich vorgestellt.
ECO123: Kurze Zwischenfrage. Wo im Bus haben Sie genug Platz gefunden für die Batterien?
Andreas Hager: Dort, wo früher der Dieselmotor war, das Getriebe und die Abgasnach-behandlungsanlage. Der Raum reicht für Batterien, die eine Reichweite von 250 bis 300 km garantieren. Und viel mehr brauchen 2/3 der Stadtbusse nicht. Ein Drittel der Busse braucht eine größere Autonomie. Wenn wir aber bei zwei Dritteln aller Busse die Probleme lösen könnten, wäre der Markt schon groß genug. Es braucht einen Anfang.
Wenn ich heute in einen Verkehrsbetrieb hineingucke und alle Linien anschaue, dann sagen die, wir haben bei einer Linie 350 bis 400 km, die sie am Tag fahren müssen – aber wenn wir in der Realität ankommen, sind bei 2/3 aller Linien die Busse nach 200 km zurück im Depot. Und jetzt sage ich ihnen mal was ganz persönliches, wenn wir alles so weitermachen wollen, so wie wir es bisher gemacht haben, dann wird uns die Veränderung nicht gelingen. Wir müssen bereit sein, neue Wege zu gehen, die sich auch darin unterscheiden von denen, die wir bisher gegangen sind. Also fangen wir mit dem Umbau von zwei Dritteln der Dieselbusse mal an.
ECO123: Sie befinden sich jetzt seit einiger Zeit nicht mehr im Endkundengeschäft. Sie bauen nicht mehr selbst um. Sie sind jetzt mit ihrem Retro-Kit im Geschäft als Zulieferer.
Andreas Hager: Ja, unsere Kunden bauen mit unserem Kit den Bus oder LKW um. Unsere Kunden sind Werkstätten oder Sonderfahrzeugbauer.
ECO123: In Deutschland, in Frankreich, in Polen…
Andreas Hager: In Deutschland wollen alle immer die neuen Busse kaufen. Aber in Österreich, Frankreich, in Polen und außerhalb Europas ist es die Türkei, ist es Indien und in den USA, läuft das Geschäft gut.
ECO123: Haben Sie mal an Portugal und Spanien gedacht? An den Fahrzeugbauer Salvador Caetano, der BMW und Toyota repräsentiert?
Andreas Hager: Ja, aber bisher hat sich dort noch nichts ergeben. In Portugal würde ich sehr gern etwas machen. Wir waren in Portugal im Urlaub und es hat uns dort sehr gefallen. Mal abwarten. Wir müssen auch Geduld mitbringen.
ECO123: Die LKWs und Busse, die sie umbauen, müssen ja aufgeladen werden. Gibt es denn schon Aufladestationen für LKWs und Busse, z.B. an den Raststätten der Autobahnen?
Andreas Hager: Es gibt noch nicht so viele Aufladestationen in Europa, aber das wird monatlich besser. Das ist auch gesetzlich in der EU verankert. 60% aller LKWs sind Heimkehrer. Die LKWs haben eine maximale Reichweite von 500 km. Alles was darüber ist, wird von der Brennstoffzelle abgedeckt. Die Busse kommen im Regelfall auch dorthin zurück, wo sie gestartet sind. Das heißt, die Ladeinfrastruktur befindet sich im Depot. Das können wir gut installieren. Das ist auch nicht teuer.
ECO123: Kommen wir mal zu den Kosten. Wieviel kostet so ein Umbau von einem Bus und von einem LKW?
Andreas Hager: Ein neuer Mercedes Elektro-Bus kostet rund 500.000 Euro ab Werk, ein umgerüsteter Elektrobus kostet noch rund 300.000 Euro. Das ist 200.000 Euro günstiger. Ein neuer Dieselbus kostet beispielsweise 250.000 Euro. Wir sind mit der Umrüstung heute schon preiswerter auf zehn Jahre gerechnet, als ein Dieselbus. In größeren Stückzahlen, wenn wir eine Flotte umrüsten, kostet das natürlich deutlich weniger. Da sind alle Arbeiten vom Ausbau des Dieselmotors, des Getriebes und der Abgas-Nachbehandlungsanlage bis hin zum Einbau des Elektromotors, der Batterien, des neuen Antriebssystems inbegriffen. Wenn unsere Partner-Werkstätten ganze Flotten umrüsten, gibt es natürlich Rabatte. Bei Flotten von mehr als 100 Bussen können wir die Umrüstung schon 20% billiger machen.
ECO123: Wie lange dauert die Umrüstung eines Busses oder LKW?
Andreas Hager: Drei bis vier Wochen bei Einzelstücken, bei Flotten dürften es weniger, ca. zwei Wochen, sein.
ECO123: Wieviel Energie verbraucht ein E-Bus? Wie ökonomisch fährt ein ökologisch umgerüsteter E-Bus?
Andreas Hager: Rund eine kW/h pro Kilometer. Da liegen wir im Schnitt sogar etwas besser als die neuen Busse. In wärmeren Regionen oder im Sommer liegen unsere umgerüsteten Busse drunter, in der kalten Jahreszeit, im Schnee und auf Eis, bei Minusgraden verbraucht er mehr.
ECO123: In Portugal scheint an 300 Tagen umsonst die Sonne. Mit einer eigenen Solaranlage auf dem Dach eines Busunternehmens könnte so ein Bus nahezu gratis gefahren werden. Die Iberische Halbinsel müsste doch für Sie ein idealer Markt sein, oder nicht?
Andreas Hager: Absolut. Wir sind gern dort tätig, wo wir dekarbonisieren und mit unserer Expertise helfen können. Für uns ist entscheidend, daß wir vor Ort einen Partner finden, der bereit ist, die Verantwortung für den Umbau zu übernehmen. Es müssen Werkstätten sein, die den Umbau mit dem vor Ort ansässigen TÜV zertifizieren.
ECO123: Sie haben ja einen großen Investor, der gerade bei Ihnen eingestiegen ist. Das ist doch eine gute Nachricht, oder?
Andreas Hager: Ja, Würth ist ein hervorragendes Unternehmen.
ECO123: Ich nehme mal an, Pepper-Motion arbeitet in Frankreich, in Polen und in Österreich erfogreicher als in Deutschland. Stimmt das?
Andreas Hager: Ja. Und das hat viele Gründe. In Deutschland ist man gewohnt, neue Busse zu kaufen. In Polen fährt man schon immer gern gebrauchte Fahrzeuge und in Frankreich ebenfalls. Dort fährt man gern elektrisch. In Deutschland sagen die Leute, 2030 ist noch lange hin. Da hat so eine Investition in saubere Mobilität noch lange Zeit. Die Ratio der ZERO EMISSION ist leider noch nicht sehr verbreitet.
ECO123: Hat es mal einen Bus gegeben, den Sie nicht umrüsten konnten? Wo bei der Umrüstung etwas schief gelaufen ist?
Andreas Hager: Nein. Nie. Wir geben auf die Batterie fünf Jahre Garantie und auf alle anderen Komponenten zwei Jahre. Wir haben unsere umgerüsteten Elektrobusse testen lassen. Zum Beispiel bei der BVG in Berlin. Die haben gesagt, unsere Busse seien Berlin-tauglich. Aber die Stadt sagt, sie kaufe nur neue Busse. Nun ja.
ECO123: Wie sehen Sie die Zukunft in Ihrem Gewerbe? Haben Sie eine Prognose?
Andreas Hager: Wenn wir über das Klima sprechen, ist für mich weniger entscheidend, was wir zwischen 2040 und 2050 machen. Entscheidend ist, was machen wir zwischen jetzt und 2030. Irreversible Schäden am Klima sind unumkehrbar. Wir sollten versuchen, viele Kipppunkte, wenn es irgendwie geht, zu vermeiden. Deswegen dränge ich darauf, daß wir uns JETZT verändern müssen und der Druck wird noch massiv steigen. Wir als mittelständisches Unternehmen mit einer Belegschaft von etwas mehr als 100 Mitarbeitern sind schnell und flexibel. Die ganze Welt wird dekarbonisieren müssen und wir haben ein Angebot für sie. Es gibt innerhalb der EU einen massiven Bedarf an Umrüstung – und jetzt komme ich zurück zum Anfang unseres Gesprächs, warum ich das mache. Ich bin zweifacher Familienvater. Ich habe meinen Kindern versprochen, wenn ich schon viel arbeiten muss, dann wenigstens etwas, was für die Zukunft gut ist. Dementspechend ist bei mir nicht nur der Betriebswirt im Kopf und der etwas auf deutsche Ingenieurskunst gibt, für mich ist auch eine Generationenverantwortung erlebbar. Ich habe mich aufgemacht, die Welt etwas emissionsfreier zu machen. Gemeinsam können wir viel erreichen. Jeder Marathon beginnt eben mit einem ersten Schritt … und jede Fahrt mit einem sauberen Fahrzeug.